Wer seinen Fernseher, Toaster, Radiowecker oder sonst ein defektes elektronisches Gerät ins Nußdorfer Repair-Café bringt, muss zunächst einmal einen Reparaturzettel ausfüllen – mit möglichst detaillierten Angaben zu Gerät und Fehlfunktion. Dies soll Günter Neubert und seinen ehrenamtlichen Helfern die schnelle Fehlersuche erleichtern und dient gleichzeitig als Dokumentation der geleisteten Arbeit.

Fast 7000 Geräte – so kann man es den fortlaufend nummerierten Zetteln entnehmen – sind bislang durch die Hände der Reparateure gegangen, seitdem Neubert gemeinsam mit seiner Frau Shawna im Juli 2014 das Repair-Café in den Räumen der früheren Nußdorfer Postfiliale eröffnet hat. Das reicht von der Armbanduhr über den Fön bis zum Notebook.

Fast alles kann repariert werden

Angenommen werde „fast alles, was Strom braucht oder Ticktack macht und was man unter dem Arm hereintragen kann“, sagt Neubert. Im Schnitt bekomme man 70 Prozent davon wieder hin. Nur bei Tintenstrahldruckern liege die Erfolgsquote „deutlich niedriger“. Wie bei einem Drucker, mit dem ein älteres Paar in den Laden kommt. Hier scheint zwar nur die Tinte eingetrocknet, doch die Farbpatronen mit integriertem Druckkopf sind sehr teuer. „Weichen Sie die mal über Nacht in etwas Alkohol ein“, rät der Experte. Zwischendrin macht er mit Druckluft und Kontaktspray mal schnell eine Laptop-Taste wieder gangbar.

Seinen Kunden bietet Neubert quasi einen Rundum-Service. Er besorgt die nötigen Ersatzteile, in schwierigen Fällen auch mal gebraucht über Ebay. Ist der Auftrag erledigt, erhält man einen Anruf zum Abholen. Die meisten Reparaturen können mit Bordmitteln erledigt werden. Denn „80 Prozent der Standardersatzteile haben wir mittlerweile am Lager“. In unzähligen Schubladen lagern vorsortiert Kondensatoren, Dioden, Transistoren, Widerstände oder Schalter.

Günter Neubert an seinem Arbeitsplatz: Wichtigste Geräte sind der Trenntrafo rechts für das gefahrlose Testen sowie ein Labornetzgerät ...
Günter Neubert an seinem Arbeitsplatz: Wichtigste Geräte sind der Trenntrafo rechts für das gefahrlose Testen sowie ein Labornetzgerät für unterschiedliche Spannungen. | Bild: Jürgen Baltes

Tüftler schrauben ehrenamtlich in Nußdorf

Hochbetrieb herrscht im Repair-Café meist mittwochs zwischen 14 und 18 Uhr. Denn da kann jeder sein Problemgerät bringen. Regulärer Abholtag ist der Donnerstag. Wobei Neubert zum Reparieren fast die ganze Woche vor Ort ist. Die rund zehn ehrenamtlichen Helfer wechseln sich ab. Zu ihnen gehören pensionierte Ingenieure ebenso wie junge Leute, die sich fürs Reparieren begeistern.

Doch warum verbringt jemand den Großteil seines wohl verdienten Ruhestands zwischen defekten Fernsehern und Kaffeemaschinen? „Natürlich würde ich manchmal auch lieber am See sitzen oder einen Fahrradausflug machen“, sagt der gelernte Elektrotechniker, doch „ich repariere einfach für mein Leben gern.“ Mit Gleichgesinnten Probleme zu lösen mache einfach Spaß. „Nicht zu vergessen die vielen Kontakte mit Menschen und ihren Geschichten“, sagt seine Frau Shawna, die ebenfalls meist vor Ort ist. „Darüber könnte man ein Buch schreiben.“

Die Idee kam auf der IBO-Messe

Die Idee eines eigenen Reparatur-Cafés ging Neubert nicht mehr aus dem Kopf, seit 2009 die niederländische Journalistin Martine Postma in Amsterdam das weltweit erste Repair-Café eröffnet hatte. Und nachdem er auf der IBO in Friedrichshafen Karl Werkmeister getroffen hatte, der kurz zuvor mit dem Reparatur-Café in Salem an den Start ging – „das war sehr inspirierend“ –, da war die Sache klar.

Wobei das Nußdorfer Repair-Café durchaus etwas Besonderes ist. Zum einen ist es quasi ständig geöffnet, statt wie üblich ein- oder zweimal im Monat. „Außer im August, da machen wir Urlaub.“ Zum anderen können die Besucher zwar mitmachen, müssen aber nicht, wie es sonst üblich ist.

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Nachfolge beschäftigt Günter Neubert

„Es muss nicht jeder Experte im Reparieren werden“, sagt Neubert dazu. Wichtiger ist für ihn, die generelle Mentalität zu ändern, „ein Verständnis dafür zu schaffen, dass an einem teuren Gerät manchmal nur ein Ein-Euro-Teil defekt“ ist. Seine Mission scheint klar: So viele Geräte wie irgend möglich vor dem Container zu retten. Denn genau so versteht er seine Arbeit – „als letzte Station vor der Tonne“. Konkurrenz zu Fachbetrieben wolle man denn auch nicht schaffen. Handydisplays etwa ersetze man nicht. „Das können andere besser.“ Und für hochwertige HiFi-Anlagen schicke man die Besucher zur Fachwerkstatt.

Was den mittlerweile 67-Jährigen in jüngster Zeit öfter umtreibt, ist die Frage nach der Zukunft. Perspektivisch brauche er Engagierte, die sich nicht nur in der Reparatur, sondern auch in der Organisation des Repair-Cafés engagierten. „Wir würden gern sicherstellen, dass es nach uns weitergeht.“

Günter Neubert an seinem Arbeitsplatz: Wichtigste Geräte sind der Trenntrafo rechts für das gefahrlose Testen sowie ein Labornetzgerät ...
Günter Neubert an seinem Arbeitsplatz: Wichtigste Geräte sind der Trenntrafo rechts für das gefahrlose Testen sowie ein Labornetzgerät für unterschiedliche Spannungen. | Bild: Jürgen Baltes

Miete und Kosten werden über Spenden finanziert

Das Repair-Café funktioniert übrigens rein auf Spendenbasis. Wer nicht weiß, wie viel er geben soll, dem empfiehlt Neubert zur Orientierung 20 Euro pro Arbeitsstunde. In dieser Zeit bekomme man auch die meisten Geräte wieder hin. Und bis jetzt scheint die Rechnung auch aufzugehen. In den vergangenen zehn Jahren jedenfalls habe es stets gereicht, um Miete und sonstige Kosten zu bezahlen.

Und noch ein Gedanke treibt den Tüftler um: der Zugriff auf Elektroschrott. Manche Ersatzteile seien nur noch schwer zu bekommen, würden aber gleichzeitig permanent auf den Wertstoffhöfen entsorgt. Sein Anliegen hatte er bereits beim Landratsamt, dem Überlinger OB und einigen anderen Stellen vorgebracht – ist allerdings überall auf taube Ohren gestoßen. „Dabei wäre das so sinnvoll.“