Der Bauunternehmer aus Überlingen ist geständig. Er habe eine Rockergruppe aus Sigmaringen dazu angestiftet, bei einem säumigen Kunden Geld für ihn einzutreiben. 1,1 Millionen Euro standen auf der Rechnung.

Die Rocker waren wenig zimperlich. Es handelte sich um Mitglieder der „Black Warriors“ aus Sigmaringen, die laut Innenministerium in Überlingen eine Teilorganisation führten. Sie warfen im Oktober 2019 einen faustgroßen Stein durch ein Toilettenfenster des Schuldners, der Stein war eingewickelt in eine Rechnung, auf der die Adresse des Bauunternehmers stand. Im Oktober zündeten sie ein Auto des 71-jährigen Kunden an. Im Januar 2020 wurde an das Rentnerehepaar ein Brief geschickt, in dem mit einer Gewaltandrohung (“Sonst kannst du deinen Sohn im Krankenhaus besuchen“) die Herausgabe von Geld gefordert wurde.

Urteil gegen Brandstifter bereits gefallen

Die Rocker wurden bereits im Oktober 2020 wegen der Brandstiftung und anderer Delikte wie Drogenhandels vor dem Landgericht Hechingen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Zudem erließ das Innenministerium Baden-Württemberg im Juli 2021 ein Verbot gegen die „Black Warriors MC Germany Chapter Sigmaringen“, die in Sigmaringen-Laiz ihr Vereinsheim führten.

Anstifter war ein Unternehmer aus Überlingen

Dass hinter den Fällen von Nötigung und schwerer Brandstiftung ein 31-jähriger Unternehmer aus Überlingen stand, war bislang öffentlich nicht bekannt. Vor dem Amtsgericht in Konstanz wurde er in dieser Woche wegen Anstiftung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Das Gericht hielt ihm zugute, dass er diese beiden Fälle, Steinwurf und Brandstiftung, gestanden, beziehungsweise eingeräumt hat, die Rocker dazu angestiftet zu haben. Knapp zweieinhalb Jahre Haft, „damit verbaue ich Ihnen nicht das Leben“, so die Richterin über das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist.

„Damit verbaue ich Ihnen nicht das Leben.“
Richterin in ihrer Urteilsbegründung

Den dritten Fall, in dem dem Rentner-Ehepaar mit Gewalt gegen ihren Sohn gedroht wurde, stritt er ab. Es gab Indizien, die für ihn als Täter sprachen, doch war die Beweislage der Spurensicherung aus Sicht des Gerichts zu dünn. Möglich erschien es auch, dass die Rockergruppe selbst den Brief schrieb, weil sie sich 50 Prozent vom einzutreibenden Geld abzwacken wollte und auch nicht locker ließ, als der Angeklagte wohl schon zum Rückzug blies. Im Zweifel für den Angeklagten, weshalb das Gericht unter Vorsitz von Amtsrichterin Willenberg in diesem Punkt auf Freispruch urteilte.

Offenbar machte der Angeklagte, was seinen früheren Lebensstil betraf, einen redlichen Eindruck auf das Gericht. Abitur in Polen, Ingenieur-Studium für Automatisierungstechnik, feste Anstellung, parallel Baufirma gegründet, zeitweise mit angeblich über 30 Mitarbeitern: Der 31-Jährige wirkte zur Tatzeit wie eine gefestigte Persönlichkeit.

Ein Mann mit zwei Gesichtern

Tatsächlich handle es sich um eine Person „mit zwei Gesichtern“, sagte der 71-jährige Rentner im Zeugenstand. „Er kann so liebenswürdig sein, dass man ihn adoptieren möchte.“ Für ihn sei er aber „ein Schwerverbrecher“, der die Sache nie wieder gut machen könne. „Unsere Familie ist daran zerbrochen.“ Seine Frau sagte im Zeugenstand, dass ihr Sohn nie mehr nach Hause kam und den Kontakt zu seinen Eltern abbrach, nachdem der Drohbrief bei ihnen eingegangen ist. Er habe Angst. Sie selbst habe einen Zusammenbruch erlitten und betrete das Haus, ihr Elternhaus, nur noch mit klopfendem Herzen, sie wolle eigentlich wegziehen.

„Er kann so liebenswürdig sein, dass man ihn adoptieren möchte.“
Das 71-jährige Opfer über den Täter

Ermittlungen gegen Rockergruppe aus anderen Gründen

Kommissar Zufall spielte bei den Ermittlungen in dieser Sache eine Rolle. Denn eigentlich observierten die Ermittler die Black Warriors nach einem anonymen Hinweis in anderer Sache. Wegen diverser Gewalt- und Drogenvorwürfen startete die Kripo rund um deren Vereinsheim in Sigmaringen damals verdeckt Ermittlungen, unter anderem wurden Telefonate abgehört, wie der zuständige Kripobeamte jetzt vor dem Amtsgericht in Konstanz sagte.

