50 Jahre Heiligenberg: Am 1. Januar 1975 entstand im Rahmen der Gebietsreform durch Zusammenschluss der bis dahin selbstständigen Gemeinden Heiligenberg, Wintersulgen und Hattenweiler die neue Gesamtgemeinde Heiligenberg. Das feiert die Gemeinde am Samstag, 4. Oktober, mit einem Festakt im Sennhof am Schloss. Zudem wandert eine Fotoausstellung zur Geschichte zu verschiedenen Brennpunkten in der Gemeinde. Wie bewerten die Bürger im Rückblick diesen Zusammenschluss? Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen.

Hat das Jubiläum Stellenwert? „Wir flippen nicht aus“
Florian Kopp, 1985 in Heiligenholz geboren, gründete im Jahr 2014 im Hattenweiler Teilort Kirnbach einen Zimmerei- und Schreinerbetrieb. Seit 2018 ist er Gemeinderat, seit 2023 Ortsreferent von Hattenweiler. „Wir flippen nicht aus“, bekennt er, wenn man ihn nach dem Stellenwert des 50. Jubiläums in seiner Ortschaft fragt. Von jeher seien die Beziehungen zur Nachbargemeinde Herdwangen-Schönach eng gewesen, schon durch die Zugehörigkeit zum dortigen Kirchenbezirk: „Man lässt sich in Schönach beerdigen, viele gehen nach Pfullendorf zum Einkaufen.“ Bis heute werde seine Arbeit als Ortsreferent daran gemessen, wie Hattenweiler innerhalb der Gesamtgemeinde berücksichtigt wird. Auf der Positivseite sieht er etwa das neue Gewerbegebiet oder den lange vermissten Glasfaserausbau. Zum – eher überschaubaren – Dorfleben des Straßendorfs tragen die Veranstaltungen vom Narrenverein Bodemännle oder von der Feuerwehrabteilung bei.
Wehmut bei den Älteren, aber „die Jungen sehen die Vorteile“
Markus Müller, Jahrgang 1991, führt im Wintersulgener Teilort Echbeck in langer Familientradition einen landwirtschaftlichen Betrieb. Im Gemeinderat sitzt er seit sieben Jahren, zugleich als Ortsreferent von Wintersulgen. Von seinen Mitbürgern wisse er, dass die meisten, auch die jüngeren, stolz seien, Wintersulgener zu sein. Dazu trage auch ein reiches Gemeindeleben bei, etwa durch den Narrenverein und das Dorftheater. Die vielköpfige Musikkapelle, schon damals übergemeindlich gemischt, ist so etwas wie das zentrale Großensemble des Musiklebens in der Gesamtgemeinde.
Zwar gebe es unter Älteren noch etwas Wehmut über die verlorene Selbstständigkeit, aber die Jungen sähen die Vorteile. Über die Solidarität innerhalb des Gemeinderats bei der Verteilung der Projekte und Zuwendungen auf die Ortschaften freut er sich. Die Entscheidung zur Einrichtung des Dorfladens im Heiligenberger Ortskern habe aber noch einmal zu Debatten geführt, zumal dann wenig später Margas Lädele in Wintersulgen seine Türen für immer schloss. Rückblickend, so stellt Markus Müller fest, war die Gemeindereform damals „unvermeidlich und klar die richtige Entscheidung“.
Einst große Skepsis, aber „nur wenige knabbern noch daran“
Herbert Dold lebt im Wintersulgener Teilort Echbeck. Der 81-Jährige hat noch lebhafte Erinnerungen an die Zeit der Neugründung Heiligenbergs. Schon immer war er gemeindeübergreifend aktiv, etwa als DRK-Mitglied oder als Elektroinstallateur beim Umbau des alten Rathauses in der Heiligenberger Dorfmitte. Dass es damals in Wintersulgen große Ablehnung und Skepsis gab, kann er bestätigen. Allerdings gebe es heute kaum mehr jemanden, der sich die Wiederherstellung der Wintersulgener Selbstständigkeit wünsche: „Nur wenige knabbern heute noch daran.“ Und: „So schlimm war es damals gar nicht“, die Vorbehalte hätten sich „recht schnell“ verflüchtigt. Allerdings stellt er auch fest, dass es zur Nachbarortschaft Hattenweiler kaum gelebte Beziehungen gebe.
„Das weitere Zusammenwachsen funktionierte schnell“
Heinrich Stengele ist Inhaber eines Tiefbauunternehmens in Wintersulgen. Ganze 30 Jahre saß er im Heiligenberger Gemeinderat. Aus der Anfangszeit der Neugründung kennt er das häufig zitierte Bonmot: „Wintersulgen hat Holz, Heiligenberg hat Stolz!“, eine Anspielung auf den materiellen Holzreichtum Wintersulgens, während der Waldbesitz in Heiligenberg weitgehend in Fürstenbergischem Besitz sei. Aus heutiger Sicht lautet sein Urteil aber: „Die Gemeindegründung ist gelungen.“
Schon vorher habe es viele strukturelle und personelle Beziehungen zwischen den Altgemeinden Wintersulgen und Heiligenberg gegeben, sodass das weitere Zusammenwachsen schnell funktionierte. Der Standort der Grundschule für die Gesamtgemeinde konnte für Wintersulgen gesichert werden. Anekdotisch erinnert er sich an das Hattenweiler Ansinnen, der Nachbargemeinde Schönach die Waldklause Ramsberg zu schenken. Dem habe der Heiligenberger Gemeinderat schnell einen Riegel vorgeschoben.
„Auch wenn es nicht allen gefiel – inzwischen sind alle zufrieden“
Landwirt Klaus Leibinger, dessen Familie bis vor zwölf Jahren den letzten Gasthof im Dorf betrieb, war Hattenweiler Ortsreferent von 1999 bis 2009, Zimmerermeister Hubert Nadler von 2014 bis 2025. Leibinger erinnert sich, dass es damals bei der Gemeindereform auch eine Alternative gegeben hätte, nämlich den Zusammenschluss von Hattenweiler mit Schönach und Taisersdorf. Wegen der Rivalität der Bürgermeister um die künftige Amtsbesetzung sei diese Lösung leider nicht gelungen. Noch heute seien die Beziehungen zum Nachbarort Schönach über den Fußballsport, den Musikverein und die Kirchgemeinde enger als zum „neuen“ Heiligenberg.
Beide Männer haben Zweifel, ob ihr Ortsteil über die fünf Jahrzehnte hinweg bei der Vergabe von Projekten, etwa dem Straßen- und Radwegebau, angemessen berücksichtigt wurde. Erst seit kurzem habe sich die Lage gebessert. Immerhin habe Hattenweiler ein Gewerbegebiet ergattert. Aber Leibinger wendet ein, das sei nur deshalb gelungen, weil im Teilort Heiligenberg dazu kein Baugrund im Gemeindebesitz zur Verfügung stand. Die vielen Investitionen in den Tourismus kämen Hattenweiler am wenigsten zugute. Hubert Nadler, der auch auf viele Jahre im Gesamtgemeinderat zurückblicken kann, räumt jedoch ein, dass die Verwaltung heute viel leistungsfähiger sei als die drei kleinen Rathäuser der Vergangenheit. Beide Männer sind sich einig: „Die Gemeindereform war nötig, auch wenn es damals nicht allen gefiel. Inzwischen sind alle zufrieden.“