Nichts ist so schlecht, dass es nicht auch irgendwo etwas Gutes haben kann. Das sagen viele nicht unmittelbar Betroffene inzwischen sogar über die Corona-Pandemie. Im Kleinen und ganz konkret gilt dies auch für den Fußgängertunnel durch den Überlinger Gallergraben zwischen der früheren Freilichtbühne und dem Aufkircher Tor.
Der künstliche Durchgang sollte den jungen Uhus im Grunde Abstand von den Gartenschaubesuchern ermöglichen, also quasi ein „natural distancing“ bieten, wenn diese dort nach dem mutigen Gleitflug vom Brutplatz ihre ersten Flatterübungen absolvieren.
Bislang hatte das Grünflächenamt den Graben in dieser sensiblen Phase für den Durchgangsverkehr gesperrt. Das war allein schon ein Gebot des Artenschutzes. Der erwartete Andrang zur Gartenschau und die geplante Präsentation der historischen Gräben waren Anlass zu Überlegungen, ob beziehungsweise wie man beide Ziele am besten unter einen Hut bringen könnte.
Heraus kam die Idee, einen transparenten luftig-leichten Tunnel zu installieren, wie man ihn von Gartenbaubetrieben kennt, der den Tieren die Menschen vom Leibe hält und die Ausblicke der Besucher nicht zu sehr einschränkt. Die erwarteten Massen kommen nun mit höchster Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr in diesem Jahr, doch mit den Überlinger Spaziergängern und in einigen Wochen vielleicht mit den ersten Sommerfrischlern unternimmt die Stadt nun einen Testlauf.
Aufbauarbeiten seit Beginn der Woche
Die Mitarbeiter der Landesgartenschau GmbH hatten eigentlich schon die Stornotaste gedrückt, um Lieferung und Aufbau des Tunnels abzusagen, wie Pressesprecherin Petra Pintscher erklärt. Doch dann kam Rolf Geiger vom städtischen Grünflächenamt die Idee, das ganze System doch einmal einem Test ganz ohne großen Stress zu unterziehen. Während in knapp zehn Metern Höhe auf dem Brutplatz der Uhu-Familie derzeit der verbliebene dreiköpfige Nachwuchs fleißig gefüttert wird und allmählich zu Kräften kommt, begann die Firma Pfeiffer aus Bühlertal bei Rastatt am Montag mit dem Aufbau des mobilen Fußgängertunnels und der tragenden Stahlbögen.

Am Mittwoch brachten Marian Malaga und Dumitru Burlica die Abdeckung auf und stellten am Donnerstag die Installation vollends fertig, die sich aus der Distanz betrachtet wie ein Kunstwerk durch den Graben schlängelt. An Spaziergängern sollten ungestörte Flugmanöver des Uhu-Nachwuchses nun nicht mehr scheitern.
Uhu-Nachwuchs kam Mitte März zur Welt
Im Februar hatten die Eltern sich nahezu planmäßig an ihrem gewohnten Brutplatz eingerichtet. Ob es das gleiche Paar ist wie im Vorjahr, ist nicht gesichert. Abweichendes Verhalten, was die Fütterungszeiten angeht, lässt bei den Beobachtern vorsichtige Zweifel aufkommen. Um die dritte Märzwoche – 33 Tage dauert in der Regel die Brutzeit bei Familie Uhu – sind schließlich die ersten Küken aus dem Ei gekrochen.
Es dauerte einige Zeit, bis klar war, wie viele Jungtiere geschlüpft waren. Schließlich werden sie von der Mutter aufmerksam geschützt und unter die Fittiche genommen. Selten sind die Kleinen am Anfang alle gleichzeitig zu sehen. Tatsächlich waren es in den ersten Tagen vier kleine Eulen, die um Aufmerksamkeit buhlten. Doch ein Junges ließ die Mutter bald links liegen.
Sind es andere Eltern als im Vorjahr?
Es wäre auch das erste Mal gewesen, dass ein ganzes Quartett im Überlinger Graben groß geworden wäre. Schon häufiger hatten die Eltern den Nachwuchs etwas dezimiert, schließlich wollen alle hungrigen Mäuler täglich gestopft werden. Die lautlos dahingleitenden Uhus gehen wie alle Eulen in der Dunkelheit auf die Jagd, wenn die Konkurrenz beziehungsweise die Opfer gerade dösen. Doch die regelmäßigen Fütterungszeiten und die Lieferung der Beute unterscheiden sich gegenüber dem Vorjahr signifikant. „Vielleicht ist der Vater neu“, spekuliert Rolf Geiger vom Grünflächenamt, der das Uhu-Geschehen seit 2010 akribisch verfolgt hat.
Nachwuchs bleibt tagsüber schon oft allein
Inzwischen ist der neue Nachwuchs gut sechs Wochen alt und hat sichtbar an Größe zugelegt. Tagsüber werden sie von der Mutter meist allein gelassen. Zwischen zehn und 20 Tage wird es allerdings noch dauern, bis sie sich in die Tiefe fallen lassen und nach kurzem Gleitflug auf eine weiche Landung hoffen können.
Spaziergänger freuen sich über Tunnellösung
Froh über den Fortschritt sind auch die Nutzer des Grabens. Noch war der Tunnel ohne Abdeckung, als Susanne Ortner mit Hund Bruno unter den installierten Bögen ihre gewohnte Runde drehte. „In den letzten Jahren musste ich immer großer Umwege machen“, sagte sie zeigte sich nun erfreut: „Ich finde es toll. Jetzt kann ich auch in den nächsten Wochen meinen Weg durch den Graben gehen.“

Das ist auch aus anderen Gründen vielleicht gar nicht schlecht. Im Vorjahr konnte dank Bruno ein junger Uhu gerettet werden, der bei starkem Regen wohl unbeabsichtigt außerhalb der Absperrung im Gebüsch gelandet war. Ohne den aufmerksamen Hund hätte dem jugendlichen Uhu vielleicht nicht geholfen werden können.