- Laut Studie gibt es Bedarf für mehr Hotel- und Gästebetten, andererseits gilt das Zweckentfremdungsverbot. Welche Haltung haben Sie dazu?
- Halten Sie eine Stärkung des Tourismus insgesamt für geboten, wenn ja, warum – und wie unterstützen Sie diesen Sektor?
- Die Hotelerie und Gastronomie stöhnt unter dem Fachkräftemangel, erste Betriebe schließen deshalb. Was tun Sie dagegen?
FWV/ÜfA: Neue Hotels unterstützen
- Wir sind der Meinung, dass Überlingen zwei Hotels fehlen. Davon ein Hotel im 4-Sterne Bereich. Deshalb unterstützen wir alle Bemühungen von Investoren beziehungsweise Eigentümern in Richtung Hotelneubau beziehungsweise Hotelanbau. Besonders wichtig erscheint uns ein Stadthotel, zum Beispiel auch für den Bustourismus. Das Zweckentfremdungsverbot ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite benötigen wir dringend Wohnung. Auf der anderen Seite brauchen wir auch Wohnungen für Familien. Das Zweckentfremdungsverbot bedeutet ja nicht, dass es in Zukunft keine Ferienwohnungen mehr geben wird. Auf Antrag können ja noch Ferienwohnungen von der Verwaltung genehmigt werden.
- Die weitere Stärkung des Tourismus ist für Überlingen ein Muss. Wir unterstützen die Verbesserung der Infrastruktur und die Stärkung der Willkommenskultur für unsere Gäste. Dies muss eine Verbesserung des Aufenthaltes der Gäste bedeuten. Für uns ist ein qualitätsvoller Tourismus sehr wichtig. Wir denken, dass dies durch eine dauerhafte Aufwertung des Angebotes gut erreicht werden kann. Außerdem unterstützen wir die ÜMT bei Ihren Bemühungen, Märkte stärker zu erschließen, zum Beispiel die Schweiz.
- Fachkräftemangel herrscht nicht nur in der Hotellerie und der Gastronomie. Eine kleine Hilfe für alle Fachkräfte und deren Arbeitgeber ist die Ausweisung von Wohnraum auch für den kleinen Geldbeutel. Dies werden wir in den nächsten Jahren unterstützen. Ansonsten können wir nur an alle Betriebe appellieren, selbst auszubilden, um an geeignete Fachkräfte zu kommen. (Für FWV/ÜfA: Lothar Thum)
CDU: Die neue Satzung ist unnötig
- Überlingen hat insbesondere im Bereich der 3-Sterne+ Kategorie Bedarf an zusätzlichen Hotelbetten. Es gilt, die politischen Rahmenbedingungen zu setzen, um einen Investor in diesem Bereich zu gewinnen. Die CDU lehnt die von der Gemeinderatsmehrheit beschlossene Zweckentfremdungssatzung mehrheitlich ab, weil die Umnutzung von Wohnraum bereits nach baurechtlichen Vorschriften genehmigungspflichtig ist und die Satzung das eigentliche Problem nicht löst. Es muss mehr neuer Wohnraum geschaffen werden, der auch für Menschen mit normalem oder geringem Einkommen bezahlbar ist, anstatt Haus- und Wohnungseigentümer unnötig durch zusätzliche Reglementierung zu gängeln. Positiv ist, dass die Satzung bestehende Ferienwohnungen unberührt lässt und eine Genehmigung weiterer Ferienwohnungen nicht ausschließt. Ob eine Genehmigung erteilt werden kann, hängt davon ab, ob tatsächlich zusätzlicher Wohnraum zur Verfügung stünde, wenn keine Ferienwohnung genehmigt wird.
- Überlingen hat wirtschaftlich zwei Standbeine: Gewerbe und Tourismus. Daher gilt es, beide Standbeine im Blick zu haben und zu stärken. Die Rahmenbedingungen für den Tourismus müssen verbessert werden. Dazu gehören eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Stadt und den Teilorten sowie ein Ausbau des ÖPNV. Darüber hinaus sind die kulturellen und sportlichen Angebote wichtige Bausteine. Die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen, wie beispielsweise Bodenseetherme und Schiffsbetriebe, aber auch weitere private Anbieter sind hierbei zu unterstützen. Wichtig für die Zukunft sind auch ein gemeinsames Auftreten und eine gemeinsame Vermarktung der Region.
