Überlingen – Als erste Stadt ist Überlingen mit dem Deutschen Biodiversitätspreis der Heinz Sielmann Stiftung ausgezeichnet worden. Mit dem Preis, den die Stiftung seit 2014 alle zwei Jahre an Personen und Institutionen vergibt, wird „das langfristige und kontinuierliche Engagement der Stadt für den Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt auf ihren kommunalen Flächen“ ausgezeichnet, betont die Stiftung.
In seiner Begrüßung hatte der Stiftungsratsvorsitzende Fritz Brickwedde auch die Vertreter der Bürgerinitiative direkt angesprochen, die ihn vor rund zwei Wochen auf die Nähe der Preisverleihung zur OB-Wahl hingewiesen hätten. Die Stiftung mische sich „weder in Wahlen noch in strittige kommunale Themen ein“, betonte er und erklärte: „Wenn wir das vor sechs Wochen gewusst hätten, hätten wir den Termin einfach um drei Wochen verschoben.“ An diesem Abend wolle man sich jedoch mit etwas beschäftigen, „von dem wir meinen, dass es Überlingen sehr gut gemacht hat“. Zudem würde die Stiftung Roland Leitner und dessen engagierte Mitarbeiter bereits seit vielen Jahren gut kennen, erklärte Brickwedde.
„Das ist schon überdurchschnittlich, was hier in Überlingen geliefert wird an Engagement für Biodiversität.“ Dies sei der Stiftung auch vom Städte- und Gemeindebund bestätigt worden. Insofern sei die Verleihung weder Willkür noch ein Versuch der Einflussnahme. „Wir sind der Überzeugung, dass die Stadt Überlingen in vielen Bereichen vorbildlich gehandelt hat.“ Damit seien neben der Verwaltung auch die Bürger gemeint, betonte Brickwedde und sagte: „Gehen Sie auf diesem Weg weiter und überlegen Sie, was sie mit dem Preisgeld von 10.000 Euro machen können.“
Zu verdanken hat Überlingen diesen Preis insbesondere Professor Peter Berthold, der als Biologe seit zwei Jahrzehnten die entscheidenden Impulse gegeben hat. Brickwedde nannte den wegen Krankheit abwesenden Berthold den „geistigen Vater des Biotopverbunds Bodensee“ und apostrophierte ihn launisch als „Dampfwalze für Ökologie.“ Dessen Saat ist in Überlingen tatsächlich auf fruchtbaren Boden gefallen – schon beim damaligen Leiter des Grünflächenamts, Thomas Vogler, der sich auch über viele Jahre im Kuratorium der Stiftung engagierte.
Die Sielmann Stiftung hoffe, dass Überlingen Vorbild für andere Städte und Gemeinden sei, wieder mehr Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten zu schaffen und damit „die biologische Vielfalt zu stärken, die unser aller Lebensgrundlage ist.“ Anerkennung zollte Brickwedde auch den ehrenamtlichen Stadtverschönerern, die anhand ihrer Kleidung in beträchtlicher Zahl auszumachen waren. „Dafür sollte die Stadt noch einen Preis bekommen“, sagte Brickwedde und betonte: „Das ist großartig. Fühlen Sie sich mit geehrt.“ Deren vielfältiges Engagement und unter anderem ihr Beitrag zur Aussaat insektenfreundlicher Blumenwiesen hob später auch Roland Leitner in seiner Präsentation hervor. Zuvor hatte eine Bilderschau des Überlinger Fotografen Holger Spiering zu Gitarrenklängen eines Duos der Drahtzieher für eine emotionale Einstimmung gesorgt.
Die Laudatio blieb Frank Hämmerle vorbehalten, der als ehemaliger Konstanzer Landrat dem Kuratorium angehört. „Die Stadt hat sich beim Naturschutz und Grünflächenmanagement für einen Weg entschieden, der nicht bloß die Lebensbedingungen von Flora und Fauna verbessert“, sagte er. Auch die Bürger würden von den vielen kleinen Naturoasen profitieren. Die Kooperation mit Ehrenamtlichen, Naturschutzverbänden und landwirtschaftlichen Betrieben sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Entwicklung einer nachhaltigen Bewirtschaftung und Pflege kommunaler Flächen gewesen. „Die Stadt Überlingen ist in dieser Hinsicht ein leuchtendes Vorbild für andere Städte und Gemeinden nicht bloß am Bodensee, sondern weit darüber hinaus“, so Hämmerle.
Den Rückgang der Artenvielfalt nannte Roland Leitner, Leiter der Abteilung Grünflächen, Umwelt und Forst, eine der „zentralen Herausforderungen unserer Zeit“. Um so wichtiger sei es, dass die Kommune mutig vorangehe. Wobei sie nach Paragraph 2 des Naturschutzgesetzes als öffentliche Hand auch verpflichtet sei, räumte Leitner ein. Er erläuterte schonende Mähtechniken und stellte insektenfreundliche Wiesen vor. Auch ein Friedhof müsse nicht zu ordentlich sein, sondern könne kleine Nischen für Fauna und Flora bieten. Als Besonderheit nannte Leitner die Stadtgärtnerei, die mit der Anzucht von besonderen Pflanzen selbst einen wichtigen Beitrag leiste.
Zu den ersten gemeinsamen Projekten mit der Sielmann Stiftung gehörten vor rund 15 Jahren mehrere Weiher auf der Gemarkung Bonndorf sowie Pflanzungen und Pflegemaßnahmen in den Hödinger Streuobstbeständen. Auch an der Nußdorfer Konstantinhalde kooperiert die Stadt mit der Stiftung. Zwischen Hödingen und Nesselwangen wurde ein Gewässer angelegt, eine ganze Weiherlandschaft liegt zwischen Bambergen und Lippertsreute. Auch bei der Landesgartenschau war die Stiftung Partner.