Um den Klimaschutz weiter voranzubringen, hat Baden-Württemberg bereits 2022 eine Solarverpflichtung eingeführt. Das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz schreibt beim Neubau von Wohn- und Nichtwohngebäuden, größeren, offenen Parkplätzen und bei grundlegenden Dachsanierungen eine Installation von Photovoltaikanlagen vor. Ungeachtet dessen konnten Kommunen diese Vorschriften mit gut begründeten Gestaltungssatzungen relativieren.
Örtliche Satzung sollte Schutz bieten
Eine der genannten Gestaltungssatzungen ist die die Überlinger Altstadtsatzung, die den Charakter des historischen Kerns und denkmalgeschützter Gebäude gegen eine allzu moderne Überformung verteidigen soll. So waren bis vor wenigen Jahren Solaranlagen ganz untersagt. Mit zwei Änderungen wurden 2023 und 2024 in einem Solarkataster verschiedene unbedenkliche Areale festgelegt, in denen eine Installation zulässig ist. Der Ausschuss für Bauen, Technik und Verkehr war jetzt durch die seit 28. Juni geltende neue Landesbauordnung genötigt, die Altstadtsatzung erneut zu ändern und die Einschränkungen ganz zu streichen, und beschloss dies bei zwei Enthaltungen.

„Die Novelle für schnelles Bauen hat Konsequenzen für die örtlichen Bauvorschriften und damit auch für die Altstadtsatzung“, betonte Ansgar Schmal, der bei der Stadtverwaltung für Denkmalschutz zuständig ist. Die neue Regelung sehe die Pflicht zu einer „uneingeschränkten Zulassung von Solaranlagen“ vor. Die derzeit formulierten Restriktionen und die Anlage eines Solarkatasters müssten daher gestrichen werden. Diese Anpassung müsse bis zum 28. September erfolgen, sagte Schmal. „Da bleibt uns im Grunde kein Gestaltungsspielraum.“
Ist das historische Stadtbild bedroht?
Neben geschichtsträchtigen Fassaden soll mit der Altstadtsatzung auch die gewachsene Dachlandschaft weitgehend bewahrt werden. Gegen Anläufe der Denkmalpflege, einen Ensembleschutz für die Gesamtanlage zu verankern, hatte sich der Gemeinderat mehrfach gewehrt, um die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten nicht zu beschränken. Meersburg und Sipplingen, die diesen Ensembleschutz haben, tun sich jetzt bei Restriktionen leichter.

Umso wichtiger war in Überlingen das Instrument der Altstadtsatzung, deren Festsetzungen beiden Perspektiven – Entwicklung und Schutz – gleichzeitig gerecht werden sollen. Vor diesem Hintergrund ist die Satzung zuletzt im Jahr 2024 angepasst und um einen so genannten Solarkataster ergänzt worden, der Regelungen für die Art und Weise einer Installation von Photovoltaikanlagen und ähnlichem in den Altstadtbezirken enthält. Darin wurden Dachflächen ausgewiesen, auf denen gar keine Solaranlagen zulässig sein sollten bzw. Vorschriften für die Form der Anbringung.
Doch diese Beschränkungen sind nun weitgehend hinfällig. Nach der Liberalisierung der Landesbauordnung in Form der ‚Novelle für schnelleres Bauen‘, die am 28. Juni 2025 in Kraft trat, muss Überlingen seine Altstadtsatzung an die neuen Vorschriften anpassen, erklärte Schmal dem Gemeinderatsausschuss. Die neuen Vorschriften sollen das Augenmerk weg von der Perspektive der „Kontrolle“, wie es bei der Landesregierung heißt, hin zum Blickwinkel des „Ermöglichen“ verschieben.
Besondere Kulturdenkmäler ausgenommen
„Heißt das für alle denkmalgeschützten Städte in Baden-Württemberg, dass die Dachlandschaftsbilder damit quasi preisgegeben werden?“, fragte Stadträtin Bernadette Siemensmeyer (LBU/Grüne). Es könne sich tatsächlich viel verändern, räumte Ansgar Schmal ein. „Ganz preisgegeben“ werde dies allerdings nicht. Bei besonderen Kulturdenkmälern spreche das Landesamt für Denkmalpflege schon noch ein Wörtchen mit. Dazu gehörten unter anderem das Münster, das Rathaus oder die Greth und deren Umfeld. „Da müssen wir das Landesamt noch anhören“, betonte Schmal. Es liege dann in deren Ermessen, ob eine Solaranlage hier möglich sei. Die Fachbehörde könne dann auch Vorgaben machen. Bei einfachen Kulturdenkmalen sei ansonsten alles möglich. In diese Rubrik fällt unter anderem das Bauamt in der Bahnhofstraße, aber auch das gegenüber liegende ehemalige Landratsamt mit seiner transparenten Architektur.
Hintergrund
Kapuziner ideal für Sonnenstrom
Ein besonderes Kulturdenkmal ist dagegen auch die ehemalige Kapuzinerkirche, mit ihrer für Sonnenstrom optimal ausgerichteten großen Dachfläche zum See hin. Aufgrund der aktuellen Umbaumaßnahmen könnte hier die Solarverpflichtung greifen. Doch würde die Denkmalpflege dies wohl kaum gutheißen.

„Der Klimaschutz obsiegt über die Denkmalpflege“, resümierte Baubürgermeister Thomas Kölschbach und hofft auf moderne technische Lösungen. Plakativer und provozierender formulierte Thorsten Peters (AfD) seine Position: „Der Klimahysterie werden jetzt nicht nur die Wälder, sondern auch die Kultur geopfert.“