Es war schon immer so und wird sich wohl auch niemals ändern: Bewusstseinsbildung findet in Deutschland am besten über den Geldbeutel statt. Appelle, sich im Auto anzuschnallen oder beim Motorradfahren einen Helm zu tragen, liefen lange Zeit ins Leere. Mitte der 70er-Jahre wurde „oben ohne“ im Auto und auf dem Motorrad verboten, als Sanktionsmittel wird seither ein Bußgeld erhoben. Die Folge: Mittlerweile legen nahezu alle Autofahrer den Sicherheitsgurt an und Biker beobachten das Verkehrsgeschehen durch ein Visier.
Das ist in diesen Coronavirus-Zeiten nicht anders. Seit Beginn des Lockdowns gibt es zusätzlich zur Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg einen dazugehörigen Bußgeldkatalog. Der ist vor wenigen Tagen noch einmal verschärft worden. Ein Beispiel: Wurden bislang bei Verstößen im privaten Bereich maximal 1000 Euro fällig, so sind es jetzt bis zu 2500 Euro. Es kann sogar noch teurer werden: Wer die Quarantänepflicht missachtet, kann mit bis zu 10 000 Euro Bußgeld belangt werden.
Bußgelder summieren sich auf rund 14 000 Euro
In Überlingen, so bilanziert das Rathaus auf Nachfrage dieser Zeitung, hat die Bußgeldstelle seit dem 23. März (einen Tag zuvor einigten sich Bund und Länder auf drastische Maßnahmen, um die Ausbreitung der Lungenkrankheit zu verlangsamen) 290 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, weil die Corona-Regeln nicht eingehalten wurden. Dadurch seien zwischen dem 1. Mai und dem 11. August rund 14 000 Euro eingenommen worden. Eine umfassendere Statistik könne das Rathaus aus Zeitgründen nicht erstellen, schreibt die Pressestelle.
Die Mehrzahl der Verstöße ereignen sich im privaten Bereich
Von den 290 erfassten Verstößen spielten sich 18 Fälle im gewerblichen und 272 im privaten Bereich ab. Ganz typische Verstöße von Privatpersonen: Sie setzten sich über die Sperrung der Promenade hinweg und hielten die Abstandsregel nicht ein. Zwei Mal baten Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdienstes auch Bürger zur Kasse, weil sie nicht akzeptierten, dass Spiel- und Sportplätze nicht besucht werden durften. Die Verstöße im gewerblichen Bereich gehen vor allem auf Gastro-Betriebe zurück –weil Desinfektionsmittel fehlten oder der Dokumentationspflicht nicht nachgekommen wurde.
Das Überlinger Rathaus betont, dass die Mitarbeiter des städtischen Gemeindevollzugsdiensts in der Regel auf verständnisvolle Corona-Regelbrecher gestoßen seien, nur rund 20 Prozent hätten Einspruch gegen das Bußgeldverfahren eingelegt. In den meisten Fällen sei zunächst ermahnt und erst dann sanktioniert worden, wenn sich die betroffene Person uneinsichtig zeigte.
Ein Blick ins Umland macht deutlich: Andere Kommunen haben bei der Überwachung der Corona-Regeln härter durchgegriffen als Überlingen. So hat die Stadt Radolfzell zwar weniger Ordnungswidrigkeitsverfahren (258) angestrengt, mit diesen aber 203 000 Euro eingenommen. In Stuttgart wurden von März bis Ende Juni 4666 Bußgeldbescheide erlassen, in Karlsruhe 1230 und in Ulm 745. Bei der Zahl der Bußgeldbescheide gibt es aber auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutliche Unterschiede. So wurden in Schwäbisch Hall mit rund 41 000 Einwohnern 29 Bußgeldbescheide ausgestellt. In Tuttlingen, wo weniger Menschen leben, waren es 590 Bescheide. Die zuletzt genannten Zahlen sind das Ergebnis einer Umfrage des baden-württembergischen Innenministeriums.