Klar, die Reaktion von Bürgermeister Oliver Gortat ist nachvollziehbar. Wenn man mit den Mitteln der Ortspolizei der Lage nicht mehr Herr wird, bleibt einem auf den ersten Blick nur die radikale Lösung: Ufer sperren! So schafft die Gemeinde für sich einen Befreiungsschlag und entgeht der Gefahr, zu einem Corona-Hotspot zu werden, worunter der Ruf des Urlauberdorfs leiden würde. Keine Frage, eine Sperrung am Wochenende lag auf der Hand.

Nach zwei heißen Tagen im Test und mit etwas Abstand betrachtet, könnte Oliver Gortat allerdings zugeben, dass seine Maßnahme weder verhältnismäßig den betroffenen Badegästen gegenüber ist, noch fair den Nachbargemeinden gegenüber.

Druck im Ostbad

Auch in den Strandbädern in Überlingen steigt der Druck immer mehr. Ein Bademeister hat aber längst nicht die Autorität und die Macht eines uniformierten Ordnungshüters.

Brisant wird die Lage, wenn ein spontaner Regenschauer die Besucher unters Dach oder unter Bäume drängt. Coronaabstand, was ist das? Den Job, für Ordnung und Abstand zu halten, hat man nun quasi von Sipplingen an die Bademeister in den Nachbarorten delegiert. Das ist unsolidarisch.

Das könnte Sie auch interessieren

Alle anderen Gemeinden im Bodenseekreis mit Seezugang kamen noch am Freitag darin überein, dass sie (zumindest vorerst) keine Sperrpolitik betreiben, sondern weiter auf die Vernunft der Leute setzen. Vernunft bei über 30 Grad ist allerdings nicht garantiert, und es wäre eine Utopie anzunehmen, dass sich die Leute bei solchen Temperaturen das Baden verbieten lassen.

Eine wichtige Stellschraube

An diesem Wochenende kommen drei Dinge zusammen. Erstens war es das erste Wochenende in den baden-württembergischen Sommerferien, an dem viele einheimische Familien noch nicht verreist sind. Zweitens fallen Zeltlager, Feriencamps und viele Urlaubsreisen ins Ausland aus. Drittens waren die Temperaturen so hoch wie nie in diesem Sommer. Nichts daran lässt sich ändern. Es bleibt deshalb eigentlich nur die Stellschraube, die Badenden so gut es geht über die gesamte Uferlänge zu verteilen.

Das kann allerorten mit Parkverboten, Besucherzählungen, Zeitkonten oder anderen kreativen Maßnahmen begleitet und gesteuert werden. Das hätte alles in den letzten Wochen vorbereitet werden können. Wirklich überrascht von der Entwicklung ist hoffentlich niemand.

Öffnen statt schließen. Dazu zählt dann aber auch, dass Überlingen nicht mit dem Finger auf Sipplingen zeigt, sondern selbst nochmal über eine Öffnung des Badgartens auf dem Landesgartenschaugelände nachdenkt. Im Kampf gegen das Virus zählt jeder denkbare Quadratmeter an Abstandsfläche.