Als Heidi Pohl anfing, über die Eröffnung ihres Unverpackt-Ladens nachzudenken, hatte sie sich das noch ganz anders vorgestellt. Ein großes Fest mit vielen Gästen sollte es werden: Eine Hüpfburg für die Kinder, gemütliche Sitzecken im Hof, Luftballons, Musik. Doch dann kam Corona und mit dem heimtückischen Virus eine Zeit des Improvisierens und der Unsicherheit.

Gründerin, Mutter, Lehrerin
„Wir waren mitten in den Vorbereitungen, als uns die Corona-Krise traf“, so Pohl. Im Januar hatte sie endlich die Räume für ihren Unverpackt-Laden gefunden. Doch kaum ging es mit den Arbeiten los, begann ein steiniger Weg.
Denn: Durch Corona blieben die Schulen erst einmal geschlossen. Für Pohl, Mutter von zwei Kindern, hieß dies, nicht nur unter erschwerten Bedingungen einen Laden auf die Beine zu stellen, sondern sie wird gleichzeitig für ihre Kinder zur Lehrerin. „Das hat vieles erschwert“, sagt sie. Hinzu kam, dass nicht nur die Schulen geschlossen blieben, sondern auch viele Läden. „Wir haben einige Produkte im Lager, die wir nicht präsentieren können, weil ich keine Gefäße kaufen kann“, so Pohl. Natürlich könnte sie diese auch im Internet bestellen, das will sie aber nicht.

Improvisation gefragt
Bei anderen Dingen hätte Pohl improvisieren müssen. Weil es beispielsweise für das Kassensystem momentan keine Schulungen gibt, hätte sie sich das selbst beibringen müssen. Noch bis in die Nacht vor der Eröffnung hätten sie und ihr Mann Vorbereitungen getroffen. Trotz der Strapazen ist der Unverpackt-Laden im ehemaligen Milchwerk in der alten Nußdorfer Straße inzwischen seit dem 2. Mai geöffnet. Bis zuletzt war aber nicht klar, ob das auch klappt. „Normalerweise hätte ich vor der Eröffnung vermehrt Werbung gemacht, aber ich wollte nicht, dass die Leute enttäuscht sind, wenn ich den Laden doch nicht wie geplant öffnen kann“, sagt Pohl.
Ein weiterer Grund für ihre Zurückhaltung: Sie wollte vermeiden, dass es zu viele Kunden kommen. Was unter normalen Umständen bei einer Ladeneröffnung gewünscht ist, ist derzeit undenkbar. Denn, aufgrund der Corona-Verordnung darf Pohl nur fünf Kunden gleichzeitig in den Laden lassen. Dennoch haben sich am Eröffnungstag viele Interessierte dorthin gewagt.
Eine Eröffnung unter anderen Bedingungen
Statt einer Hüpfburg und gemütlichen Sitzecken gab es Kontrollschilder und Mundschutz. „Die Eröffnung war ein Abenteuer“, sagt Pohl. Dennoch ist sie unter den gegebenen Umständen zufrieden. „Ich hatte das Gefühl, die Leute freuen sich, dass es den Laden gibt und wollen auch, dass es so bleibt“, findet Pohl. Manche hätten sogar kleine Geschenke mitgebracht, um ihre Dankbarkeit auszudrücken.

Pohl ist es wichtig zu betonen: „Ich habe den Unverpackt-Laden nicht nur für mich auf die Beine gestellt, sondern für alle, die bewusst einkaufen wollen.“ Neben Lebensmitteln, wie verschiedenem Getreide, Nudeln, Gewürze und Gemüse, bietet Pohl in ihrem Laden auch Hygieneprodukte und Haushaltsmittel an. „Viele Kunden sind überrascht von der Vielfalt an Produkten, die ich anbiete“, sagt Pohl.
Strikte Regeln für den Ladenbesuch
Doch in ihrem Laden gelten derzeit strenge Regeln. „Wer ohne Maske rein will, den schicke ich gleich wieder raus“, sagt sie. Auch das Händewaschen und Desinfizieren sei obligatorisch.

Woraus die Idee entstand
Die Idee für den Unverpackt-Laden sei aus der Not entstanden, erzählt Pohl. Als sie vor drei Jahren wieder in ihre alte Heimat, nach Überlingen, gezogen sei, sei ihr aufgefallen, wie viel Müll in ihrer Nachbarschaft produziert würde. Pohl sagt: „Ich war geschockt.“ Daraufhin habe sie angefangen, sich über Nachhaltigkeit zu informieren und kaufte nur noch in Hofläden und Unverpackt-Läden ein. Das sei aber sehr aufwendig gewesen. „Beim einen Hofladen bekam ich Milch, beim anderen das Gemüse. Für einen Unverpackt-Laden musste ich weite Wege in Kauf nehmen“, erinnert sie sich.
Daraufhin habe sie versucht, auf Inhaber von Hofläden einzuwirken, Unverpacktes anzubieten. Diese hätten jedoch den Markt dafür nicht gesehen. Pohl blieb erfolglos. Folglich sei der Wunsch in ihr immer größer geworden, selbst zu erschaffen, was ihr bis dato fehlte. Heute steht sie an fünf Tagen die Woche in ihrem eigenen Laden und zeigt Kunden, wie man auch ohne Verpackung einkaufen kann. Und hat damit bisher Erfolg: „Es kommen mit jedem Tag mehr Leute zu mir in den Laden“, freut sie sich. Die große Feier, die bei der Eröffnung des Ladens fehlte, will sie in jedem Fall noch nachholen.