Jonas Lorenzen legt den Putzlappen beiseite. Der Schüler am Gymnasium und weitere Klassenkameraden aus der zehnten Klasse haben Stolpersteine in der Stadt wieder zum Leuchten gebracht. „So hell, wie sie jetzt strahlen, wird man wieder aufmerksamer auf die Menschen, an die hier erinnert wird.“ Der Zehntklässler Davide Morfea: „Es ist wichtig, nicht zu vergessen, was damals passiert ist.“

Die vom Künstler Gunter Demnig in Überlingen und an über 1200 deutschen Kommunen verlegten Stolpersteine erinnern an das Schicksal der Menschen, die von den Nationalsozialisten ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben worden sind.

Die Putzaktion zum 9. November, dem Gedenktag an die Novemberpogrome von 1938, wurde von Patrick Konopka, Geschichtslehrer an der zehnten Klasse des Gymnasiums, angestoßen. Der Überlinger Historiker Oswald Burger, der die Schicksale erforschte, berichtete den Schülerinnen und Schüler anschaulich darüber.
Aktuelle Situation verlangt Distanzierung
Wie Patrick Konopka sagte, sei seit dem 7. Oktober, seit dem Überfall der Hamas, im Unterricht viel Interesse an den Themen Israel, Palästina und Antisemitismus zu spüren. Zugleich sei es für sie eindrücklich zu sehen, was unter den Nazis in ihrer Heimat passierte. „Mir war es wichtig, den Schülern genau am 9. November an konkreten Orten in ihrer Umgebung den Antisemitismus der damaligen Zeit aufzuzeigen und zu verdeutlichen, welche Folgen er hat.“ Er wolle darauf aufmerksam machen, „dass wir uns jetzt auch in einer Situation befinden, wo wir uns deutlich davon distanzieren müssen“.
Antisemitismus getarnt als Kritik an Israel
Das jüdische Leben sei aus unserer Mitte praktisch komplett verschwunden, sagte Oswald Burger. „Gerade heute, wo Antisemitismus wieder aufkommt, muss man daran erinnern, dass es zu unserer Kultur gehört.“ Die aktuelle Entwicklung betrachte er „mit allergrößter Sorge“. Burger: „In unserer Stadt herrscht eine antisemitische Stimmung, die stattfindet, ohne dass man reale Juden um sich hat. Das tarnt sich als Kritik an der israelischen Politik.“