Das ist die Gelegenheit, um mit Jan Zeitler ins Gespräch zu kommen. Im Rahmen seiner Wahlkampftour kommt der Oberbürgermeister in die Teilorte von Überlingen, wo er für seine Wiederwahl wirbt. An diesem Abend ist Deisendorf an der Reihe. Diese Chance gilt es zu nutzen. Man begegnet einem OB, der zugleich auf Stimmenfang ist, nicht alle Tage so hautnah. So finden sich im kleinen alten Dorfgemeinschaftshaus nicht nur Bürger aus Deisendorf ein, sondern auch eine Bürgerinitiative aus der Stadt und Mitglieder des Musikvereins aus Lippertsreute sind zugegen. Und die Deisendorfer? Sie müssen sich wehren, um selbst zu Wort zu kommen.
Nach einem Eingangsreferat, in dem Zeitler betont, dass in seiner Amtszeit die Pro-Kopf-Verschuldung auf rund 300 Euro gesunken sei und die Stadt deshalb Luft für anstehende Großprojekte habe, kommt der „Löwen“ zur Sprache. Die Deisendorfer wünschen sich seit Jahren den Bau eines neuen Dorfgemeinschaftshauses, idealerweise auf dem Löwenareal. Es handelt sich um ein anerkanntes Projekt, das bislang nur am passenden Grundstück scheitert. Die Stadt versucht, den „Löwen“ zu erwerben, im Tausch bietet sie dem Eigentümer eine Grünfläche bei Sankt Leonhard (Rauensteinstraße Ost) am Rande der Stadt.
Widerspruch von Bürgern aus der Stadt
„Landschaftspark Sankt Leonhard‘: Das ist das Stichwort für die Bürgerinitiative aus der Stadt, die nun wissen will, ob man nicht endlich damit aufhören könne, Wiesen zu bebauen, die als wertvolle Versickerungsflächen gegen die Hochwassergefahr dienen? Das Interesse der Deisendorfer am „Löwen“ wollten sie gar nicht absprechen, „aber finden wir nicht eine Lösung, die gut für alle ist?“, fragt Cornelia Wiethaler. Sie schlägt alternative Flächen vor, etwa auf dem ehemaligen Schlachthofgelände am Bahnhof.

Für Zeitler handelt es sich bei Rauenstein Ost um eine „legitime Innenverdichtung“. Die eine Straßenseite ist schon bebaut, nun widme man sich der anderen Straßenseite. Zeitler kündigt an, dass im November im Gemeinderat ein neuer B-Plan-Entwurf mit reduzierter Fläche vorgestellt werde. Er nehme wahr, so Zeitler später im kleinen Kreis, dass der Widerstand in Teilen der Bevölkerung gegen den jetzigen Plan groß sei.
Widerspruch von Bürgern aus Lippertsreute
Widerstand schlägt dem OB auch aus Lippertsreute entgegen, Heimat des über die Dorfgrenze hinaus aktiven Musikvereins Harmonie. Der Musikverein musste sein Probelokal vor gut drei Jahren abgeben, weil sich für die Grundschule wachsender Bedarf entwickelte. Ein Nebeneinander von Schule und Verein ist offenbar nicht möglich. „Wir wurden ohne Perspektive auf die Straße gesetzt“, sagt der frühere Vorsitzende Ronny Knepple aufgebracht. In der Turnhalle würden sie als „Störfaktor“ wahrgenommen.
Die Turnhalle wird nun auch noch saniert, weshalb ihr Weihnachtskonzert in Frickingen stattfindet. In den umliegenden Gemeinden nehme man „mehr Anteil“ an ihrem Vereinsgeschehen als in Überlingen. Sein Musikerkollege Ernst Hahn hält dem OB vor, er lasse sich in den Ortsteilen zu wenig blicken. Der Musikverein ist aufgefordert, Entwürfe für einen Neubau eines Probelokals zu erstellen. Diese seien im Rathaus ständig zurückgewiesen worden, so Knepple polternd. Ihren ersten Entwurf für 1,1 Millionen Euro hätten sie mittlerweile um etwa 50 Prozent abgespeckt. Abzüglich erwarteter Zuschüsse und Eigenmitteln sehe er die Stadt in der Pflicht für die Übernahme eines Deltas von 15 Prozent. Und nun versucht Knepple den Abend in Deisendorf dafür zu nutzen, den OB auf ein Ja zur Annahme des jüngsten Entwurfs zu verpflichten.

