Karin Müller will die Gemeinschaft erhalten. Sie selbst nennt sich einen familienfreundlichen Gutmenschen, der schaut, dass es jedem gutgeht. Das versucht sie als Ortsvorsteherin von Deisendorf ebenso umzusetzen wie im Privaten.
Im Dienste Deisendorfs
Seit 2009 steht die 57-Jährige im Dienste Deisendorfs. Zehn Jahre wirkte sie als Ortschaftsrätin. Als ihr Vorgänger Martin Strehl dann 2019 ging, „ist das Amt ein bisschen an mich rangekommen“, beschreibt sie. Als sie vom Ortschaftsrat auch noch die meisten Stimmen erhielt, folgte sie der Entscheidung und wurde Ortsvorsteherin.
Müllers Aufgabenfeld ist nicht nur umfangreich, sie erlebt dabei auch Kuriositäten. Etwa, dass das Ortsschild mit der gleichlautenden aber anders geschriebenen Gemeinde Daisendorf ausgetauscht wird – zuletzt Anfang des Jahres. Zu den alltäglicheren Dingen gehört, der Stadt zu melden, wenn irgendwo etwas kaputt ist, etwa ein Schild oder eine Ampel. Außerdem besucht sie runde Geburtstage ab dem 80., sie traut Paare, organisiert Veranstaltungen, holt Genehmigungen ein und treibt Projekte voran.
Aus Mengen nach Deisendorf
Aufgewachsen ist Müller in Mengen-Ennetach im Landkreis Sigmaringen. 22 Jahre alt war sie, als sie nach Deisendorf kam. Die Liebe hat sie hergeführt. Sie beginnt in Lippertsreute, im Gasthaus Schwert. Weil ihre Tante das Gasthaus führte, und sie oft dort war und kellnerte. Dort hat sie auch ihren Mann kennengelernt. „Ich habe ihn mit Bier versorgt“, sagt sie und lacht. So kamen sie ins Gespräch, eins führte zum anderen.
Eine Ausbildung zur Arzthelferin hat sie noch in Mengen absolviert. Eigentlich wollte sie Floristin werden. Dann hat sie Hauswirtschafterin gelernt, weigerte sich jedoch in der Prüfung ein Huhn zu schlachten. Da ihr deshalb der Meistertitel verwehrt blieb, musste Sie umdenken und absolvierte eine Arzthelferausbildung. Doch dann kam auch schon die Ehe und die Kinder. 2016 folgte eine weitere Ausbildung: Seitdem arbeitet sie als Tagesmutter im Deggenhauser Tal.
Ausflüge mit der Kutsche
Ihr Ehemann Paul Müller, gelernter Zimmermann, liebt Pferde. Sie teilt seine Leidenschaft, sie fahren gerne Kutsche. Sogar mehrtägige Fahrten unternehmen sie, etwa nach Biberach. Das ständige Klackern, der Hufschlag ist beruhigend auf der Reise.

Sie hat selbst auch einen Kutschenführerschein, reiten würde sie jedoch nicht mehr. Am Anfang ihrer Zeit sind sie gemeinsam geritten. „Dann hat‘s mich zweimal runtergehauen, dann war das Thema erledigt.“ In Deisendorf ist sie direkt gut angekommen, sagt sie. 1991 kam sie dorthin, auch geheiratet hat sie in dem Jahr. Nun hat das Paar drei gemeinsame Kinder. Alle drei wohnen in Deisendorf, zwei bauen in der Nähe des örtlichen Rosengartens.
Die Familienmitglieder stehen eng, und die Bande reicht noch eine Generation zurück, schildert Müller. Ihr Mann haben zudem drei Brüder. Auch die und deren Söhne wohnen in Deisendorf. Erwachsen ist daraus eine außergewöhnlich Familientradition: Jeden Nachmittag trifft Karin Müller die Familie in unterschiedlichen Konstellationen. Zehn, zwölf Verwandte kommen in der Regel zum Müller-Kaffee. Der ausrichtende Haushalt wechselt dabei.
Ein Grundstück für die Dorfgemeinschaft
Herzstück ihrer Bestrebungen ist das Grundstück rund um den frühere Gasthof Löwen. 2018 wurde das Areal an einen Investor verkauft, seitdem versuchen Müller und die Deisendorfer es zurückzubekommen. „Seit 20 Jahren wollen wir ein neues Dorfgemeinschaftshaus“, sagt Müller. Ihr Ort brauche eine neue Dorfmitte. Früher fand das Dorffest am Kinderhaus Storchennest statt, erzählt Müller. Durch Auflagen musste der Kinderbereich eingezäunt werden. Nun reicht der Platz nicht mehr. Andere Grundstücke im Tausch gegen das Löwenareal kamen aus diversen Gründen nicht zustande. Aktuell ist der Baugrund Rauenstein Ost in der Kernstadt zum Tausch angedacht.
Hier hofft sie mit Jan Zeitler auch weiterzukommen und dass es wieder in städtischen Besitz übergeht. „Am liebsten gleich übermorgen“. Und selbst dann müssten erst Gutachten prüfen, ob das alte Gebäude erhalten werden kann, entkernt werden muss, oder man es gleich neu macht. „Wenn wir es nicht richtig machen, wird es schnell ein Millionengrab“, sagt Müller.
Dorfjugend erhalten
Müller sieht aber vor allem das Potenzial des Grundstücks mit dem Gasthof. Räume könnten geschaffen werden, Ärzte, Steuerbüros. „Es wäre schön, wenn die Schüler im Dorf und nicht in der Schule betreut werden, wenn nächstes Jahr die verpflichtende Betreuung kommt“, sagt sie, „dann hockt nicht jeder an seiner Schule, sondern die Kinder rund Jugendlichen kämen Mittags wieder zusammen.“ Eine eigene Schule hat Deisendorf nicht, oder nicht mehr. Denn die Grundschüler aus Deisendorf gehen in der Nachbargemeinde Lippertsreute zur Schule. Also würden sie auch dort betreut werden. Ihre Sorge ist, die Dorfjugend könnte sich auflösen.
Im Zuge der derzeitigen Renaturierung des Weihers erwirkte sie gemeinsam mit dem Ortschaftsrat eine Beobachtungsplattform. Auch ein neuer Spaziergehweg soll entstehen. Was sie angeht, soll Mehrwert für ihren Ort bringen. Sie will fördern, was ihr in Deisendorf ohnehin am meisten gefällt: den Zusammenhalt.