"Sechs Mal sechs" ist der Titel einer SÜDKURIER-Serie zum Kommunalwahlkampf, bei dem die sechs für den Überlinger Gemeinderat antretenden Parteien und Gruppierungen zu sechs Themenkomplexen Stellung nehmen. Den jeweiligen Experten, der hier mit Bild zu Wort kommt, benannten die Listen selbst. Die maximale Zeilenzahl war vorgegeben, musste aber natürlich nicht ausgeschöpft werden.
Immer mehr Besucher
Die Zahl der Touristen steigt regelmäßig. Aber hat Überlingen davon auch etwas? Das sind Fragen, die zur Kommunalwahl gestellt werden können. Wir unterhielten uns mit den Tourismus-Experten Andreas Liebich (Hotelier und Dehoga-Ortsvorsitzender) sowie Jürgen Jankowiak, Geschäftsführer der ÜMT (Überlinger Marketing- und Tourismus GmbH). Daraus leiteten wir an die zur Wahl stehenden Gemeinderäte diese Fragen ab:
- Laut Studie gibt es Bedarf für mehr Hotel- und Gästebetten, andererseits gilt das Zweckentfremdungsverbot. Welche Haltung haben Sie dazu?
- Halten Sie eine Stärkung des Tourismus insgesamt für geboten, wenn ja, warum – und wie unterstützen Sie diesen Sektor?
- Die Hotelerie und Gastronomie stöhnt unter dem Fachkräftemangel, erste Betriebe schließen deshalb. Was tun Sie dagegen?
Wie die antretenden Listen geantwortet haben, finden Sie unter folgendem Link:
Eine reizvolle Stadt am See
"Der Standort Bodensee im Tourismus ist allgemein gut", sagt Andreas Liebich (Hotel Johanniter-Kreuz). Beliebt, weil gegenüber den Krisenherden dieser Welt eine friedliche Destination. Überlingen gelte bei den Gästen als "eine der reizvollsten Städte am See". Gerade von der Landesgartenschau verspreche man sich einen "nachhaltigen Impuls". Als Problem bewertet Liebich die starke Abhängigkeit von der Saison. Konstanz, Lindau oder Friedrichshafen seien für Hoteliers "wesentlich interessanter", weil hier die Schwankung durch eine höhere Zahl an Geschäftsreisenden abgefedert werde.
Verantwortung gegenüber Bestandsbetrieben
Überlingen verfüge über "ein ausgeglichenes Hotelangebot". Liebich: "Vier-Sterne-Hotels in exponieter Lage und in Stadtnähe, eine Vielzahl von hervorragenden 3-Sterne-S-Hotels." Er verweist auf eine Studie, die besagt, dass es Bedarf nach einem Apart- oder Sporthotel gebe. Der Studie hält er entgegen, dass die Hotel-Betten schon jetzt nur zu 44 Prozent und die Zimmer zu 60 Prozent ausgelastet seien. "Kein vernünftiger Mensch kann sich gegen eine Hotelansiedlung aussprechen, wenn es das Angebot abrundet und es der Markt her gibt. Die Stadt hat aber auch eine Verantwortung den Bestandsbetrieben gegenüber, einen Verdrängungswettbewerb brauchen wir nicht."
Wohnungen für Fachkräfte fehlen
Die besagte Studie wurde von der ÜMT in Auftrag gegeben. Laut Geschäftsführer Jürgen Jankowiak verzeichnet Überlingen einen Zuwachs an Ferienwohnungen, verlor aber Hotelbetten, in den letzten zehn Jahren fünf Prozent, jetzt noch 2900. "Es gibt Jahreszeiten, in denen wir an die Kapazitätsgrenze stoßen." Es müsse nicht unbedingt ein neues Hotel sein, auch der Ausbau bestehender Häuser sei gewünscht.

Insgesamt habe Überlingen 500 Betriebe mit Übernachtungsangeboten und der Gesamtzahl von etwa 4900 Gästebetten. Die Zahl der Übernachtungen sei von 2009 bis 2018 um 72 500 auf 706 000 gestiegen. Davon seien 95 Prozent Touristen und nur wenige Geschäftsreisende. Als Problem bezeichnet er den Mangel an Wohnungen für Fachkräfte, der mit zum Fachkräftemangel in Hotelerie und Gastronomie führe. Eine Lösung könne ein Boardinghaus sein, gemeinsam von Stadt und Betrieben am Stadtrand geschaffen, wo Beschäftigte günstig wohnen können. Eine zweite Lösung könne die Saisonverlängerung sein. Derzeit fielen auf nur sechs Monate (Mai bis Oktober) 70 Prozent der Übernachtungen.