Am Ende des Gesprächs, in dem es um das Aus für ihren Laden geht, trägt Heidi Pohl Tränen in den Augen. „Ja, das war ja auch ein Herzensprojekt von mir.“
Am Feierabend des 30. September schloss sie zum letzten Mal die Ladentüre. Die Regale waren leer gekauft, dann wurden die Regale verkauft – das Geschäft in der Nußdorfer Straße in Überlingen steht jetzt wieder leer.
Weiterverkauf in anderen Geschäften
Wenn es im Titel heißt, dass Heidi Pohl „einpackt“, so ist das nur im übertragenen Sinne gemeint. Es gibt in Wahrheit nämlich nicht viel, was Heidi Pohl einpacken könnte. Und damit erfüllt sie auch am letzten Tag, an dem sie ihr Geschäft betreibt, die Idee vom Unverpackten. Die übrig gebliebenen Wasch- und Putzmittel gehen in Kanistern zurück an den Hersteller, und was an Lebensmitteln nicht verkauft werden konnte, so Heidi Pohl, werde zurück in die Papiersäcke gefüllt, in denen sie meist in 25-Kilo-Gebinden angeliefert wurden, um sie in anderen Unverpacktläden auszulegen.
1800 Produkte für den täglichen Bedarf
Ihr Geschäft firmierte unter dem Namen „Kaufe loses“. Im Angebot führte sie rund 1800 Produkte. Das Geschäftsmodell lautete: Vollsortimenter. Bis auf Fleisch habe sie alle Dinge des täglichen Bedarfs verkauft. Von Milchprodukten über Reis und Nudeln bis zu Nüssen, Gummibärchen, Salz und Mehl, Shampoo, Seife, Bodenwischmittel, Zahnpasta in Tablettenform. Ja, sogar Sahnesteif gab es lose zu erwerben.
„Man kann alles richtig machen im Leben – und trotzdem scheitern.“Heidi Pohl
Nur: Die Überlinger machten dabei nicht mit. Schon, aber nicht genügend. Letztlich, bilanziert Heidi Pohl, habe sie nur die Hälfte der angestrebten Kundenzahl erreicht. Der Verband der Unverpacktläden, eine Art Berufsverband, habe sie vor der Eröffnung darauf hingewiesen, dass die Einwohnerzahl von Überlingen mit seinen nicht ganz 23.000 Einwohnern ein zu kleines Einzugsgebiet sei. Es müssten mindestens 38.500 Einwohner sein, damit sich so ein Geschäft rentiert.

Trotz alle Bedenken glaubte sie an ihre Chance
Heidi Pohl schätzte den Marktplatz Überlingen anders ein. Zuversichtlich stimmte sie vor der Eröffnung die hohe Zahl an vorhandenen Bioläden, aus denen sie schloss, dass im Raum Überlingen bewusster konsumiert wird als anderswo. Die Kaufkraft sei höher als anderorts, also auch das ein Punkt, der ihr Mut machte. Den Standort mit ausreichend Parkplätzen hielt sie für ideal. Und das Angebot vom Unverpackt-Vollsortimenter gab es bisher in Überlingen nicht. Dazu eröffnete sie ein Bistro und feilte am Plan, mit anderen Akteuren der Biobranche Kooperationen zu gründen. Für Pohl war dies ein stimmiges Konzept, mit dem sie vor anderthalb Jahren an den Start ging, und aus dem sie sich jetzt wieder zurückzieht.

Aus wirtschaftlicher Sicht sei das Projekt gescheitert. Aus menschlicher Sicht nicht. Sie und ihr Team hätten 18 gute Monate erlebt, in denen sie selbst viel lernten, aber auch Menschen auf ihrem Weg zu einem müllfreieren Leben unterstützen konnten.
„Wir sind nicht pleite“, betont sie. Sie beende das Projekt aus unternehmerischer Verantwortung heraus, bevor sie Anderen Geld schuldig bliebe. „Ich bin dankbar für eine gute Zeit, die wir hier hatten. Ich bin froh, dass ich den Mut aufgebracht habe, es zu tun.“

Zu ihren Kunden zählte sie die alte alleinstehende Dame, die endlich nicht mehr so viel an überschüssigen Lebensmitteln wegwerfen musste, sondern sich in großer Vielfalt – aber eingekauft in Kleinstmengen – eindecken konnte. Oder die Familie, die das Ziel ausgab, endlich den gelben Sack nicht mehr so prall zu füllen.
Zur Kundschaft zählte auch Günter Neubert. Sie seien gerne gekommen, hätten Gewohnheiten umgestellt. Ihrem angestammten Bioladen seien sie in den vergangenen 18 Monaten treu geblieben, hätten aber einen Loyalitätskonflikt erlebt. Doch dank des Unverpacktladens hätten sich neue Möglichkeiten zur konsequenteren Müllvermeidung aufgetan. „Sehr schade, dass das nun wieder wegfällt.“ Neubert stellt die rhetorische Frage: „Die Zeit ist reif für einen Unverpacktladen – aber sind es auch die Leute?“