An der Spitze und an der Basis steht die römisch-katholische Kirche derzeit gleichermaßen vor großen Herausforderungen. Dabei scheinen die Probleme der Pfarreien ganz unten, bei Lichte betrachtet, etwas kleiner zu sein. Auch wenn die anstehenden Veränderungen unter dem Etikett der strukturellen Entwicklung durchaus gravierend sein werden und jetzt zum ersten Mal im Pfarrgemeinderat der katholischen Seelsorgeeinheit Überlingen vorgestellt wurden.

Ziel ist die Konzentration schwindender Kräfte

Es geht in dem Prozess Kirchenentwicklung 2030 der Erzdiözese Freiburg um nichts weniger als eine mittelfristige Konzentration der schwindenden Kräfte. Christine Gäng, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, beschrieb dabei zur Klarstellung, wie sie sagte, noch einmal die Dimensionen der Veränderungen, um die es geht. Konkret bedeute der Prozess: die Zusammenlegung der aktuellen Kirchengemeinden Birnau, Sipplingen, Überlingen, Meersburg, Deggenhausertal, Markdorf und Salem/Heiligenberg zu einer großen Kirchengemeinde. Gäng schloss: „Nur dass man die Ausmaße noch einmal deutlich vor Augen hat.“

Dekan Peter Nikola sagt, dass im Verlauf des Prozesses viele Entscheidungen gefordert seien. Zum Beispiel, wo das liturgische Zentrum ...
Dekan Peter Nikola sagt, dass im Verlauf des Prozesses viele Entscheidungen gefordert seien. Zum Beispiel, wo das liturgische Zentrum einer großen Kirchengemeinde sei, oder ob es mehrere Zentren brauche. | Bild: Hanspeter Walter

Kurzfristig war die Sitzung Ende Januar aus dem Pfarrsaal in den virtuellen Raum verlegt worden. Für Dekan Peter Nicola war dies insofern vertretbar, als es sich erst um den Auftakt des Gedankenaustausches handle. „Wir hoffen, dass dies bald wieder in Präsenz möglich ist“, sagte Nicola. Wenn die Überlegungen einmal konkretere Formen annähmen, könne dies ohnehin nur in der persönlichen Begegnung von Angesicht zu Angesicht geschehen.

Nicola und Eichelmann sehen sich als Anwälte in Bezug auf die Ausgestaltung

Projektkoordinator Simon Eichelmann erklärt, dass aus Freiburg von der Erzdiözese sicher strukturelle Vorgaben kommen werden. Allerdings ...
Projektkoordinator Simon Eichelmann erklärt, dass aus Freiburg von der Erzdiözese sicher strukturelle Vorgaben kommen werden. Allerdings werde es hier auch viele Gestaltungsmöglichkeiten geben. | Bild: Hanspeter Walter

Gemeinsam mit dem Markdorfer Pastoralreferenten Simon Eichelmann, der zugleich Koordinator des Projektes Kirchenentwicklung 2030 ist, erläuterte Nicola kurz das Ziel des Prozesses und moderierte auch den anschließenden Gedankenaustausch mit den Pfarrgemeinderäten. „Wir beide sind eure Anwälte in Bezug auf die Ausgestaltung der Pfarrei 2030“, sagte Nicola. Auch wenn sie im Moment manche Antworten auf vielleicht brennende Fragen noch schuldig bleiben müssten. Im Anschluss konnten die Teilnehmer in Gruppen die ihnen wichtigen Herzensthemen benennen, die in der künftigen Struktur besonders berücksichtigt werden sollten.

Wo wird künftig das liturgische Zentrum sein?

Ob es denn so genannte pastorale Zentren geben werde und wenn ja, wie viele, fragte Christine Gäng. Das seien alles noch offene Fragen, erklärte Dekan Nicola und verwies auf den „himmelweiten Unterschied“ zwischen einer städtisch und einer ländlich geprägten Region. „Welches wird künftig das liturgische Zentrum in unserer Raumschaft sein?“, formulierte Peter Nicola eine kritische Frage.

