Überlingen muss für radfahrende Kinder und Jugendliche sicherer werden – dafür machten sich am Samstag rund 40 Teilnehmer bei der Fahrraddemo „Kidical Mass – Kinder aufs Rad“ stark. Prisca Resch hatte die Fahrraddemo organisiert, die parallel bundesweit in vielen Städten und Gemeinden startete. Prisca Resch, Ehefrau von Jürgen Resch vom Verein Deutsche Umwelthilfe, setzt sich in Überlingen für eine fahrradfreundliche Stadt ein, in der gerade auch die Kinder sicher ans Ziel kommen sollen. Die zweifache Mutter wohnt in einem Teilort der Stadt und engagiert sich seit einem Jahr im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC).

Corinna Augustin, hier mit Tochter Paulina und Sohn Benedikt, nahm an der Kidical Mass teil, weil sie der Meinung ist, Überlingen sei ...
Corinna Augustin, hier mit Tochter Paulina und Sohn Benedikt, nahm an der Kidical Mass teil, weil sie der Meinung ist, Überlingen sei eine sehr unsichere Stadt für Kinder auf dem Rad. | Bild: Stef Manzini

Mit rund 40 Teilnehmern zog die Fahrraddemo durch die Überlinger Altstadt. Eine der Teilnehmerinnen war Corinna Augustin aus Überlingen. Die Mutter zweier Kinder erklärt, sie würde ihre siebenjährige Tochter Pauline nicht allein durch die Stadt fahren lassen. „Überlingen ist für Radfahrer und besonders für die Kinder eine sehr unsichere Stadt. Ich sehe im Rathaus wenig Verständnis dafür und würde mir offene Ohren wünschen, damit sich daran endlich etwas ändert.“

Das könnte Sie auch interessieren

OB sieht Stadt auf gutem Weg beim Radverkehr

Immer wieder, zuletzt im Sommerinterview des SÜDKURIER, betonte Oberbürgermeister Jan Zeitler, die Stadt sei auf einem guten Weg, was den Radverkehr betreffe, gerade in Sachen Entwicklung der Radwege. Seine Aussagen stehen jedoch im Gegensatz zum vorletzten Platz, den die Stadt Überlingen im ADFC-Fahrrad-Klimatest auch 2020 wieder belegte. Im Bodenseekreis landete Überlingen abgeschlagen mit der Note 4,5 auf dem letzten Platz der Städte vergleichbarer Größenordnung.

ADFC sieht sich repräsentativ für Meinung der Fahrradfahrer

Prisca Resch ärgert sich: Der Oberbürgermeister spreche immer wieder von einer kleinen Gruppe von ADFC-Mitgliedern, die alles bemängelten, jedoch nicht repräsentativ seien. „Das zeigt auch seine Hilflosigkeit. Der ADFC ist eben die Organisation, in der man sich engagieren kann. Gäbe es keine Probleme, müsste man das auch nicht“, argumentiert Resch. Der ADFC hat im Bodenseekreis 900 Mitglieder. Jan Zeitler hatte im Sommerinterview des SÜDKURIER geäußert, dass der ADFC mit Kompromissen, die es in einer historischen Altstadt nun einmal geben müsse, nicht so zufrieden sei, wie es die Überlinger Bürger jedoch sein müssten.

Bernhard Glatthaar aus Friedrichshafen, Kreisvorsitzender des ADFC: „Es gibt seit sechs Jahren ein Radwege-Konzept für Überlingen, ...
Bernhard Glatthaar aus Friedrichshafen, Kreisvorsitzender des ADFC: „Es gibt seit sechs Jahren ein Radwege-Konzept für Überlingen, das immer noch nicht umgesetzt wurde.“ | Bild: Stef Manzini

Glatthaar: Arbeitskreis Rad ist immer noch nicht eingesetzt

Seit 2015 liegt eine von Überlingen beauftragte Studie zum Radwegekonzept vor. Der Kreisvorsitzende des ADFC, Bernhard Glatthaar, sagt dazu: „Das Radverkehrskonzept wird immer noch nicht umgesetzt. Der Arbeitskreis Rad (AK Rad) wäre zwischen Verwaltung und Fahrradclub dafür die richtige Plattform.“ Glatthaar und Resch sind sich einig, dass die Interessen der Fahrradfahrer in der Überlinger Verwaltung kein besonderes Gewicht haben. „Sonst wäre der AK Rad, vergangenes Jahr wegen Corona verschoben, doch nun schon lange eingesetzt“, findet Bernhard Glatthaar.

