Überlingen – Die mit Spannung erwarteten Hebesätze für die Grundsteuer stehen fest. Dass deren Festlegung einige Zeit in Anspruch genommen hat, liegt an der komplizierten Berechnung. Unter Berücksichtigung der vom Gutachterausschuss neu festgelegten Bodenrichtwerte haben die Finanzämter ihren Grundstückswertbescheid erlassen. Die Kommunen sind nun gehalten, ihren Hebesatz so festzulegen, dass über die gesamte Fläche gesehen das gleiche Grundsteueraufkommen entsteht wie bisher. Dies liegt in Überlingen zurzeit bei rund 5,8 Millionen Euro.
Um dieses Ziel wieder zu erreichen, hat das Finanzministerium den Gemeinden aufgrund seiner Vorberechnungen eine kleine Bandbreite zugestanden – für Überlingen lag diese zwischen 131 und 145. Der Gemeinderat beschloss für bebaute Wohngrundstücke (Grundsteuer B) einen Hebesatz von 144 Prozent. Unverändert bleiben die anderen Hebesätze: 350 Prozent für die Grundsteuer A (landwirtschaftliche Grundstücke) und 370 Prozent für die Gewerbesteuer. Ob mit der neuen Festsetzung das geforderte Ziel erreicht wird, prüft die Verwaltung im Verlauf des kommenden Jahres, erklärte Kämmerer Stefan Krause vor dem Beschluss.
Bislang legte die Gemeinde den Hebesatz als Bestandteil eines neu verabschiedeten Haushalts fest. Künftig werden die Steuersätze vom Etat getrennt in einer eigenen Satzung verankert. Diese hat zunächst sieben Jahre Gültigkeit und kann dann neu bestätigt oder geändert werden. Aufgrund der neuen Grundstückswerte und der vorgeschriebenen Aufkommensneutralität lassen sich die Hebesätze der Gemeinden nicht mehr leicht vergleichen. So senkt Friedrichshafen seinen Steuersatz von 340 auf 245 Prozent, Überlingen von 445 auf 144 Prozent. Was sich optisch vermeintlich gut darstellt, lässt noch keine Rückschlüsse auf die Belastung einzelner Grundstücke zu. Denn innerhalb der Kommunen führt es durch die neue Festsetzung der Richtwerte teilweise zu geringeren oder höheren Belastungen. Insbesondere für große Flächengrundstücke in teurer Wohnlage können die Steuerbescheide deutlich höher ausfallen als bisher.
Als neues Instrument haben Bund und Land die Option einer neuen Grundsteuer C geschaffen, um die Nutzung erschlossener und bebaubarer Grundstücke zu fördern. So sollen bestehende Baulücken genutzt werden, ehe neue Gebiete erschlossen werden müssen. Die Festsetzung einer hohen Grundsteuer C könnte die Nutzung eines Wohngrundstückes forcieren. Bisher haben erst drei Kommunen in Baden-Württemberg die Einführung einer Grundsteuer C beschlossen: Wendlingen, Merdingen und seit kurzer Zeit auch Tübingen. Dort hatte Oberbürgermeister Boris Palmer schon zuvor mit anderen Zwangsabgaben für brach liegende Baugrundstücke geliebäugelt. Vor dem Hintergrund der knappen, aber begehrten Wohnbauflächen könnte die Grundsteuer C auch für Überlingen interessant sein. Auch hier will Kämmerer Krause im Verlauf des nächsten Jahres eine Empfehlung abgeben.
Im Gemeinderat gab es keinen großen Diskussionsbedarf. Lediglich Thorsten Peters (AfD) hätte den Satz gerne noch um drei Punkte auf 147 Prozent angehoben, um die Mehreinnahmen von 120.000 Euro auf Härtefälle umzuverteilen. Das sei zwar „eine interessante Idee“, sagte Stadtrat Franz Dichgans. „Doch würde dies dem Landesrecht zuwider laufen und wäre daher rechtswidrig.“ Peters stellte dennoch einen Antrag, dem allerdings nur er selbst zustimmte. Der Gemeinderat billigte die neue Satzung einstimmig.
So wurden die neuen Hebesätze festgesetzt
- Die Vorgaben: Vorgabe für die Kämmerer der Kommunen war, dass die Neufestsetzung der Hebesätze unter Berücksichtigung der neuen Bodenrichtwerte aufkommensneutral sein muss. Soll heißen: Unter Zugrundelegung der neuen, in der Regel höheren Grundstückswerte sollen die Steuereinnahmen der Gemeinde summa summarum gleich bleiben. Mit dieser Maßgabe musste der geeignete Hebesatz ermittelt werden. Was allerdings auch heißt, dass die Eigentümer von hochwertigen Grundstücken mehr bezahlen als zuvor und Besitzer von weniger hoch bewerteten Bereichen weniger tief in die Tasche greifen müssen. Ziel ist es, auf diese Weise eine gerechtere Besteuerung zu erreichen.
- Die Berechnung: Errechnet wird die fällige Grundsteuer auf Basis des Grundsteuerwerts, den das Finanzamt aus der Größe eines Grundstücks und des neuen Bodenrichtwerts feststellt. Der Grundsteuerwert wird zunächst mit der vom Land festgesetzten Grundsteuermesszahl (in Baden-Württemberg 0,91 Promille) multipliziert. Auf den resultierenden Steuermessbetrag wird schließlich von der Kommune der beschlossene Hebesatz angewandt. Für ein 500 Quadratmeter großes Grundstück beträgt bei einem Bodenrichtwert von 500 Euro der Grundsteuerwert 250.000 Euro. Mit der Messzahl 0,91 Promille multipliziert ergibt sich ein Steuermessbetrag von 227,50 Euro. Bis dahin ist das Finanzamt zuständig. Die Anwendung des Hebesatzes von 144 Prozent durch die Kommune ergibt eine Steuerschuld von 327,60 Euro.