Momentan liegt Auftrag Nummer 4749 auf dem Tisch. Die Nummerierung sagt aus, wie viele technische Geräte im Repaircafé in Überlingen-Nußdorf seit der Gründung vor sieben Jahren repariert und damit von Verschrottung verschont geblieben sind. 4749 Fernsehgeräte, Radios, Kaffeemaschinen, Staubsauger, Bügeleisen, Plattenspieler und so weiter und so fort.

„Reparieren ist die beste Antwort auf unsere Wegwerfgesellschaft.“
Günter Neubert, Gründer des Repaircafés Überlingen

Günter Neubert gründete im Juli 2014 das Repaircafé, in dem zwei Frauen und acht Männer ehrenamtlich arbeiten. Neben der sozialen Komponente, den weniger betuchten Menschen kostenlos oder zu einem günstigen Preis technische Geräte abgeben zu können, hat die Arbeit im Repaircafé auch einen Umweltaspekt. Die Einrichtung hilft, Müll zu vermeiden. Neubert sagt: „Reparieren ist die beste Antwort auf unsere Wegwerfgesellschaft.“

Aus dem Container entnehmen ist verboten

Nicht alles, was nicht mehr funktioniert, muss entsorgt werden. Wie Günter Neubert, Ingenieur für Elektrotechnik, aus jahrelanger Erfahrung weiß, müssen oft nur kleine Ersatzteile erneuert werden. Transformatoren, Platinen, Relais. Alles das könnte er aus anderen Geräten ausbauen, die in den Wertstoffhöfen des Bodenseekreises entsorgt werden, und von denen er annehme, dass das meiste letztlich im Verbrennungsofen lande.

Schrott oder Schätze? Was so alles im Container auf dem Recyclinghof landet. Vieles davon ließe sich im Repaircafé reparieren, oder ...
Schrott oder Schätze? Was so alles im Container auf dem Recyclinghof landet. Vieles davon ließe sich im Repaircafé reparieren, oder zumindest Ersatzteile könnten ausgebaut und weiterverwendet werden. | Bild: Stefan Hilser

Das Repaircafé könne viele Teile, die auf dem Markt schwer oder nicht erhältlich sind, noch gut brauchen. Doch darf Neubert sie nicht aus den Containern klauben, und er darf auf den Wertstoffhöfen auch keine extra Kiste aufstellen, in die die Bürger vor dem Entsorgen ihre vielleicht noch irgendwie verwend- und verwertbaren Altgeräte stellen könnten.

Bundesweit für Repaircafés ein Problem

Die Repaircafés im Bodenseekreis sind mit der ablehnenden Haltung der Behörden nicht alleine. Wie Neubert weiß, gebe es bundesweit nur wenige Ausnahmen, in denen die Abfallwirtschaftsämter einen etwas lockereren Umgang pflegen. Jena sei so ein Gegenbeispiel, oder Würzburg, wo laut Neubert die Bürger ihre Altgeräte in einer Halle für andere zum Mitnehmen deponieren können.

Stefan Stoeßel, Leiter des Abfallwirtschaftsamtes: „Elektroschrott ist ein besonders überwachungsbedürftiger Abfall.“
Stefan Stoeßel, Leiter des Abfallwirtschaftsamtes: „Elektroschrott ist ein besonders überwachungsbedürftiger Abfall.“ | Bild: Landratsamt Bodenseekreis

Der Chef des Abfallwirtschaftsamtes im Bodenseekreis, Stefan Stoeßel, signalisierte gegenüber dem SÜDKURIER, dass er Verständnis für den Wunsch der mittlerweile bis zu zwölf Repaircafés im Bodensee aufbringe. Die Behörde mache Werbung für sie, die Online-Tauschbörse des Landratsamtes gehe bereits in die richtige Richtung. Es liege in ihrem Interesse, dass das Müllaufkommen reduziert wird.

Laut Amtsleiter rechtliche Probleme bei einer Öffnung

Er könne den Besuchern auf den Wertstoffhöfen allerdings nicht die Erlaubnis erteilen, entsorgte Geräte mitzunehmen. Stoeßel: „Wenn die Altgeräte zu uns auf die Wertstoffhöfe kommen, dann haben wir ein gesetzliches Problem: Elektroschrott ist ein besonders überwachungsbedürftiger Abfall.“

Was heißt das? Zum einen verbieten laut Stoeßel die Richtlinien zur Arbeitssicherheit eine Freigabe. Zum anderen könnten sie in die Haftung genommen werden, wenn ein nach Abfallrecht zur Entsorgung abgegebenes Produkt von einer dritten Person benutzt, also in die Steckdose gesteckt wird, und er sich dabei einen elektrischen Schlag einfängt.

Günter Neubert beim Reparieren eines Kaffeevollautomaten. Oft fehlt es nur an Kleinigkeiten, um die Geräte wieder flott zu kriegen.
Günter Neubert beim Reparieren eines Kaffeevollautomaten. Oft fehlt es nur an Kleinigkeiten, um die Geräte wieder flott zu kriegen. | Bild: Stefan Hilser

Theoretisch müssten sie den, der die Geräte entsorgt, um Erlaubnis bitten, sie an Dritte weiterzugeben. Und vor der Freigabe müssten sie theoretisch einen Elektriker damit beauftragen, die Geräte zu prüfen. „Das ist nicht leistbar“, meint Stoeßel.

Weiterer Grund: Verwerter erwarten das unzerlegte Altgerät

Stoeßel benennt einen weiteren Grund: Manche Verträge mit den Verwertern basieren darauf, dass keine Einzelteile, sondern komplett erhaltene Gehäuse im Container liegen. Wenn in der Folge von Repaircafés nur noch die unverwertbaren Reste entsorgt werden, könne bei Überschreitung einer gewissen Menge eine Konventionalstrafe fällig werden.

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Günter Neubert kennt die Argumente der Behörden. Er hält sie nicht für plausibel. Er hält dagegen: Erstens seien sie fachkundig, bekämen also keinen elektrischen Schlag ab. Zweitens müsse es doch möglich sein, besonders ausgewiesenen Mitarbeiter der Repaircafés eine Sondererlaubnis zu erteilen.

Der Chef des Abfallwirtschaftsamtes wiederum fürchtet, dass es zu Endlosdiskussionen auf den Wertstoffhöfen kommen könne, wenn der einen Gruppe eine Sondererlaubnis erteilt wird, und sie der anderen Gruppe, den Sammlern antiker Geräte beispielsweise, verwehrt wird.

Was passiert mit dem Elektroschrott?

Absichtserklärung der Behörde deutet auf Veränderung

Sein Amt, so Stoeßel, sei aber sehr wohl am Überlegen, wie es die Wiederverwendung von Altgeräten und Einzelteilen fördern könnte. Im Abfallwirtschaftskonzept des Bodenseekreises für das Jahr 2020 wurde sogar explizit formuliert: „Versuchsweise soll auf ausgewählten Wertstoffhöfen die Bereitstellung von Elektroaltgeräten zur Wiederverwendung getestet werden.“

Ein Datum wurde noch nicht benannt. Dieser Satz steht unterm Stichwort „Ausblick“, ist also eine Absichtserklärung. Wie genau dies dann alles gesetzeskonform funktionieren könnte, diskutiere er gerade auf Ebene des Landkreistags mit Amtsleiterkollegen.