Das Thema treibt die Stadt seit Jahren um. In Überlingen-Deisendorf wartet die Bevölkerung darauf, dass aus dem ehemaligen Gasthof „Löwen“ ein Dorfgemeinschaftshaus wird. Unterdessen herrscht bei Anwohnern in der Überlinger Rauensteinstraße die Sorge, dass eine grüne Wiese in Luxuslage bebaut werden könnte: Sie hegten die Hoffnung, dass sich die Sache mit dem Konkurs der Schweizer Investorenfirma BG Group zerschlagen könnte. Doch da irren sie sich. Wie hängen alle diese Dinge miteinander zusammen? Wir versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen.
Wie steht es um die BG Group?
Die im Schweizerischen Cham ansässige BG Business Group ist pleite, ihr Konkurs rechtskräftig. Ihr Schuldenruf wurde drei Tage vor Weihnachten publiziert, wie aus einem Brief des Konkursamtes in Zug hervorgeht, der unserer Redaktion vorliegt. Demnach wurden im summarischen Konkursverfahren bislang rund 500 Forderungen gegen die insolvente Firma gestellt. Es geht um zig Millionen Euro, die in nicht realisierte Wohnprojekte investiert wurden. Am 7. Februar stellte das Konkursamt überraschend beim Kantonalgericht den Antrag, das Konkursverfahren mangels Masse einzustellen. Zur Begründung wird unter anderem darauf verwiesen, dass die potenziell verwertbaren Grundstücke nicht in der Schweiz, sondern allesamt in Deutschland liegen.
Wo überall war die BG Group aktiv?
Laut einer von der BG Group im November erstellten sogenannten Objektübersicht war sie zuletzt mit 44 Wohnprojekten beschäftigt, alle in Baden-Württemberg. Darunter das Projekt in der Bergseestraße in Bad Säckingen, ein Wohnprojekt in der Klufterner Straße in Friedrichshafen, Projekte in Vöhrenbach (Friedrichstraße) und Öhningen (Kirchplatz und Im Bohl), sowie in Herdwangen-Schönach (Dorfstraße). Das vor Jahren von der BG Group gekaufte „Löwen“-Areal in Überlingen-Deisendorf ist in dieser Liste nicht enthalten und damit nicht Teil der Konkursmasse.
Wie weit waren die Projekte fortgeschritten?
Nicht weit. Teils wurden Bauzäune aufgestellt oder Baugruben ausgehoben. Doch laut Konkursamt kam die BG Group in vielen der 44 Objekte ihren Vertragspflichten nicht nach. Statt der versprochenen Immobilien, für die Anzahlungen geleistet wurden, klafft vielfach nur eine Baugrube.
Welchen Wert haben die 44 Objekte?
Laut der sogenannten Objektübersicht, beziehungsweise Eigenbewertung durch die BG Group könnten für die 44 Objekte im besten Fall etwa 67 Millionen Euro erzielt werden. Das Konkursamt bezweifelt diese Höhe, das sei „überbewertet“. Teils wurden die Geschäfte nach deutschem Recht rückabgewickelt.
Wer hat Interesse am „Löwen“-Areal?
Im Herbst 2018 wurde der ‚Löwen‘ in Überlingen-Deisendorf geschlossen. Der Gasthof war Treffpunkt für Vereine aus dem Dorf. Von der Öffentlichkeit besteht das Interesse, auf dem Areal ein Dorfgemeinschaftshaus zu bauen. Allerdings versäumte es die Stadt 2018, den „Löwen“ zu kaufen, als der letzte Gastwirt ihn zum Kauf anbot. Der Kauf durch die BG Group wurde 2019 öffentlich bekannt, weil sich der Gemeinderat mit überzogenen Bauanträgen der BG Group beschäftigte. 2020 bekundete die Stadt ihr Interesse am „Löwen“ und bot der BG Group ein Grundstück in Überlingen-Bambergen zum Tausch an, woraufhin in Bambergen lautstark protestiert wurde.
Wie kommt nun Rauenstein Ost ins Spiel?
Nach dem Protest in Bambergen bot die Stadt der BG Group stillschweigend ein viel edleres Grundstück im Gebiet Rauenstein-Ost zum Tausch an. Das Grundstück könnte mittlerweile baureif sein, denn der Bebauungsplan sollte im beschleunigten Verfahren nach Paragraf 13b auf den Weg gebracht werden. Allerdings kippte das Bundesverwaltungsgericht 2023 diesen Paragrafen, weshalb der Plan der Stadt scheiterte.
Wie ist der Plan aktuell für Rauenstein?
Derzeit stimmt sich die Abteilung Stadtplanung und Klimaschutz über die Größe des Plangebietes ab. Wie das Rathaus am 21. Februar auf Anfrage mitteilte, könne sich das bisher mit 1,8 Hektar geplante Gebiet „geringfügig verkleinern“, und zwar wegen eines anderen Bebauungsplanverfahrens und der damit verbundenen eventuellen Kompensation von Wohnbauflächen im Flächennutzungsplan. Unabhängig davon werde der Artenschutzbericht für das Plangebiet „Rauenstein Ost“ erarbeitet. Die interne Zeitschiene sehe vor, dass der Satzungsbeschluss im vierten Quartal 2025 gefasst werden kann, sofern keine erneuten Offenlagen notwendig werden.
Wem gehören „Löwen“ und Rauenstein Ost heute?
Das Tauschgeschäft wurde vollzogen, aber nicht mit der BG Group, sondern mit der Schweizer Firma Interagenda AG, die im Eigentum von Georg Dürr steht. Die BG Group ist längst raus aus dem Geschäft. Der beurkundete Tauschvertrag ist laut Stadtverwaltung „schuldrechtlich wirksam, aber schwebend“. Falls Rauenstein Ost für Dürr nicht bebaubar würde, behielte er das „Löwen“-Areal für sich und würde stattdessen versuchen, diese Fläche zu Geld zu machen. Abgesehen vom jetzt ohnehin langen Zeithorizont Ende 2025 würde das den Traum vom Dorfgemeinschaftshaus weiterhin gefährden.

Wer ist Georg Dürr und seine Interagenda AG?
Die 1972 gegründete Interagenda von Georg Dürr, eine Finanz- und Verwaltungs-Gesellschaft, hat ihren Sitz im Schweizerischen Lupsingen. Wie Georg Dürr im Mai 2023 dem SÜDKURIER sagte, habe nicht seine Interagenda AG das ‚Löwen‘-Areal in das Dreiecksgeschäft mit der Stadt eingebracht, sondern die BG Group, die damals noch Eigentümerin des „Löwen“-Areals gewesen sei. Allerdings verfügte die Interagenda AG über ein Grundpfand, das auf dem „Löwen“-Areal lastet. Es diente ihm als Sicherheit für ein Darlehen, das er der BG Group gewährt hatte, und das er nun für sich beansprucht. Am 19. Februar sagte Dürr, dass nur er Ansprüche auf den „Löwen“ habe. „Es ist der Konkursmasse längst entzogen.“