Das könnte Sie auch interessieren

Vor Kreisverkehren enden die Fahrradschutzstreifen abrupt

Kritische Stellen erkennt die radelnde Mutter Prisca Resch vor allem in den Überlinger Kreisverkehren, weil davor die Fahrradschutzstreifen abrupt enden. Ganz brisant sei es in der Wiestorstraße, dem Schulweg für viele Kinder: Dort solle der rote Markierungsstreifen doch wenigstens weitergeführt werden, sagt Resch. Eine Auswertung einer Studie aus dem Jahr 2019, die die Überlinger Verwaltung mit Schülern zum Thema Radweg zur Schule durchgeführt hatte, liegt noch nicht vor. Der SÜDKURIER hatte bei der Stadtverwaltung mehrfach nach dem Ergebnis dieser Studie nachgefragt.

Prisca Resch vom ADFC Überlingen organisierte die Fahrraddemo.
Prisca Resch vom ADFC Überlingen organisierte die Fahrraddemo. | Bild: Stef Manzini

Autofahrer ignorieren Sicherheitsabstand zu Radfahrern häufig

Als unsäglich beschreibt Prisca Resch die Zustände in der Lippertsreuter Straße. „Es ist doch so langsam egal, wem nun die Zuständigkeit zugeschoben wird: der Stadt oder wie in diesem Fall dem Kreis. Maßgeblich ist, dass da gar nichts passiert, und das ist eine Katastrophe.“ Fahrradwege und Schutzstreifen haben ihrer Meinung nach das große Manko, dass Autofahrer die Abstände zu den Radfahrern oft schlecht abschätzen könnten oder schlicht ignorierten. Dazu gab es bereits eine entsprechende ADFC-Aktion in Tettnang. „Wir bringen Sensoren an Rädern an, die das aufzeigen. So eine Kampagne wird es auch in Überlingen bald geben.“

Weitgehend autofreie Innenstadt soll bewahrt werden

Für radelnde Kinder und Jugendliche wäre es wichtig, umgehend das Tempo für andere Verkehrsteilnehmer in der gesamten Stadt zu reduzieren. „50 Stundenkilometer ist doch viel zu schnell, da haben Kinder keine Chance“, sagt Resch. Überhaupt wäre es wichtig, die aktuelle Lösung der weitgehend autofreien Innenstadt zu bewahren. Das steigere die Lebensqualität und die Regelung auf der Hafenstraße zeige, dass es gut funktioniere, wenn sich alle Verkehrsteilnehmer den Raum teilten. Der Oberbürgermeister meinte dazu im SÜDKURIER-Sommerinterview: „Es ist mein Ziel, die sehr gelungene Erneuerung der Hafenstraße in weitere Teile der Innenstadt auszudehnen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Radwege zwischen Teilorten und Kernstadt fehlen

Der Umstand fehlender Radwege zwischen Teilorten und Kernstadt und das schlechte Angebot des öffentlichen Nahverkehrs für Radfahrer bezeichnet Prisca Resch als unzeitgemäß in Zeiten des Klimawandels. Mit der Kidical-Mass-Demo wolle man vor allem Überlingens Gemeinderäte ansprechen und sensibilisieren sowie die Verwaltungsspitze der Stadt zum Handeln bewegen. „Wir wollen damit auch die Bürger aufrütteln, denn es gibt ja allen Versprechungen zum Trotz immer noch keinen Arbeitskreis Rad, der uns so lange schon versprochen wurde.“

Bettina Dreiseitl von der Fraktion LBU/Die Grünen nahm als einzige Vertreterin aus dem Gemeinderat an der Fahrraddemo teil. Sie wünscht ...
Bettina Dreiseitl von der Fraktion LBU/Die Grünen nahm als einzige Vertreterin aus dem Gemeinderat an der Fahrraddemo teil. Sie wünscht sich eine Willkommenskultur für Radfahrer in Überlingen. | Bild: Stef Manzini

Bettina Dreiseitl, Überlinger Gemeinderätin für LBU/Die Grünen, radelte am Samstag bei der Demo mit. Sie sagt: „Als Schulstadt brauchen wir mehr sichere Radwege und Anreize, dass schon die jungen Menschen Spaß am Fahrradfahren haben. Zur Verbesserung der Luft, der Gesundheit und der Belebung der Stadt. Ich wünsche mir eine Willkommenskultur für Radfahrerinnen und Radfahrer und eine gegenseitige Rücksichtnahme im Alltagsverkehr.“