Zeitler erwidert: „Jetzt haben Sie mordsmäßig auf den Oberbürgermeister eingedroschen.“ Er betont: „Es ist meine Aufgabe, alle Vereine gleich zu behandeln.“ Ein Anbau für 1,1 Millionen Euro „hätte einfach nicht funktioniert“. Bis zur jetzigen Variante hätten eben viele Gespräche und Schritte unternommen werden müssen, nun befinde man sich in der finalen Phase, was man ihm ja nicht vorwerfen könne. Er signalisiert Zustimmung, verweist aber darauf, dass die Entscheidung nicht ihm, sondern dem Gemeinderat obliege. „Ich stelle mich nicht hin und verspreche Dinge, die ich nicht halten kann.“ An Ernst Hahn gerichtet, verweist Zeitler darauf, dass auch ein OB mit seinen Kräften haushalten müsse. „Ich mache das, was geht.“ Zudem habe er mit den Ortsvorstehern würdige Vertreter vor Ort.
Und welche Anliegen haben die Deisendorfer?
Als eine Grundsatzdebatte über kommunale Baupolitik anhebt, wird am Tisch gegrummelt, ob die Überlinger den Abend in Deisendorf gekapert hätten. Irgendwann wird dazwischengerufen, dass man gern über Themen sprechen wolle, die Deisendorf unmittelbar betreffen. Die Themenlage ändert sich.

Wichtiges Thema für Deisendorf sind Radwege in Richtung Überlingen sowie Salem. Diese sind entweder nicht vorhanden oder in schlechtem Zustand. In der Stadt gebe es Verbesserungen für Radler, lobt ein Bürger und will wissen, welche Lösungen Zeitler für die Deisendorfer sieht. Der OB verweist darauf, dass es sich teils um Strecken handle, die in die Zuständigkeit des Landes fielen. „Da haben wir keine Aktien drin.“ Entlang der Lippertsreuter Straße soll saniert werden, das Stück zwischen Aral-Tankstelle und Abig-Kreisel. Die Kosten lägen bei 4,5 Millionen Euro, aufgeteilt auf Stadt und Kreis. „Ich dachte, dass das günstiger geht. Das ist mir zu viel Geld, bei aller Notwendigkeit.“ Deshalb habe er dem Tiefbauamt die Aufgabe erteilt, eine günstigere Variante zu erarbeiten.
Bekenntnis zu den Ortschaftsverwaltungen
Die frühere Ortsvorsteherin Isolde Idda will von Zeitler wissen, wie er zu der Überlegung stehe, die Ortschaftsverwaltungen abzuschaffen. „Warum sollten wir es tun?“, fragt Zeitler zurück und legt ein Bekenntnis zum Erhalt ab. „Wie sollte es auch anders funktionieren?“
Tief in die örtliche Materie geht es beim Bedarf nach Brettern für ein Bücherregal: Die Dorfgemeinschaft würde gern eine von der Gartenschau übrig gebliebene Holzkiste, die beim „Löwen“ steht, zu einem Bücherregal ausbauen. Ortsvorsteherin Karin Müller, an den Rathauschef gewandt: „Wir kämpfen seit einem dreiviertel Jahr dafür, dass wir die Bretter bekommen.“ Ihrem Vorschlag für ein kleineres Budget, über das der Ortschaftsrat eigenverantwortlich verfügen kann, um sich auch Themen wie der Glocke in der Kapelle widmen zu können, ist Zeitler nicht abgeneigt.
Kritik an angeblich ungepflegt wirkenden öffentlichen Grünflächen pariert Zeitler mit dem Angebot, Minijobber einzustellen. „Wenn Sie in Deisendorf jemanden kennen, der das machen möchte?“ Abschließend geht es um die Sorge vor einer Überflutung bei Starkregen und angedachte Sofortmaßnahmen. Die Ortsvorsteherin verweist auf ein grundsätzliches Problem bachaufwärts, das mit neuen Versiegelungsflächen erst entstanden sei. Karin Müller: „Wenn im Gewerbegebiet in Owingen ein Gewitter runtergeht, haben wir hier Hochwasser.“ Das wäre dann natürlich wieder die perfekte Überleitung für die Bürgerinitiative aus der Stadt, ihre Wiese als wertvolle Versickerungsfläche ins Gespräch zu bringen – aber da ist die Stunde mit Zeitler schon längst zerflossen.