Weil er zwei Frauen mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben soll, musste sich ein 22-jähriger Mann aus Salem vor dem Überlinger Amtsgericht verantworten. Der Angeklagte leugnete die Tat nicht. Nur über die Gründe, aus denen er zugeschlagen hatte, gingen in der Verhandlung die Aussagen von Angeklagtem und Zeugen auseinander.
Alle Beteiligten erzählten unisono von einem schönen Sommerabend im Juni 2021, an dem sie in unterschiedlichen Gruppen am See in Überlingen unterwegs gewesen seien, um zwischen Landungsplatz und Zeughaus an der Uferpromenade mit Musik und Alkohol zu feiern.
Was als gutes Gespräch begann, mündete in Gewalt
Der Angeklagte und sein Freund trafen dort auf die beiden Frauen, welche ebenfalls Bekannte getroffen hatten, sodass die Gruppe aus etwa 15 Leuten bestand. Der 22-Jährige erklärte, er sei mit einer 23-jährigen Frau ins Gespräch gekommen. Sie hätten sich gut verstanden und sich etwas von der Gruppe entfernt auf eine Bank gesetzt.
Von diesem Zeitpunkt an gingen jedoch die Aussagen des Angeklagten und der Zeugen auseinander. Der Angeklagte erklärte, er habe sich mit der jungen Frau auch über deren Beziehung unterhalten. Die 23-Jährige habe erklärt, sie sei unglücklich, habe jedoch Angst, sich von ihrer Partnerin zu trennen. Diese Partnerin sei dann hinzugekommen und habe die junge Frau weggezogen. Er sei den beiden hinterhergegangen. Die Partnerin habe ihn mehrfach beleidigt und sei schließlich mit geballter Faust auf ihn zugegangen. Er habe dann als Erster zugeschlagen. In der Verhandlung sagte der 22-Jährige: „Ich konnte meine Souveränität nicht behalten.“ Er wünsche sich aus heutiger Sicht, er wäre vorher weggegangen.
Nachdem die erste Frau zu Boden gegangen sei, sei eine weitere Frau hinter ihm hergelaufen, habe ihn festgehalten und gekratzt, sodass er auch diese geschlagen habe. Dann sei er mit seinem Freund vom Tatort weg zum Busbahnhof gegangen. Von hier aus habe er die Polizei angerufen und sich als Täter zu erkennen gegeben.
Angeklagter: „Wünschte, ich hätte einen kühleren Kopf behalten“
Der Rechtsanwalt der Nebenkläger, Heinz Tausendfreund, hakte nach, warum der 22-Jährige als Kampfsportler die Frau nicht einfach weggestoßen oder ein milderes Mittel zu Abwehr gewählt habe. Die zweite Frau habe mit einem geprellten Jochbein, Kieferproblemen und einer leichten Gehirnerschütterung starke Verletzungen im Gesicht davongetragen. Der Angeklagte beteuerte: „Ich würde mir wünschen, ich hätte einen kühleren Kopf behalten.“ Er habe versucht, nur ein Mindestmaß an Kraft einzusetzen, „da ich meine Kraft einzuschätzen weiß“. Zudem habe er als Rechtshänder mit links zugeschlagen.
Frau (34): „Ich habe mich bedroht gefühlt“
Die 34-jährige Partnerin der jungen Frau schilderte im Zeugenstand, sie habe ihre Freundin nicht von der Bank weggezogen, sondern nur freundlich gefragt, ob sie zurück zur Gruppe kommen wolle. Die 23-Jährige sei freiwillig aufgestanden und mitgegangen. Darauf habe der Angeklagte mit wüsten Beleidigungen reagiert. „Er wurde zunehmend aggressiver und ich habe mich bedroht gefühlt“, erklärte die Überlingerin. Sie habe sich aus Angst auf den Boden gesetzt. Der Mann habe sie immer heftiger beschimpft, auch mit Bemerkungen zu ihrer Sexualität. „Ich bin aufgestanden und dann kam der Faustschlag und ich bin zu Boden gegangen“, erklärte die 34-Jährige. Weiter könne sie sich nicht mehr erinnern. Ihre 23-jährige Partnerin schilderte die Vorgänge ähnlich. Sie habe mit dem Angeklagten nicht über ihre Beziehung geredet. „Erst als meine Freundin gekommen ist, hat er kapiert, dass ich in einer Beziehung lebe.“ Zu den Schlägen könne sie nichts sagen, da sie sich um ihre am Boden liegende weinende Freundin gekümmert habe.
Frau (23): „Hatte Angst, dass er meine Bekannte nochmals schlägt“
Die zweite Geschädigte, eine 23-jährige Bekannte der beiden Frauen, schilderte den Verlauf ähnlich. Sie habe eingegriffen, weil sie Angst gehabt habe, dass der Angeklagte ihre Bekannte nochmals schlägt. „Ich habe ihn zurückgeschubst und dann auch die Faust in Gesicht bekommen“, erzählte sie weinend. Richter Alexander von Kennel fragte nach: „Kann es sein, dass sie ihm hinterhergerannt sind und ihn gekratzt haben?“ Das verneinte die Zeugin.
Polizistin: „Alle aus der Gruppe stark alkoholisiert“
Eine Polizistin beschrieb die Situation gegen 3.30 Uhr am Morgen als „schwierig, da alle aus der etwa zehnköpfigen Gruppe stark alkoholisiert waren und nicht jeder etwas gesehen hat.“ Die 23-Jährige, die vom Angeklagten geschlagen worden war, sei am nüchternsten gewesen und habe klare Aussagen gemacht, erinnerte sich die Beamtin. Sie und ihr Kollege seien in der Nähe bei einer Ruhestörung gewesen, als ein Mann sie angepöbelt habe, sie sollten sich lieber um die Körperverletzung ein paar Meter weiter kümmern. Später habe sich herausgestellt, dass dieser Mann der Angeklagte gewesen war, der dann zum Busbahnhof ging und von dort aus die Polizei anrief. Die Polizistin erklärte, der 22-Jährige habe sich dort entschuldigt und sei sehr kooperativ gewesen.
Zeuge: „Ich erinnere mich nicht genau, ich war besoffen“
Wenig hilfreich waren die Aussagen des Freundes des Angeklagten. Der ebenfalls 22-Jährige erklärte, er habe Geschrei gehört und sei zu seinem Freund gelaufen, der im Streit mit einem Mädchen gewesen sei. Er habe sich zwischen den Freund und das Mädchen gestellt und Kratzer abbekommen. Dann sei er mit seinem Freund weggegangen. Auf Nachfrage des Richters, welches Mädchen mit dem Freund gestritten habe, konnte er keine Angaben machen. „Ich erinnere mich nicht genau, ich war besoffen.“
Aufgrund der unklaren Sachlage und weil der Angeklagte bisher noch nicht auffällig war, wurde von einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung abgesehen. Der 22-Jährige muss jedoch 500 Euro an die 34-Jährige und 1500 Euro an die 23-Jährige bezahlen.