Julia Rieß

Eine alte Bauernregel besagt: Hängt das Laub bis November hinein, wird der Winter lange sein. Eine Bauernregel, die in diesem Jahr interessant sein könnte: Denn das Laub hängt noch an den Bäumen, mitten im November, und zwar in den schönsten Gelb-, Rot- und Brauntönen.

"Es ist in der Tat so, dass sich der Laubfall bei einigen unserer Gehölze in diesem Jahr etwas hinauszögert", sagt Michael Brantner vom Grünflächenamt der Stadt Überlingen.

Kürzere Tage und kältere Nächte bringen Laub zu Fall

Doch ob deswegen der Winter lang sein wird? Das ist nicht wissenschaftlich belegt. Wohl aber, dass das lang hängende Laub etwas über das derzeitige Wetter und Klima aussagt. "Denn der Prozess der Laubverfärbung und des Laubfalls wird einerseits durch die abnehmende Tageslänge und damit den Sonnenstand, gleichzeitig aber auch durch die sinkenden Temperaturen in der Nacht hervorgerufen", erklärt Brantner.

Es habe in diesem Jahr zwar schon ein, zwei kalte Nächte gegeben, "aber weniger in kurzer zeitlicher Folge und Regelmäßigkeit, als es in anderen Jahren der Fall war".

Bei Regen wird es auch Blätter regnen

Es brauche Frost oder auch stärkere Niederschläge, bestätigt Rolf Gihr, Inhaber der Baumschule Linzgau in Owingen, um die Blätter zu Fall zu bringen. Sie stünden jedoch schon in den Startlöchern für den freien Fall: "Die Korkschicht, die Sollbruchstelle sozusagen, die sich zwischen Blatt und Ast bildet, sobald die Tage kürzer und die Temperaturen niedriger werden, ist vorhanden."

Sobald es mal etwas kräftiger regne, werde der Großteil der Blätter herunterkommen, sagt Gihr.

Kind spielt im Laub Video: Julia Rieß

Durch die Laubfärbung und den Laubfall wird der Beginn des phänologischen Vollherbsts und Spätherbsts definiert. Der phänologische Kalender richtet sich also nicht nach Monaten, sondern nach dem, was die Natur vorgibt. Und das kann jedes Jahr anders sein. Rolf Gihr sagt: "Wann sich die Blätter färben und wann sie von den Bäumen fallen, das ist jedes Jahr wetter- und temperaturabhängig."

Blätter verfärbten sich durch die Hitze schon früh

Dennoch hat man das Gefühl, dass in diesem Jahr der Herbst sehr lang dauert. "Das könnte daran liegen, dass aufgrund des trockenen Sommers schon früh ein Verfärbungs- und Abwerfprozess in Gang kam", vermutet Gihr. Teilweise lagen bereits im August die Blätter auf dem Boden. Michael Brantner sagt: "Bemerkbar wurde das beispielsweise auch bei einigen unserer jungen Stadtlinden und besonders an Standorten, an denen die Wasserversorgung aufgrund des Untergrunds verhältnismäßig schlecht ist."

Rolf Gihr von der Baumschule Linzgau rät dazu, die bunte Pracht zu genießen, so lange es geht – wenn Frost und Regen kommen, werden die ...
Rolf Gihr von der Baumschule Linzgau rät dazu, die bunte Pracht zu genießen, so lange es geht – wenn Frost und Regen kommen, werden die Bäume kahl. | Bild: Julia Rieß

Fichten stark vom Borkenkäfer befallen

Hier habe es sich jedoch nicht um eine Herbstlaubverfärbung und den darauffolgenden Blattfall gehandelt, sondern um einen wasserstressbedingten Blattfall durch die starke Trockenheit dieses Jahres. "Das war eine Schutzreaktion der Bäume", erklärt Rolf Gihr, "lieber geben sie die Hälfte der Blätter freiwillig her, als dass sie alle verlieren." Und das ist nur ein Symptom – die Trockenheit hat bei den Bäumen weit mehr angerichtet. "Vor allem die Fichten wurden stark vom Borkenkäfer befallen. Das ist eine Sekundärkrankheit, denn Borkenkäfer befallen Bäume, die ohnehin geschwächt sind."

Folgen der Trockenheit noch lange spürbar

Die Folgen der Trockenheit, die Schwächung der Bäume werden auch im kommenden Jahr noch spürbar sein, sagt Gihr. Wird es wieder so trocken, werden die Folgen noch drastischer sein. "Die Trockenheit, die hat längerfristige Konsequenzen." Aber dass die Blätter jetzt noch an den Bäumen hängen, sei völlig in Ordnung – das sei jedes Jahr anders: "Genießen wir die bunte Pracht, so lange es geht – sobald ein heftigerer Niederschlag kommt, ist es damit vorbei."

Bild: Julia Rieß
Bild: Julia Rieß

Räumpflicht gilt auch für Laub

So schön die bunten Blätter auch sind – liegen sie erst einmal auf dem Gehweg, können sie zur Gefahr für Fußgänger werden. Vor allem, wenn das Laub nass und rutschig ist. Laut der "Satzung über Verpflichtung der Straßenanlieger zum Reinigen, Schneeräumen und Bestreuen der Gehwege" liegt in Überlingen die Verkehrssicherungspflicht beim Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks. Bei nicht befestigten Wegen (ohne Bürgersteig) muss in einer Breite von eineinhalb Metern geräumt werden, auf Fußgängerwegen und in verkehrsberuhigten Bereichen in zwei Metern Breite. Der Eigentümer kann die Räumpflicht auf den Mieter übertragen. Zu welchen Uhrzeiten geräumt sein muss, so Rechtsanwalt Volker Mayer-Lay aus Überlingen, gebe es keine einheitliche Rechtsprechung: "Es wird immer der Einzelfall gewürdigt. Wer nach einem Richtwert sucht, könnte vielleicht das BGH-Urteil heranziehen, nach dem an Werktagen zwischen 7 und 20 Uhr, am Wochenende zwischen 9 und 20 Uhr geräumt sein sollte." Wie das Laub zu entsorgen ist, darüber gibt die Pressestelle der Stadt Auskunft: Der Kehricht dürfe "weder dem Nachbarn zugeführt noch in die Straßenrinne oder andere Entwässerungsanlagen oder offene Abzugsgräben geschüttet werden. Das Laub muss die Privatperson selbst entsorgen. Dies kann zum Beispiel über die Biotonne erfolgen. Alternativ kann das Laub auch beim Wertstoffhof in der Obertorstraße oder bei der Mülldeponie Füllenwaid abgegeben werden."