Manchem falle da vielleicht schnell das Überlinger Münster ein. Doch es gebe schließlich auch Markdorf, Salem und Meersburg. „Hier müssen wir gemeinsam um einen Weg ringen.“ Etwas in Verlegenheit brachte der ausscheidende Pfarrgemeinderat Jo Thalhofer, als er das Umfeld der Suso-Kirche in Überlingen als neutralen Raum ins Gespräch brachte. „Ist dies Ernst gemeint?“, fragte Dekan Peter Nicola vor dem Hintergrund, dass das Suso-Zentrum aus Kostengründen ganz aufgegeben beziehungsweise neu genutzt werden soll.

Über Jahrhunderte gewachsene Strukturen werden aufgelöst

Christine Gäng, Pfarrgemeinderatsvorsitzende, sagt: „Das hört sich ein bisschen so an, dass wir irgendwann einmal von der ...
Christine Gäng, Pfarrgemeinderatsvorsitzende, sagt: „Das hört sich ein bisschen so an, dass wir irgendwann einmal von der Entwicklung überrollt werden.“ | Bild: Hanspeter Walter

Im Grunde würden alle über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen aufgelöst und gingen in der neuen großen Pfarrei auf. „Viele Pflöcke sind noch nicht eingeschlagen“, sagt Nicola. Für Pfarrgemeinderatsvorsitzende Christine Gäng fühlt sich das Szenario so an, „als ob wir irgendwann einmal überrollt werden“. Strukturelle Vorgaben würden sicher kommen, erklärte Projektkoordinator Simon Eichelmann, allerdings werde es hier auch viele Gestaltungsmöglichkeiten geben.

Künftig nur noch ein leitender Pfarrer

Die Gemeindeteams würden künftig eine noch wichtigere Rolle bekommen als bisher, sagte Dekan Nicola. Ja, man müsse das organisatorische Neukonstrukt mit spirituellem Leben füllen. Illusorisch sei die Erwartung, so Nicola, mit der neuen, größeren Pfarrei plötzlich „Friede, Freude, Eierkuchen“ zu habe. Denn es werde nur einen leitenden Pfarrer geben. Umso mehr stelle sich die Frage, wie und von wem die spirituellen Bedürfnisse vor Ort bedient werden könnten.

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Problem großer Distanzen im ländlichen Raum

Dazu müsse man in Freiburg ganz deutlich machen, dass so eine Flächengemeinde wie am Bodensee keineswegs mit den Metropolen Freiburg oder Karlsruhe verglichen werden könne, sagte Dekan Nicola und verwies auf die ländlichen Strukturen und großen Distanzen. „Mit dem öffentlichen Nahverkehr kann man im Verlauf eines Tages vielleicht von Hödingen nach Oberhomberg gelangen“, machte er dies konkret: „Aber nicht wieder zurück.“

Das Projekt Kirchenentwicklung 2030

„Kirchenentwicklung 2030 ist mehr als die Zusammenlegung von Kirchengemeinden“, heißt es auf dem gleichnamigen Portal der Erzdiözese Freiburg. „In diesem Prozess geht es vor allem um einen tiefgreifenden Kulturwandel, damit Kirche anschlussfähig bleibt und ihrem Auftrag in Zukunft gerecht werden kann. Dazu gibt es in den nächsten Jahren einen breit angelegten Dialog über das künftige Kirche-Sein, der schließlich in konkrete Entscheidungen und Veränderungen mündet.“ Bis 2025/26 soll eine Phase des Übergangs abgeschlossen sein. Dann werden die vorbereiteten neuen Pfarreien konstituiert. „Damit ist Kirchenentwicklung aber nicht beendet: Jetzt werden die zuvor entwickelten Konzepte in der Seelsorge- und Verwaltungspraxis umgesetzt. Dazu gehört auch die Frage: Was funktioniert gut, wo müssen wir nachbessern?“ Beim Diözesanforum der Erzdiözese Freiburg am 25. und 26. März 2022 werden erste Grundentscheidungen diskutiert, die sich aus dem Projekt Kirchenentwicklung 2030 ergeben.