- Der Fachkräftemangel, insbesondere im Dienstleistungsbereich, hat vielfältige Ursachen, bei denen die Kommune nur sehr begrenzt Abhilfe schaffen kann. Einer der Gründe ist sicher auch der Mangel an Wohnraum, dem wir entgegenwirken wollen. Darüber hinaus kann die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beispielsweise im Bereich der Kinderbetreuung, ein Ansatz für Abhilfe sein, bei dem die Kommune Einwirkungsmöglichkeiten hat. (Für CDU: Aniko Haufe)
BÜB+: Höhere Steuer für Zweitwohnungen
- Der Tourismus ist ein wichtiges Standbein von Überlingen mit einer sehr hohen Wertschöpfung, an der viele Arbeitsplätze hängen. Die durchschnittliche Bettenauslastung von etwa 65 Prozent ist sehr gut, aber verbesserbar. In der Tat fehlt in Überlingen ein gutes 4-Sterne-Mittelklassehotel. Kleine Ferienwohnungen gibt es ausreichend, für größere gibt es noch Bedarf. Ebenso besteht Bedarf an einfachen B&B Zimmern. Überlingen braucht ein qualitativ hochwertiges Angebot, das sich vom Massentourismus abgrenzt. Daher begrüßt die BÜB+ ausdrücklich das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnungen hin zu oft illegalen billigsten Ferienwohnungen. Dieses Verbot muss konsequent kontrolliert werden. Zweitwohnungen müssen deutlich höher als bisher besteuert werden.
- Die Überlinger ÜMT GmbH macht eine hervorragende Arbeit. Im Sommer ist Überlingen auch Dank sehr guter Angebote sehr gut ausgelastet, mehr ist kaum verkraftbar. Aber im Winter gibt es noch deutliches Potential, zusätzliche Gäste nach Überlingen zu holen. Dafür sollten Konzepte entwickelt werden. Eine großräumige verkehrsberuhigte Zone in der Altstadt wird Bürger wie Gäste erfreuen und damit auch den Einzelhandel. Eine bessere Busanbindung der Ortsteile ist für die Einwohner und Gäste wünschenswert. Vor einer Einführung der umstrittenen EBC Karte müssen die Vermieter gehört werden, ihre Meinung ist zu berücksichtigen. Zu bevorzugen ist auf jeden Fall eine Karte, die am ganzen Bodensee gültig ist. Sehr bedauerlich ist es, dass Überlingen keinen Campingplatz mehr hat, denn diese Form des Tourismus hat unglaubliche Zuwachsraten. Camper lassen viel Umsatz in der Stadt. Der Reisemobilhafen muss dringend erweitert werden.
- Eines der Hauptprobleme ist sicherlich die Versorgung der Mitarbeiter mit bezahlbarem Wohnraum – nicht nur im touristischen Bereich! Wer in der Stadt nicht wohnen kann, wird hier auch nicht arbeiten wollen. Dieses Riesenproblem muss eines der Hauptanliegen in nächster Zeit sein, um langfristig über genügend Wohnraum zu verfügen. Es wäre auch zu prüfen, ob nicht auch anerkannte Asylbewerber zu Servicekräften ausgebildet werden können. (Für BÜB+: Kristin Müller-Hausser)
FDP: Die Landschaft ist zu schützen
- In der Tat besteht in Überlingen Bedarf für ein weiteres gehobenes Hotel sowie ein „Radler-Hotel“. Die Zweckentfremdungssatzung sehen wir unabhängig davon. Wir haben sie aus grundsätzlichen Bedenken abgelehnt, weil sie zu sehr in Grundrechte eingreift. Zu mehr Wohnraum führt sie nicht, dafür gibt es andere, wirksame Instrumente. Die steigende Auslastung unserer Ferienwohnungen zeigt einen stetig wachsenden Bedarf für Familien mit Kindern. Dem müssen wir gerecht werden, anstatt die Weiterentwicklung unseres Tourismus mit der Keule der Zweckentfremdung massiv zu bremsen.
- Überlingen lebte und lebt vom Tourismus. Wir punkten mit unserer Lage am See, mit einer bewegten, erlebbaren Geschichte und nicht zuletzt zahlreichen Gesundheitsangeboten. Unsere schützenswerte Landschaft ist eines der touristischen Pfunde, mit denen wir wuchern. Sie zu bewahren, zählt auch im Sinne des Tourismus zu unseren großen Anliegen. Wir engagieren uns in der Überlingen Marketing und Tourismus GmbH (ÜMT), um den örtlichen Betrieben ein Umfeld zu schaffen, das ihnen hilft, den Wettbewerb um Gäste zu gewinnen. Dazu gehört die Stadtgestaltung, das Kulturangebot, der Einzelhandelsbesatz, die Parks und Gärten und auch die Öffentlichkeitsarbeit. Der Tourismus ist unser stärkstes Standbein und muss es bleiben.
