Dass in der Stadt nach wie vor kräftig gebaut wird, das war die gute Nachricht, die Baubürgermeister Thomas Kölschbach dem Gemeinderat bei seiner umfassenden Darstellung der aktuellen Wohnungssituation mitgebracht hatte. Auch, um Klarheit über kursierende Widersprüche auszuräumen. Denn die schlechte Nachricht war: Es gibt nach wie vor viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum.
In der Bürgerschaft und insbesondere in den sozialen Medien kursierten immer häufiger „unterschiedliche Auffassungen“, wie viele Wohnungen Überlingen überhaupt noch benötige, sagte Kölschbach. Und ob es nicht bereits zu viel gebe. Zum anderen tauche immer wieder die Frage nach leerstehenden städtischen Wohnungen auf. Es sei daher an der Zeit, dieses Thema etwas näher zu beleuchten, schickte er seinen Ausführungen vorweg.
Neubauten sind viel zu teuer
Wenn in ganz Deutschland ein Defizit von 550.000 Sozialwohnungen beklagt werde, so sei auch Überlingen davon betroffen. Auch in der Stadt gebe es Sozialhilfeempfänger und Bürger mit einem Wohnberechtigungsschein, die darauf angewiesen seien. Was derzeit in der Stadt vor allem im obersten Preissegment geplant und realisiert werde, sei „nicht das, was wir uns an sozialem Wohnraum wünschen“. Dies sei natürlich legitim, räumte Kölschbach ein: „Der Markt regelt das.“ Allerdings suchten auch hier Firmen vergeblich bezahlbare Wohnungen für Fachkräfte – auf einem überlasteten Markt.
Leerstände werden nicht überprüft
Als weiteres Problem nannte der Baubürgermeister die vielfach beklagten Leerstände. Bei städtischen Wohnungen liege dies meist an einem umfassenden Sanierungsbedarf, um private Leerstände zu überprüfen, habe Überlingen – anders als manche Großstadt – nicht die personellen Kapazitäten. Dass der Bedarf an günstigen Wohnungen groß sei, zeigten 112 Bewerbungen, „überwiegend von Familien“, die im Dezember bei der Stadt vorgelegen hätten, sagte Kölschbach. Umso wichtiger sei das Überlinger Wohnbaulandmodell, das dieses Segment zu stärken versuche. Zumal die Nettokaltmiete in der Stadt mit 9,26 Euro pro Quadratmeter deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Städte liege.
Bei der Diskussion um mögliche Baugebiete komme es immer auf die Perspektive an, betonte Kölschbach. „Als Stadt und Stadtplaner sind wir dem Allgemeinwohl und dem sozialen Frieden verpflichtet“, sagte der Baubürgermeister. Ja, die Kommune müsse nach Möglichkeit auch jenen etwas anbieten können, die am unteren Ende der Einkommensskala lägen. „Es sieht hier nicht düster, aber dunkel aus“, differenzierte er.

Kölschbach liefert belegbare Zahlen
In der Diskussion warnte Stadtrat Jörg Bohm (CDU) davor, dass sich Interessengruppen „einander diskriminierend ausspielen und aufstacheln“. Mit objektiven Daten sei man auf einem guten Weg. Dabei sei auch bei den politisch Verantwortlichen das richtige Augenmaß gefordert. Die Aussagen seien eindeutig gewesen, bekräftigte OB Jan Zeitler: „Wir brauchen halt die richtigen Wohnungen.“
Der Bericht Kölschbachs sei sehr wichtig gewesen, erklärte Robert Dreher (FWV/ÜfA). Insbesondere da immer wieder mit Zahlen hantiert werde, die einen überfüllten Bedarf zu belegen scheinen. Wie das sein könne? Seine Zahlen seien nachprüfbar, sagte Thomas Kölschbach. Andere Darstellungen seien für ihn rätselhaft.
Hornstein prangert Leerstände an
„Ruhe werden wir dennoch nicht reinbekommen“, sagte Ingo Wörner (FDP) voraus. Gleichwohl müsse die Stadt mit eigenen Grundstücken vorangehen. Das sei der richtige Weg. Viele Leerstände seien mit eigenen offenen Augen nicht zu übersehen, betonte Günter Hornstein (CDU). „Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass man hier nichts machen kann.“ Er wolle dringend bitten, sich in einer Arbeitsgruppe damit auseinanderzusetzen. „Wenn eine Wohnung sechs Monate leerstehe, sei dies auch ein Zweckentfremdung“, pflichtete Kirsten Stüble (SPD) bei.
Sanierungsberatung wird kaum nachgefragt
Wohnungen im Bestand zu sanieren und zu nutzen, sei immer günstiger als ein Neubau, sagte Bernadette Siemensmeyer (LBU/Grüne) und rief damit OB Zeitler auf den Plan. Die Stadt biete Sanierungsberatungen an, sagte der OB. Doch werde dies kaum in Anspruch genommen.
Mit seiner von Kölschbach abweichenden Interpretation der Zahlen meldete sich Thorsten Peters (AfD) zu Wort. Man dürfe nicht den „Netto-Neubau“ betrachten und die „verloren gegangenen Wohnungen abziehen“, sagte er unter anderem. Wenn er den „wahren Zubau“ heranziehe, komme er statt auf 661 auf 756 Wohnungen, die im Zeitraum 2018 bis 2023 erstellt worden seien. Zudem beklagte Peters, dass die Stadt ihr Tafelsilber für überflüssigen Wohnungsbau verkaufe, „für Leute, die nur temporär hier wohnen“. Dem widersprach Thomas Kölschbach vehement und betonte: „Wir bauen unsere Stadt nicht zu.“