„Es gibt viel zu berichten. Das war für alle im Team ein lebhaftes Jahr“, beginnt Sabrina Böhringer ihren Jahresbericht vor dem Ausschuss Kultur, Bildung und Soziales. Die Leiterin der Stadtbücherei Überlingen stellt den Gemeinderäten die Zahlen und Entwicklungen des Vorjahres vor. Zu deren Einordnung ruft sie noch einmal die besonderen Bedingungen in 2021 Erinnerung. Die Bibliothek war fünf Monate lang geschlossen und konnte danach nur mit Einschränkungen wieder loslegen. Auch 2022 spielten anfangs noch Auflagen und Zurückhaltung bei den Nutzern eine Rolle.

Lesecafé und Lesegarten kommen gut an

Dennoch kann Sabrina Böhringer einige positive Entwicklungen auflisten. So werde das Lesecafé seit seiner Wiedereröffnung rege von unterschiedlichen Altersgruppen genutzt. Auch der Lesegarten im Hof des benachbarten Spitalkellers komme gut an, so Böhringer. Dazu seien die Ausleihzahlen im Kinder- und Jugendbereich stark gestiegen. Die Kooperationen mit Schulen und Kitas mit regelmäßigen Besuchen in der Bibliothek konnten ausgebaut werden. Und es gab erneut Veranstaltungen, vor allem für Kinder. Ganz neu ist ein Vorleseangebot in ukrainischer und deutscher Sprache.

Sabrina Böringer wünscht sich neben einer neuen Kaffeemaschine mehr Aufenthaltsqualität für das Lesecafé.
Sabrina Böringer wünscht sich neben einer neuen Kaffeemaschine mehr Aufenthaltsqualität für das Lesecafé. | Bild: Sabine Busse

1000 Ausleihen aus der Bibliothek der Dinge

Böhringer betont, dass sich die vor einem Jahr eingerichtete Bibliothek der Dinge als Renner entpuppt habe. „Wir bekommen nur positives Feedback. Im ersten halben Jahr gab es 1000 Ausleihen“, berichtet die Leiterin. Die Idee hinter dem Konzept lautet: leihen statt kaufen. Die Nutzer können Ausrüstung für die digitale Mediennutzung, elektronische Geräte oder auch Alltagshelfer ausleihen. Doch für das Angebot braucht es mehr Platz, sagt die Leiterin. Regale müssten weichen, um mehr Fläche für den Aufenthalt schaffen zu können.

Dritter Ort neben Zuhause, Schule oder Beruf

„Die Bibliothek ist stets im Wandel, nicht zuletzt durch neue Medien“, sagt Sabrina Böhringer. Längst sei die Stadtbücherei kein „Aufbewahrungsort für Bücher“ mehr. Die aktuellen Aufgaben bestünden darin, Sprach-, Lese und Medienkompetenz zu fördern, Lernhilfen und Zugang zu Wissen zu bieten, zur Freizeitgestaltung beizutragen sowie als Raum für Begegnungen zu fungieren. „Die Bibliothek als Dritter Ort“ beschreibt das Sabrina Böhringer und meint einen Ort neben dem Zuhause und Schule oder Beruf.

Weniger CDs, mehr Reiseführer – wo geht die Entwicklung hin?

Um den neuen Aufgaben gewachsen zu sein, sind Veränderungen nötig. Sabrina Böhringer nennt Beispiele: Die Ausleihe von DVD, CD und Hörbüchern geht stark zurück. Auch bei den Sachbüchern hat sich das Nutzerverhalten geändert. Während Reiseführer weiterhin sehr gefragt sind, gibt es beispielsweise für die Themen Recht und Wirtschaft wenig Interessenten. „Hier müssen wir entscheiden, wie wir uns ausrichten.“ Auch die stark gestiegenen Buchpreise bei gleichbleibendem Etat erfordern Selektion. Die anstehende Neuausrichtung soll laut Leiterin in eine Konzeption für die nächsten fünf bis zehn Jahre fließen, an der sie gerade arbeiten. Als Grundlage diene der vom Land herausgegebene Bibliotheksentwicklungsplan.

Es fehlen weitere Gruppenarbeitsplätze und Kreativräume

Die Diskussion im Ausschuss eröffnet OB Jan Zeitler, der nach dem Bedarf an Arbeitsplätzen und Aufenthaltsmöglichkeiten in der Bibliothek fragt. „Wir haben bereits viele Stillarbeitsplätze mit Steckdosen eingerichtet und Nischen im Haus genutzt“, so Böhringer. Es fehle aber an Gruppenarbeitsplätzen und kleinen Räumen für Kreativgruppen.

Für kleine Gruppen steht nach einer Umräumaktion ein Tisch zur Verfügung. Alle Arbeitsplätze sind mit Steckdosen und Leselampen ausgerüstet.
Für kleine Gruppen steht nach einer Umräumaktion ein Tisch zur Verfügung. Alle Arbeitsplätze sind mit Steckdosen und Leselampen ausgerüstet. | Bild: Sabine Busse

Bald Informationen zum nötigen Etat

Ralf Mittelmeier (FWV/ÜfA) fasst zusammen: „Ich sehe, Sie haben den Wandel im Griff. Ich bin stolz, dass wir es uns das leisten.“ Manuel Wilkendorf (SPD) regt die Erweiterung um E-Sports-Medien an. Günter Hornstein (CDU) fragt nach der Schmerzgrenze beim Etat. Die Antwort gibt Fachbereichsleiter Raphael Wiedemer-Steidinger, allerdings ohne Zahlen zu nennen: Es gehe momentan darum, gemäß Bibliotheksentwicklungsplan des Landes die Stadtbücherei langfristig aufzustellen und auch baulich anzupassen. Er kündigt an, das Gremium schon bald über die Ergebnisse zu informieren und Zahlen für die Haushaltsplanung vorzulegen.

Ist das Kult oder kann das weg? Noch stehen Lexika in den Regalen, werden aber kaum noch genutzt.
Ist das Kult oder kann das weg? Noch stehen Lexika in den Regalen, werden aber kaum noch genutzt. | Bild: Sabine Busse

Auch Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne) mahnt Veränderungen an, beispielsweise beim Lesecafé. Er regt an, bei eventuellen bauliche Veränderungen die Architekten von früher einzubeziehen. Die Bibliothek zog 1996 nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten in den alten Torkel ein. Wie informativ der Bericht für die Räte war, bringt Günter Hornstein zum Ausdruck: „Ich habe gelernt, dass nicht die Zahl der Medien allein Gradmesser für den Erfolg ist, sondern auch der Grad der Nutzung der Titel und Besuche.“

Für Umgang mit ChatGPT wäre mehr Personal nötig

Eine der jüngsten und sicher forderndsten Neuerungen im Bereich Bildung und Literatur spricht Manuel Wilkendorf an. Er erkundigt sich nach dem Einsatz oder Umgang mit ChatGPT, einer Software, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz Texte anfertigt. „Dafür wäre mehr Personal nötig!“, antwortet Sabrina Böhringer prompt. „Wir müssen dranbleiben, um nichts zu verpassen“, lautet danach Jan Zeitlers Resümee.