Roland Biniossek, Mitglied im Gemeinderat von Überlingen, begibt sich auf Kollisionskurs zu seiner eigenen Gemeinderatsfraktion, der BÜB+. Biniossek bekennt sich dazu, der Partei „Die Basis“ beigetreten zu sein. Auf SÜDKURIER-Anfrage teilte er mit, dass er vor über einem Jahr aus der Linken, für die er früher im Gemeinderat und im Kreistag gesessen hatte, ausgetreten sei. Nun unterstütze er „Die Basis“.
Als Grund für seinen Austritt bei den Linken gibt er an, dass sie „den grundrechte-verletzenden und zunehmend autoritären Kurs von Frau Merkel“ mitgetragen habe. Linken-Politiker wie Lafontaine und Wagenknecht hätten sich „erst seit Kurzem maßnahmenkritisch“ geäußert, das sei aber zu spät und zu unentschlossen gekommen.

Die Partei „Die Basis“ habe er sich „monatelang von außen angeschaut“, so Biniossek. Er sei „ein Fan“ des Schweizer Modells, das eine Mischung von parlamentarischer- und Basisdemokratie sei und auf einem Konsensmodell aufbaue. Er erkenne in der jungen Partei „ein Gegenmodell zur immer autokratischer werdenden Politik hierzulande“. Biniossek: „Ich bin eingetreten und stelle meine politische wie organisatorische Erfahrung zur Verfügung.“
Fraktionskollegen gehen auf Distanz zu Biniossek
Mit ihm in der Fraktion BÜB+ im Überlinger Gemeinderat sitzen Dirk Diestel und Kristin Müller-Hausser. Müller-Hausser distanziert sich in aller Deutlichkeit: „Ich empfinde es als einen persönlichen gravierenden Vertrauensbruch im Hinblick auf unsere gemeinsame Arbeit im Gemeinderat.“ Die politischen Ziele und Ausläufer der „Basis“ vertrügen sich nicht mit der Satzung der BÜB+. „Und nicht mit meiner persönlichen, politischen und menschlichen Einstellung. Daher lehne ich es grundsätzlich ab.“

Die möglichen Konsequenzen müssten nach der Satzung BÜB+ beurteilt werden, sie verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf Paragraf 6 der Satzung, wonach ein Ausschluss zulässig sei, wenn eine Person den Zweck und das Programm der BÜB+ „gröblich gefährdet“ oder „durch sein Verhalten das Ansehen der BÜB+ schädigt“.
„Reden Sie doch mit uns und lesen Sie das Gründungsprogramm des Landesverbands der Basis, anstatt abgeleiertes Framing zu wiederholen und ggf. Vorurteile zu pflegen.“Roland Biniossek auf eine SÜDKURIER-Anfrage
Dirk Diestel antwortete auf SÜDKURIER-Anfrage, dass es jedem BÜB+ Mitglied möglich sei, sich in überregionalen Parteien zu engagieren. „Voraussetzung ist allerdings, dass diese Parteien inhaltlich auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und keine Positionen vertreten, die dem entgegenstehen.“ Eine mit den anderen Mitgliedern der BÜB+ abgestimmte Stellungnahme sei wegen der Urlaubszeit derzeit nicht möglich.

Diestel: „Mit der BÜB+ nicht vereinbar“
Das Parteiprogramm der jungen Partei „erscheint“ nach Diestels Ansicht auf den ersten Blick als „harmlos und demokratisch“. Mit Verweis auf diverse Medienberichte stellt er jedoch fest: „Da werden andere Themen genannt, die ich in keinster Weise mittragen will und kann – bis hin zu offen antisemitischen Mitgliedern, die nicht aus der Partei entfernt werden, oder auch eine deutliche Nähe einiger hochrangiger Mitglieder zur AfD.“ Diestel: „Somit ist für mich selbst eine einfache Mitgliedschaft in ‚Die Basis‘ mit einer Mitgliedschaft in der BÜB+ nicht vereinbar.“ Zunächst wolle er mit Roland Biniossek ein persönliches Gespräch führen, „um ihn auf notwendige Konsequenzen hinzuweisen“. Urlaubsbedingt gehe das aber erst Anfang September.
So berichten diverse Medien über „Die Basis“
Der Tagesspiegel aus Berlin veröffentlichte im Mai dieses Jahres einen Artikel unter der Überschrift „Partei für Energetiker, Aidsleugner und Holocaustverharmloser“ und stellte die Frage: „Wie viel Querdenken steckt in ‚Die Basis‘?“ Tagesspiegel-Autor Sebastian Leber kommentiert: „Was viele Mitglieder von ‚Die Basis‘ eint, ist der Hang, den Nationalsozialismus zu relativieren.“

Das Nachrichtenmagazin Spiegel schrieb im Juni, dass die Parteigründung im Umfeld von Querdenken stattgefunden habe, und weiter schreibt der Spiegel: „Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung seit April bundesweit, er sieht bei dieser den Versuch, den Staat zu delegitimieren und fürchtet eine ‚neue Form des Extremismus‘.“
Bhakdis Vergleich mit dem Dritten Reich
Prominentes Mitglied und Bundestagskandidat bei „Die Basis“ ist der Mikrobiologe und Corona-Verharmloser Sucharit Bhakdi. Er warf Israel in einem Interview im Frühjahr 2021 vor, einen Zwang zum Impfen auszuüben, und er äußerte sinngemäß, die aktuelle Situation in dem Land sei schlimmer als in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus. „Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie“, sagt er in Bezug auf Juden. „Aber sie haben das Böse jetzt gelernt und umgesetzt, und deswegen ist Israel jetzt living hell – die lebende Hölle.“ Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume bezeichnete die Aussagen Bhakdis als antisemitisch.
„Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt.“Sucharit Bhakdi in einem Video-Interview im Frühjahr 2021
Als die Tagesschau auf ihrer Internetplattform darüber berichtete und Bhakdi zitierte, warf „Die Basis“ der Tagesschau auf ihrer Facebookseite am 22. Juli vor, sie habe Bhakdi „denunziert und diskreditiert“, indem sie das Zitat aus dem Kontext gerissen habe. Auf Twitter schrieb die Partei: „Ein zweiminütiger Ausschnitt aus einem 90-Minuten-Interview. Ohne Kontext. Dafür mit einer absurden Unterstellung. Fertig ist das billige Framing. Wir als Partei weisen den Vorwurf des Antisemitismus mit aller Entschiedenheit zurück.“
Biniossek weist Nachfrage als Unterstellung zurück
Der SÜDKURIER stellte Roland Biniossek folgende Frage: „Wie rechtfertigen Sie die Unterstützung einer Gruppierung, die sich nicht glasklar von jedwedem Extremismus, Rassismus und Antisemitismus distanziert?“ Biniossek antwortete per Mail: „Ihre Frage, die nichts weiter als eine Unterstellung ist, weise ich zurück. Reden Sie doch mit uns und lesen Sie das Gründungsprogramm des Landesverbands der Basis, anstatt abgeleiertes Framing zu wiederholen und ggf. Vorurteile zu pflegen. Unsere Bundestagskandidatin Johanna Findeisen hat auch jüdische Wurzeln und ist mit einem Menschen aus Ghana liiert.“