Im Flur des Einkaufszentrums La Piazza herrscht Hochbetrieb. Menschen stehen dicht gedrängt, einige mit Paketen, andere mit Abholscheinen. Wer im Dezember ein Paket bei Andreas Braun abgeben wollte, der musste viel Geduld mitbringen. 13.000 Pakete und Päckchen gingen in seiner Buchhandlung mit integrierter Postfiliale im vergangenen Monat über die Theke – ein Rekord.

Seit Braun die Poststelle 2013 übernommen hat, ist das Aufkommen stetig gewachsen. Besonders bemerkbar machte sich die Schließung der Poststelle am Mantelhafen, sagt der 58-Jährige. Im Sommer machte auch noch die Filiale in Uhldingen zu, später die in Owingen. „Seitdem kommen deutlich mehr Kunden zu uns, vor allem zur Weihnachtszeit“, sagt Braun.

Andreas Braun betreibt die Buchhandlung und die Post-Filiale im Einkaufszentrum La Piazza.
Andreas Braun betreibt die Buchhandlung und die Post-Filiale im Einkaufszentrum La Piazza. | Bild: Maike Stork

Filialbetreiber sind selbstständig

Das gestiegene Kundenaufkommen fordert Braun und sein kleines Team heraus. Gemeinsam mit seinem Sohn, einer Hilfskraft und gelegentlich seiner Mutter hält er den Betrieb am Laufen. Überstunden gehören dabei zum Alltag. „Selbst und ständig – so ist das eben“, sagt der Buchhändler pragmatisch.

Doch nicht nur der Arbeitsaufwand ist fordernd: Wenn Fahrer krank werden, so Braun, komme an manchen Tagen gar keine Ware, an anderen dafür doppelt so viel. „Wir haben keine Chance, das schnell abzuarbeiten und die Leute lassen dann ihren Frust an uns aus“, so der 58-Jährige.

Buchhandel hat gelitten

Die Poststelle in seiner Buchhandlung übernahm Andreas Braun einst als Nebengeschäft. „Angefangen habe ich mit zehn bis 15 Quadratmetern“ erinnert er sich, „mittlerweile besetzen wir den ganzen Parkplatz.“ Glücklicherweise werde das hohe Aufkommen im Einkaufszentrum bis dato toleriert, so der 58-Jährige.

Doch das Postgeschäft störe auch den Buchhandel, sagt Braun. „Viele Kunden trauen sich nicht, an der langen Post-Schlange vorbeizugehen.“ Besonders im Weihnachtsgeschäft sei das ein Problem. Verzichten möchte Braun auf die Filiale trotzdem nicht, denn sie gleicht die Einbußen im Einzelhandel aus. Der habe in den vergangenen Jahren stark gelitten – durch den Onlinehandel, die Auswirkungen der Pandemie, die Inflation. „Vielleicht verkaufe ich heute mehr Bücher über die Post als mit meinem eigenen Laden“, fügt der 58-Jährige an und lacht.

Hier reihen sich zu Stoßzeiten dutzende Postkunden auf: Die Filiale in der Buchhandlung von Andreas Braun wird stark nachgefragt.
Hier reihen sich zu Stoßzeiten dutzende Postkunden auf: Die Filiale in der Buchhandlung von Andreas Braun wird stark nachgefragt. | Bild: Maike Stork

Finanzielle Herausforderungen

Trotz der vielen Kunden betrachtet Braun die finanzielle Lage der Filialbetreiber kritisch. „Die Provisionen sind zu niedrig, wenn man bedenkt, was ein Angestellter kostet“, sagt er. Dazu kämen gestiegene Lebenshaltungskosten, bei denen die Post nicht mitziehe. Ein weiteres Problem sieht er bei der Mehrwertsteuer: Während Bücher mit nur 7 Prozent als Kulturgut entlastet werden, liegt die Steuer auf Postgeschäfte bei 19 Prozent. Eine Anpassung auf das Niveau des Buchhandels würde schon helfen, sagt Braun.

Wäscherei und Post in einem Laden

Auch in der Wäscherei und Postfiliale von Manuela Müller-Choinowski in der Hochbildstraße gibt es mehr zu tun. „Wir haben mit einer Dose Briefmarken angefangen“, erinnert sie sich und lacht. Später kamen dann zwei Schalter dazu – und „heute sind wir eine vollwertige Post.“ Auch Müller-Choinowski merkt, dass das Aufkommen steigt. „Das fing schon Ende Oktober an, als die ersten Kunden ihre Weihnachtspakete ins Ausland geschickt haben“, sagt sie.

Im Januar kommen dann die Retouren hinzu. „Zum Luft holen bleibt gar nicht so viel Zeit“, so die Betreiberin. Allein während des Gesprächs mit dem SÜDKURIER laufen 14 Post-Kunden in den kleinen Laden, eine Frau gibt einen Teppich zur Reinigung ab.

Das könnte Sie auch interessieren

Ähnlich wie Braun sieht Müller-Choinowski die finanzielle Situation: „Man muss schon immer kalkulieren“, sagt sie. Jedoch gelte bei der Post: „Die Menge macht‘s – arbeitest du viel, kriegst du mehr.“ Was die Steuerentlastungen betrifft, sieht auch sie die Verantwortung beim Staat: „Wir haben immer mehr als Mindestlohn bezahlt, aber irgendwann kommen wir an die Grenze.“

Ihr macht die Arbeit Spaß

Trotz der Herausforderungen bleibt bei Müller-Choinowski die Freude an der Arbeit: „Ich freue mich über die Kunden“, sagt sie. Was sie antreibt, ist der persönliche Kontakt – egal ob Hochzeitseinladungen, Postkarten, Bewerbungen oder Kündigungen: „Da stecken so viele Geschichten und Schicksale dahinter“, sagt die Inhaberin.

Manuela Müller-Choinowski betreibt in der Hochbildstraße einen kleinen Laden mit einer Poststelle, einer Wäscherei-Annahme, einer ...
Manuela Müller-Choinowski betreibt in der Hochbildstraße einen kleinen Laden mit einer Poststelle, einer Wäscherei-Annahme, einer Lotto-Filiale und einen Standort für Western Union. | Bild: Maike Stork

Wie ist Überlingen versorgt?

Wie Städte und Gemeinden mit Postfilialen versorgt sein müssen, legt die Bundesnetzagentur fest. So muss es in Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern mindestens eine Postfiliale geben. In Gemeinden mit über 4000 Einwohnern darf der Weg zur nächsten Filiale nicht mehr als zwei Kilometer betragen.

Auf Nachfrage bestätigt eine Sprecherin der Bundesnetzagentur, dass Überlingen diese Vorgaben erfüllt. Tatsächlich gibt es im Stadtgebiet drei Filialen, darunter Brauns Buchhandlung, Müller-Choinowskis Wäscherei, der Kiosk in der Greth. Hinzu kommt der Tabakladen an der Nußdorfer Straße.

Entspannung in Sicht?

Die Situation in den Überlinger Filialen könnte sich bald entspannen, da in umliegenden Gemeinden neue Filialen geplant sind. In Owingen etwa will Familie Allweyer in ihrem Getränkeladen Anfang Februar eine neue Filiale eröffnen. Auch in Meersburg soll es ab dem 3. Februar in der Dr.-Zimmermann-Straße 7 eine neue Poststelle geben, wie ein DHL-Unternehmenssprecher informierte.

Oberuhldingen hatte kurzzeitig keine eigene Filiale, nachdem jene am Edeka-Getränkemarkt vergangenen Sommer geschlossen hatte. Im Oktober 2024 übernahm schließlich der türkische Supermarkt Atmaca.