Platz 400 von 415 bei Städten vergleichbarer Größe im Fahrradklima-Test 2020 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs: Damit hat sich die Stadt Überlingen gegenüber dem Test 2018 sogar leicht verschlechtert. Im Bodenseekreis landet sie mit einer Schulnote von 4,5 auf dem letzten Platz.

105 Bürgerinnen und Bürger hatten Ende 2020 an der bundesweiten Befragung teilgenommen: Drei Viertel der Befragten sagen, Radfahren bedeute in Überlingen Stress, und 89 Prozent finden, dass in jüngster Zeit kaum etwas für den Radverkehr getan wurde. „Unzufrieden sind die Überlinger Radfahrerinnen und Radfahrer insbesondere mit der fehlenden Förderung und Werbung fürs Radfahren und mit der mangelnden Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen“, heißt es als Resümee. „Lichtblicke gab es beim Fahrraddiebstahl und bei der Erreichbarkeit des Stadtzentrums. Positiv wurde außerdem bewertet, dass Alt und Jung in Überlingen Radfahren.“
Resch: Kein Sicherheitsgefühl auf Überlingens Straßen
Prisca Resch, ADFC-Ansprechpartnerin für Überlingen, sagt, dass es am Sicherheitsgefühl auf Überlinger Straßen fehle. Dabei lasse sich schon mit kleinen Maßnahmen die Situation verbessern, beispielsweise durch die Sperrung des Durchgangsverkehrs in der Innenstadt, weitere verkehrsberuhigte Zonen oder durch fahrradfreundliche Lösungen an Baustellen.
„Das reicht aber nicht“, findet Resch. „Wir brauchen ein durchgängiges Netz an guten Radwegen. Der Bund hat mit dem Sonderprogramm Stadt und Land dafür ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt.“ Gäbe man die Innenstadt nur für den Rad- und Fuß- sowie Anliegerverkehr frei, „würde das die Innenstadt beruhigen und ein entspanntes Einkaufen und Schlendern an der Promenade herbeiführen“, so Resch. Diese Verkehrsberuhigung könnte die Stadt auch nach der Landesgartenschau beibehalten.

„Der Umbau der Stadt ist unvermeidbar und die Situation für rigorose Maßnahmen im Moment günstig“, sagt Resch. „Die Stadt kann nicht warten, bis der Verkehrskollaps da ist, sie muss jetzt handeln.“
Kritik an Holmgitter bei Einfahrt in Hafenstraße
Der ADFC begrüßt zwar, dass der Radverkehr jetzt nicht mehr schiebend durch die Münsterstraße erfolgen muss, sondern die Hafenstraße für den Radverkehr in beide Richtungen geöffnet ist. Jedoch stelle das Holmgitter, das von Osten her am Mantelhafen „zur angeblichen Sicherheit“ aufgestellt wurde, ein extrem gefährliches Hindernis und einen Unfallschwerpunkt dar. Das Gitter in der Kurve sei viel zu eng, sodass die Gefahr bestehe, dass Radfahrer mit dem Gitter kollidieren. Der ADFC habe die Stadtverwaltung bereits mehrfach darum gebeten, dieses Gitter nicht aufzustellen. Auch den geplanten Fahrradschutzstreifen lehnt der ADFC ab, weil er überflüssig sei. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Stadt Überlingen dem Fahrradverkehr gefährliche Hindernisse in den Weg baut“, teilte der ADFC mit.

Erwiderung der Stadt
Wie die Stadt mitteilte, werde die Verkehrssituation für den Radverkehr in West-Ost-Richtung deutlich verbessert, da mittels der vorhandenen Mischfläche zwischen den Gebäuden der Hafenstraße für mehr Raum für den einzelnen Radfahrer geschaffen worden sei. Darüber hinaus werde noch eine Fahrradampel am Landungsplatz in Richtung Marktstraße installiert sowie in der Marktstraße ein Fahrradstreifen mit zusätzlicher Aufstellfläche vor der dortigen Ampel eingerichtet, wodurch die Radfahrer dort privilegiert auf „grün“ warten könnten.
Temporäres Fahrverbot in der Münsterstraße
Die bisherige Verkehrsregelung in der Münsterstraße, wonach die Radfahrer diese in der Zeit zwischen April und Oktober von 10 bis 18 Uhr nicht befahren dürfen, bleibt nach Mitteilung der Stadt „bis auf Weiteres“. Die Kontrollen in den Fußgängerzonen Münsterstraße und Seepromenade würden im Rahmen der personellen Ressourcen und in Absprache mit dem Polizeirevier Überlingen regelmäßig stattfinden.
Neue Radwege im Nordosten
Weitere Verbesserungen für den Radverkehr wurden laut der Stadtverwaltung entlang der Straßen „Zur Weiherhalde“ und „Rengoldshauser Straße“ getroffen. Dort seien Lückenschlüsse zu bereits bestehenden Geh- und Radwegen geschaffen worden, sodass etwa aus Richtung Burgberg über die B 31-neu bis zum Einkaufszentrum „La Piazza“ eine durchgehende Verbindung besteht. Im Zuge der Rengoldshauser Straße bestehe aus Richtung Nußdorf beziehungsweise ab der Einmündung Alte Nußdorfer Straße etwa zum Sportzentrum Altbirnau mit dem parallel verlaufenden Geh- und Radweg eine sichere Verbindung für den Radverkehr, da getrennt vom Kfz-Verkehr.
So viel investierte die Stadt in Radwege
Stadt: „Schwachstellen nach und nach angehen“
Bei Goldbach beziehungsweise Brünnensbach sind in Zusammenarbeit mit dem Landkreis verschiedene Planungsvarianten für neue Querungsmöglichkeiten für den Radverkehr angedacht, deren Machbarkeit noch geprüft wird, teilte die Stadt mit. „Die bekannten Schwachstellen für den Radverkehr werden in Zusammenarbeit mit der Landespolizei und dem jeweils zuständigen Straßenbaulastträger nach und nach angegangen“, heißt es.
Der Stadtverwaltung ist es eigenen Angaben zufolge ein wichtiges Ziel, den Radverkehr in Überlingen zu fördern und stetig die Möglichkeiten zum Radfahren zu verbessern. Den ADFC-Fahrradklima-Test werde man nicht nur aus-, sondern auch bewerten. Bemängelt wird, dass nur 105 Personen befragt wurden und die Umfrage eines Interessenverbandes vorliegt. Methodisch blieben einige Fragen offen, „insbesondere erkennen wir nicht die Aussagekraft einzelner Fragen hinsichtlich des städtischen Handlungsprogramms“.