- Die FDP ist die Partei, die gegen vielfache Anfeindungen mittelständische Hoteliers und Gastronomen unterstützt. Unser Nein zur Trinkgeldbesteuerung und die Ablehnung verschiedener unsinniger Mehrwertsteuersätze sind zwei Beispiele. Verordnungen zur Arbeitszeit sind dienstleistungsfeindlich in Saisonbetrieben, ein akutes Problem. Wir fordern vom Bund flexible Lösungen, die den Willen zur Leistung nicht bestrafen. Wir glauben, dass sich Überlingen im gehobenen bis obersten Dienstleistungssegment profilieren kann, außerdem durch Erweiterung des Angebots im ökologischen und Bio-Segment. Die Kooperation zwischen unseren Landwirten, Gastronomen und Gesundheitsanbietern gibt Überlingen ein einmaliges Alleinstellungsmerkmal. (Für FDP: Peter Vögele)
LBU/Grüne: Vorsicht bei weiteren Betten
- Die Zahl der Übernachtungen und Tagestouristen in Überlingen ist in der Hochsaison bereits ziemlich an der Grenze dessen angekommen, was noch vertretbar ist, ohne den Charakter der Stadt zu verändern. Weitere Bettenangebote dürfen nur zukunftsfähig und Ressourcen schonend gestaltet werden. Die regionale Identität muss erhalten bleiben, weil die Menschen deshalb ihren Urlaub hier verbringen. Außerdem sollten die airbnb-Übernachtungen stärker in den Fokus gestellt werden, damit auch dort die Gästeanmeldungen erfolgen, die der Stadt Kurtaxe und Steuergelder zur Erweiterung der Infrastruktur sichern.
- Ja, da es sich um einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Stadt handelt! Ziel muss es sein, die Qualität vor Quantität zu setzen und die nachhaltige Auslastung der vorhandenen Infrastruktur in der Nebensaison zu verbessern. Eine Möglichkeit könnte zum Beispiel sein, „winter schools“, also Workshops und Konferenzen in der Nebensaison anzubieten. Ebenso wollen wir den Gesundheitstourismus unterstützen, da Überlingen über eine hohe medizinische Kompetenz verfügt. Unser Alleinstellungsmerkmal ‚Kneippheilbad‘ muss weiterhin – durch eine deutliche Verringerung des motorisierten Individualverkehrs – sichergestellt werden. Das Konzept von „cittaslow“ und ein attraktiver Radtourismus sind zwei weitere wichtige Säulen, die wir stärken wollen.
- Der Überlinger Gemeinderat hat keinen wirklichen Einfluss auf die am Markt verfügbaren Servicekräfte. Aber durch eine ganzjährige Saison könnten Beschäftigungsverhältnisse in Überlingen attraktiver und zukunftsorientierter gestaltet werden. Wir unterstützen dies zusätzlich durch unsere Aktivitäten im sozialen Wohnungsbau zur Schaffung bezahlbaren Wohnraumes. (Für LBU/Die Grünen: Alice Förster)
SPD: Kulturangebote als ein Schwerpunkt
- Hier ist zwischen Hotelbettenbedarf und Zweckentfremdungsverbot zu differenzieren; letzteres zielt darauf, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu erhalten. Der Studie, deren Empfehlungen wir unterstützen, zufolge fehlen in Überlingen zwei Hotels: eines in der 4-Sternekategorie, eines im Low-Budget-Bereich. Laut Studie sollten Hoteliers und Ferienwohnungsbesitzer vermehrt in Baubestand und Ausstattung investieren. Zudem müssten vermehrt Ferienwohnungen für Familien geschaffen werden, da das aktuelle Angebot meist nur 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen bereithalte. Nach den Höhepunkten: Großes Narrentreffen, Stadtjubiläum und Landesgartenschau im nächsten Jahr, kann man den weiteren Bedarf zuverlässig ermitteln. Bis dahin wird schon ein beträchtlicher Wohnraummangel zu beklagen sein. Diesem wird mit dem Zweckentfremdungsverbot entgegengewirkt und deshalb unterstützen wir es ausdrücklich.
- Den Tourismus unterstützen wir auch zukünftig, allerdings bevorzugt in Richtung einer größeren Nachhaltigkeit. Auf dem Weg zum sanften Tourismus ist es wichtig, auf eine Saisonverlängerung zu setzen, damit können bestehende Übernachtungsmöglichkeiten durchgängiger genutzt werden. Die Weiterentwicklung ist auch an ein hervorragendes gastronomisches Angebot gebunden. Deshalb ist die Unterstützung der Gastronomie durch die Kommune eine wichtige Forderung; auf die Nutzung regionaler Produkte werden wir ebenfalls hinwirken. Zudem unterstützen wir mit einem breitgefächerten kulturellen Angebot und diversen Veranstaltungen. Auf das erweiterte kulturelle Angebot legen wir einen deutlichen Schwerpunkt in der Tourismusentwicklung. Dies wird sich auch auf den Wirtschaftsstandort positiv auswirken.
- Die Möglichkeiten sind auf unserer Seite begrenzt, da hier vor allem faire Arbeitsbedingungen Thema sind (auf faire Arbeitsbedingungen hinzuwirken, ist eine Forderung der SPD in Bund und Ländern). Ansonsten greifen auch hier zentrale Themen, wie bezahlbarer Wohnraum und ein gut getakteter ÖPNV, die dazu beitragen, dass Überlingen noch stärker als bisher ein attraktiver Arbeits- und Lebensraum wird. (Für SPD: Melanie Kunze)