Wer sich für ein Baugrundstück in bester Überlinger Lage interessiert, dem dürfte der Bebauungsplan „Rauensteinstraße Ost“ ein Begriff sein. Es handelt sich um die Fläche einer ehemaligen Kleingartenanlage, 11 000 Quadratmeter groß, stadtnah und doch im Grünen. Sie liegt im Landschaftspark St. Leonhard und soll Platz bieten für den Geschosswohnungsbau. Der Gemeinderat fasste den Aufstellungsbeschluss im März 2021.
Angebot für einen einzigen Investor
Soweit der öffentlich bekannte Teil. Was die offiziellen Stellen bisher nicht mitgeteilt haben, was aber nach und nach durchsickerte, das ist der Umstand, dass die Stadt ein Drittel der Fläche bereits einem einzigen Investor zum Tausch angeboten hat. Es handelt sich dabei um die BG Business Group AG aus dem Schweizerischen Cham. Ralf Pavaletz, Leiter der Abteilung Projektentwicklung, bestätigte gegenüber dem SÜDKURIER, dass vonseiten des Unternehmens Interesse an dem Geschäft bestehe.
Es handelt sich demnach um ein Tauschgeschäft. Die Stadt bietet der BG-Group eine Teilfläche des neuen Baugebiets an der Rauensteinstraße an, unter der Voraussetzung, dass die Stadt im Gegenzug von der BG-Group das „Löwen“-Areal bekommt.
Die Vorgeschichte mit dem „Löwen“
Das Gasthaus Löwen in Überlingen-Deisendorf wurde im Herbst 2018 geschlossen, die BG-Group kaufte es, stieß aber mit ihren Bauanträgen im Gemeinderat auf Widerstand: Zu massiv sei das Vorhaben. Parallel wuchs in Deisendorf die Forderung, die Stadt solle das Grundstück kaufen und für den Bau eines neuen Dorfgemeinschaftshauses nutzen.
Oberbürgermeister Jan Zeitler bestätigte im Sommer 2021 in einem Interview: „Ja, wir hätten ganz gerne den ‚Löwen‘ in Deisendorf für eigene Zwecke erworben.“ Die BG-Group habe das Areal „ohne unser Wissen“ gekauft, so Zeitler: „Wir wurden nicht gefragt, wir konnten nicht mitbieten. Wir hatten kein Vorkaufsrecht.“
Um dennoch an das „Löwen“-Areal zu kommen, schlug die Stadt der BG-Group zunächst ein Tauschgeschäft mit einem Grundstück in Überlingen-Bambergen vor. „Das wurde dort nicht gewünscht“, sagte Zeitler – womit er den massiven Widerstand von Bürgerschaft und Ortschaftsrat Bambergen beschreibt. „Und jetzt“, sagte Zeitler im Sommer 2021, „sind wir weiterhin auf der Suche“.
Tausch war schon 2020 Thema im Gemeinderat
Bei der Suche nach einem anderen Grundstück, das der BG-Group zum Tausch angeboten werden könne, ist die Stadt im potenziellen Baugebiet „Rauensteinstraße Ost“ längst fündig geworden. Wie der SÜDKURIER erfahren hat, beschloss der Gemeinderat bereits im Dezember 2020, eine Teilfläche des neuen Baugebiets für diesen Zweck herzugeben. Von einer öffentlichen Bekanntmachung dieses Beschlusses ist bislang nichts bekannt.
In anderen Baugebieten auf städtischem Grund wurden die Grundstückspreise öffentlich im Gemeinderat diskutiert und beschlossen, so wie etwa für den Turmgartenweg, wo nach kontroverser Debatte ein Preis von bis zu 800 Euro festgesetzt wurde.
Im Falle von „Rauenstein Ost“ hat der Gemeinderat den Preis hinter verschlossenen Türen taxiert. Wie der SÜDKURIER aus sicherer Quelle erfuhr, liegt der Angebotspreis bei etwas mehr als 1000 Euro pro Quadratmeter. Bei einer Fläche von 3300 Quadratmetern, die die Stadt der BG-Group zum Kauf anbietet, würde das einen Gesamtpreis von rund 3,5 Millionen Euro ausmachen.
Stadt macht auf Anfrage keine Angaben
Rauensteinstraße vier Mal teurer
Die beiden Grundstücke haben am Markt unterschiedlich hohe Preise: Hier die top Lage an der Rauensteinstraße, stadtnah und doch im Grünen, in den oberen Geschossen wohl mit Seeblick. Für diese Fläche möchte die Stadt von der BG-Group etwas mehr als 1000 Euro pro Quadratmeter erlösen. Und dort das „Löwen“-Areal in zentraler Dorflage, von zwei Seiten mit einer Straße umgeben, für die die Stadt an die BG-Group nach ihren Vorstellungen etwa 230 Euro bezahlen würde.
„Wir haben grundsätzliches Interesse am Tauschgeschäft.“Ralf Pavaletz, BG-Group
Das „Löwen“-Areal umfasst etwa 3700 Quadratmeter. Die Stadt böte demnach rund 850 000 Euro für dieses Gelände in Deisendorf. Für die 3300 Quadratmeter an der Rauensteinstraße hätte sie gerne die Summe von 3,5 Millionen Euro. Das macht unter dem Strich einen Differenzbetrag von etwa 2,4 Millionen Euro, den die BG-Group noch an die Stadt zahlen müsste.
Ob sich der Schweizer Investor darauf einlässt, ist nicht bekannt. Ralf Pavaletz sagte dem SÜDKURIER: „Wir haben grundsätzliches Interesse am Tauschgeschäft.“ Die genauen Konditionen müssten noch definiert werden.