Herr Zeitler, ist für Sie ein Urlaub denkbar in diesem verrückten Jahr?

Es ist ein Urlaub denkbar, leider verkürzt, wir fahren für einige Tage in Überlingens Partnerstadt Bad Schandau, mein erster privater Besuch dort. Aber wenn man bedenkt, dass wir im Hinblick auf die Landesgartenschau eigentlich gar keinen Urlaub geplant hatten, bin ich schon dankbar für diese Tage.

Corona fordert jeden Tag neue und unkonventionelle Lösungen. Wie geht es Ihnen persönlich in und mit der Krise?

Seit Mitte März hatten wir eine Situation, mit der man so nicht rechnen konnte, auf die eigentlich keine Stadtverwaltung in Deutschland vorbereitet war. Wir mussten uns mit einer Pandemie auseinandersetzen, die für uns alle neu war. Das hat uns sehr belastet, das gebe ich ganz offen zu, weil viele Dinge, die bisher auf Stadtverwaltungen in dieser Form bisher nicht zukamen, plötzlich vehement eintraten.

Herr Zeitler, Sie sprechen von „wir“ und meinen damit Ihr Amt und die Stadt. Die Frage geht an Sie ganz persönlich – diese Krise trifft ja jeden ganz unterschiedlich.

Sagen wir mal so, man wird sich natürlich seiner Verantwortung immer wieder aufs Neue bewusst. Wenn ich sagen würde, es gäbe nicht auch mal eine schlaflose Nacht, dann wäre das gelogen. Die hat man in so einer Situation.

Die Stadt ist voller Gedränge an der Uferpromenade und an den freien Badeplätzen. In einer aktuellen Ansprache an die Überlinger empfehlen Sie, Urlaub zu Hause zu machen. Damit würde es noch voller werden und turbulenter zugehen in der Stadt. Wie beurteilen Sie jetzt die Gefahr, dass Überlingen zu einem Hotspot werden könnte?

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Wir nehmen diese Gefahr sehr ernst. Das zeigen auch unsere Reaktionen auf Ansammlungen, die in dieser Form von der Corona-Verordnung nicht zugelassen sind. Wir weisen auf Mindestabstände an der Promenade hin, wir haben Zutrittsbeschränkungen in unseren Strandbädern. Wir wissen, dass wir mit unseren Maßnahmen nicht vollumfänglich alles abdecken können, was wir uns wünschen würden und appellieren an die Vernunft aller. Aber das trifft jede Stadt, damit müssen wir umgehen und hoffen natürlich auf die Einsicht der Menschen.

Für wie vernünftig halten Sie die Menschen? Stehen wir kurz davor, dass die Promenade wieder abgesperrt wird?

Wir beleuchten die Situation jede Woche aufs Neue. Momentan funktioniert es und wir hoffen, dass es so bleibt.

Viele Ihrer Mitarbeiter mussten ins Homeoffice. Wäre das für die Zukunft ein denkbares Konzept?

Es wurden damit bisher gute Erfahrungen gemacht. Das Homeoffice ist aber sicher nicht für alle Funktionen und Tätigkeiten geeignet, denken wir nur an das Bürgerbüro, da wird immer eine Präsenz erforderlich sein.

Es ist dies das vierte Sommerinterview, das Hilser mit OB Zeitler führte. Nach Gesprächen im Ostbad, in der Therme und auf dem ...
Es ist dies das vierte Sommerinterview, das Hilser mit OB Zeitler führte. Nach Gesprächen im Ostbad, in der Therme und auf dem Rosenobelturm fand dieses Jahr nun das Sommerinterview im Garten des Städtischen Museums statt. Mit im Bild Janina Krall, bisher Pressesprecherin der Stadt (künftig bei der Stadt Sigmaringen angestellt). | Bild: Julian Widmann

Was bleibt auf der Strecke, wenn sich die Teams nicht regelmäßig treffen können?

Der informelle Austausch zwischendurch. Aber auch die kurzfristig einberufenen Zusammenkünfte und Besprechungen müssen entfallen.

Auf welche Konsequenzen müssen sich die Überlinger mittelfristig einstellen? Was richtet Corona in der Gesellschaft und auch in der Wirtschaft alles an, was wir uns heute vielleicht gar nicht vorstellen können?

Was mich sehr bedrückt, das sage ich ganz offen, ist der zukünftige Umgang mit Gemeinschaft in unserer Stadt. Sie kennen die erfolgreichen Veranstaltungen, die wir in unserer Stadt haben, dicht gedrängte Säle voll mit begeisterten Besuchern von Ausstellungen oder sonstige kulturelle Veranstaltungen. Das betrübt, weil es schon noch einige Zeit dauern wird, bis diese unbeschwerte Situation, die wir in der Vergangenheit hatten, wieder einkehren kann. Es ist ja nicht nur den aktuelle Virus, den wir jetzt bekämpfen. Man weiß nicht, wie sich weitere Viren entwickeln. Es wird also ein neues Bewusstsein geben hinsichtlich eines städtischen Zusammenlebens, wie man mit Nähe und menschlicher Zusammenkunft umgeht. Dies ist ein Eingriff in Abläufe eines städtischen Lebens, die über Jahrhunderte hinweg normal waren.

Und auf welche finanziellen Folgen müssen sich die Überlinger einstellen, mit Blick auf den Finanzhaushalt?

Aktueller Stand ist, dass uns zum Jahresende ca. 8,9 Millionen Euro an Einnahmen fehlen werden. Ich sage bewusst aktueller Stand, weil allein in diesen 8,9 Millionen Euro 4,5 Millionen Euro Einnahmen-Ausfälle aus entgangener Gewerbesteuer enthalten sind. Es gibt Verlautbarungen des Landes Baden-Württemberg, dass diese entfallenen Gewerbesteuer-Einnahmen ersetzt werden. Dann sieht die Situation natürlich anders aus, dann können wir neu bewerten.

Jede Krise birgt auch Chancen. Was wünschen Sie sich?

Wir müssen aus dieser Krise lernen, dass die Problemstellungen, die wir momentan sehr heiß diskutieren, vielleicht gar keine wirklichen Probleme sind. Wir müssen lernen, uns auf das wirklich Wichtige zu fokussieren, was in unserer Stadt zu tun ist.

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