Seine Handschellen klirren, als der Angeklagte von zwei Justizbeamten in den Saal des Amtsgerichts geführt wird. Richter Alexander von Kennel weist an, ihm diese abzunehmen, stattdessen trägt er nun Fußschellen.

Die Staatsanwältin liest die Anklageschrift vor: Die erste Anklage beschuldigt den 28-Jährigen der Körperverletzung. Er soll vor einer Kneipe in der Überlinger Innenstadt einen Mann geschlagen haben.

Einbruch, Sachbeschädigung, Beleidigungen

Außerdem wird er in zwei Fällen der Sachbeschädigung beschuldigt. Einmal handelte es sich um eine eingetretene Tür und unerlaubten Zugang zu einer Wohnung, die er zuvor mit Freunden besucht hatte. Als er zur Wohnung zurückwollte, war sie verschlossen. Er brach sie auf und holte nach eigener Aussage persönliche Gegenstände wie Handy, Geldbeutel und seine Schuhe zurück. Ihm wird auch vorgeworfen, mit einem Zigarettenmülleimer die Fensterscheibe einer Bar eingeschlagen zu haben, als er dort einen Freund mit seiner Ex-Freundin sah.

Zudem soll es laut Anklageschrift in zwei separaten Fällen zu Beleidigungen gekommen sein, einmal davon mit Bedrohung. Beide dieser Vorfälle geschahen an einer Tankstelle in der Lippertsreuter Straße. Die Straftaten ereigneten sich laut Anklageschrift zwischen dem 30. April und dem 3. August 2024.

Psychische Krankheit erkannt

Der junge Mann sitzt in Haft, weil er gegen eine Bewährungsstrafe verstoßen hat. Er bestätigt dem Gericht, dass er bei allen Taten alkoholisiert und bei mindestens drei der Vorfälle unter Einfluss von Kokain oder anderen Betäubungsmitteln stand. Der Beschuldigte ist vergangenes Jahr mit einer Persönlichkeitsstörung sowie einer Alkoholabhängigkeit diagnostiziert worden. Er gibt an, dass er in der Vergangenheit eine Psychotherapie gemacht hat.

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Zuletzt beendete er die Therapie frühzeitig, um einer Ausbildung nachzugehen. Diese musste er jedoch abbrechen, da die Firma Insolvenz angemeldet hatte. Zwei Wochen vor der Verhandlung habe er aus eigenem Antrieb ein Gespräch bei einer Suchtberatung wahrgenommen: Der Angeklagte sagt, er wolle auf jeden Fall eine Therapie abschließen.

Gewalttendenzen von Kindheit

Nach ausführlicher Schilderung der Taten durch Staatsanwaltschaft und den Angeklagten selbst, stellt der Richter fest: „Sie rasten bei Kleinigkeiten, fast schon Alltagssituationen, komplett aus.“ Das erkennt der Beschuldigte an, er sei sich seiner Probleme bewusst. Er verweist auf seine, wohl traumatische, Kindheit in seinem Heimatland: Es habe Gewalt und Krieg gegeben. „Ich wurde geschlagen, egal ob zu Hause von meinen Eltern oder von den Lehrern, das war ganz normal“, berichtet der 28-Jährige. Er führt seine Gewalttendenzen, die er nur im berauschten Zustand aufzeigt, darauf zurück. Sein Strafverteidiger bestätigt, dass er nüchtern ein „sehr netter und umgänglicher Mensch“ sei.

Entschuldigung angenommen

Von den vier geladenen Zeugen ist für ein Urteil keine Aussage mehr nötig. Lediglich der Geschädigte wird in den Saal gebeten, damit der Angeklagte sich beim ihm entschuldigen kann. Die beiden geben sich die Hand, wobei der Zeuge anmerkt: „Jeder Mensch kann mal Fehler machen.“ Dann verlässt er den Saal wieder.

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Die Staatsanwältin plädiert für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Sie verweist auf die schlechte Sozialprognose des Mannes. Der Verteidiger fordert eine Strafe von zehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. In dieser Zeit soll der 28-jährige Mann eine stationäre Therapie absolvieren, um seinen Missbrauch von Substanzen zu bewältigen. So sei sowohl dem Angeklagten als auch der Gesellschaft gedient, so der Rechtsanwalt.

So lautet die Urteilsbegründung

Richter von Kennel verurteilt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr – ohne Bewährung. Er sehe, wie auch die Staatsanwältin, eine hohe Gefahr für Rückfälligkeit. Das könne nur durch eine Haftstrafe ausgeschlossen werden. Zudem muss der Angeklagte die Gerichtskosten tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.