Am Amtsgericht Konstanz wurde wegen Anstiftung zur versuchten Nötigung und Anstiftung zur Brandstiftung gegen einen Bauunternehmer aus ...
Am Amtsgericht Konstanz wurde wegen Anstiftung zur versuchten Nötigung und Anstiftung zur Brandstiftung gegen einen Bauunternehmer aus Überlingen verhandelt. | Bild: Timm Lechler

Bei einem der Telefonate wurde ersichtlich, dass in Überlingen im November 2019 ein krummes Ding gedreht werden sollte. Was genau, ließ sich den verklausulierten Gesprächen nicht entnehmen. Nur, dass am 11. November „etwas gemacht“ werden sollte, was zunächst aber wohl scheiterte. Im Telefonat war zu hören: „Der (Name des Täters) sagt, er schwört auf seine Mutter, da ist kein Auto.“ Und dann die Rückfrage: „Ja Bruder, war nicht die 16 der Platz?“

„Er schwört auf seine Mutter, da ist kein Auto.“
Zitat aus einem abgehörten Telefonat.

„Ich konnte mir zuerst keinen Reim darauf machen“, so der Kripobeamte zum Inhalt des Telefonats. Nach Durchsicht des Tagebuchs im Polizeirevier Überlingen erschloss es sich ihm: Am 12. November, mitten in der Nacht, brannte in Überlingen an einem Anwesen mit der Hausnummer 16 (also „Platz 16“) ein Volvo lichterloh. Es handelte sich um das Auto des 71-jährigen Rentners. Den aufmerksamen Nachbarn, die die Feuerwehr rechtzeitig alarmierten, ist es zu verdanken, dass die Flammen nicht auf das Wohnhaus überschlugen.

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Die Kripo überwachte das Vereinsheim der Black Warriors in Sigmaringen – und siehe da, der besagte Bauunternehmer war dort zu Besuch, mit seinem Firmenwagen. Es kam zur Hausdurchsuchung bei ihm in Überlingen, woraufhin der Angeklagte eigenen Angaben zufolge erkannte, dass die Sache aus dem Ruder läuft. „Lasst den Scheiß“, habe er die Rocker zum Rückzug aufgefordert. Überhaupt: Er habe von Anfang an gesagt, dass einschüchtern okay sei, aber niemand verletzt werden dürfe. Dennoch kam es später noch zu dem besagten Drohbrief, dessen Absender ungeklärt blieb.

Hintergründe über den Täter und seine Beziehung zum Kunden

In welchem Verhältnis standen der 31-jährige Angeklagte und seine Opfer? Der Bauunternehmer, dessen Firma in Stockach angemeldet ist und derzeit ruht, beschäftigte laut seinen Angaben zufolge zeitweise mehr als 30 Mitarbeiter. Diese holte er teils aus seiner polnischen Heimat an den Bodensee, so dass er mit günstigen Preisen für sich werben konnte.

Das Rentnerehepaar aus Überlingen besitzt zwei Immobilien in jeweils bester Lage, beide Häuser mussten saniert werden, von einer „Kernsanierung“ war die Rede. „Wir sind vermögend“, so der 71-jährige Rentner. Die Firma des Angeklagten heuerte er an, weil man deutsche Unternehmen ja nicht mehr bekomme, so seine Aussage im Zeugenstand. Seine Preisvorstellungen waren allerdings aus Sicht der Richterin erschreckend. Denn er war lediglich bereit, an den Unternehmer 15 Euro Stundenlohn plus Mehrwertsteuer zu zahlen.

„Das war das Dümmste, was ich in meinem Leben gemacht habe.“
Der Angeklagte über die Beauftragung der Black Warriors

15 Euro, das wären eigentlich prekäre Preise, unter denen kein Unternehmer wirtschaftlich arbeiten kann. Die Amtsrichterin jedenfalls äußerte ihre Verwunderung und bedrängte den Zeugen. Der meinte: „Ich komme mir vor, wie wenn ich der Angeklagte sei. Ich habe den ausgehandelten Preis bezahlt.“

Laut dem Angeklagten wurde in Wahrheit bei der Anbahnung des Geschäfts ein höherer Betrag als die 15 Euro verhandelt. Der Angeklagte sprach von 25 Euro, die aber vertraglich nicht fixiert wurden. Beide Seiten versprachen sich einen Vorteil davon, per Handschlag das Geschäft einzugehen und vordergründig nur von 15 Euro zu sprechen.

Differenz von mindestens 500 000 Euro bei den Preisvorstellungen

Nach Angaben des Angeklagten leisteten er und sein Team Arbeiten im Wert von mindestens 800 000 Euro, wenn nicht sogar über einer Million, wie in der Rechnung formuliert, mit der der Stein umwickelt war, der durch das Toilettenfenster flog. Laut dem Rentner wurden 300 000 bis 350 000 Euro ausbezahlt, das sei vereinbart worden, und mehr sei die Kernsanierung der beiden Immobilien auch nicht wert.

Statt juristisch einen höheren Betrag einzuklagen, versuchte es der Angeklagte zunächst auf eigene Faust. Er war Mieter in der von ihm kernsanierten Dachgeschosswohnung in der Überlinger Altstadt. Sein in seinen Augen säumiger Auftraggeber war also zugleich sein Vermieter. Als das Geld nicht wie gewünscht an ihn geflossen ist, zahlte der 31-Jährige keine Miete mehr. Die Rentner reagierten ihrerseits unbarmherzig und erwirkten eine Zwangsräumung, woraufhin der 31-Jährige den Kontakt zu der Rockerbande suchte. „Das war das Dümmste, was ich in meinem Leben gemacht habe.“