In der Küche herrscht ein babylonisches Sprachengewirr. Wenn Alexandru Nutescu mit seinen Kolleginnen und Kollegen spricht, dann in einem Mix aus vielen Sprachen. Der Küchenchef stammt aus Rumänien, war in vielen Küchen Europas beschäftigt, seit acht Jahren ist er im Hotel „Sankt Leonhard“. Und er arbeitet seit Ostern in einer völlig neuen Küche.

Grundlegende Erneuerung

Wer für sich privat im Haus eine neue Küche baut, kalkuliert im Schnitt mit 10.000 bis 20.000 Euro. Im „Sankt Leonhard“ wurden knapp 3 Millionen Euro investiert, berichtet Geschäftsführer Thomas Wiggenhauser. Drei Millionen? Hintergrund ist, dass das Hotel in den vergangenen Jahrzehnten immer größer wurde, immer mehr Essen ausgegeben wurden, die Küche selbst aber nicht mitgewachsen ist. Aktuell verfügt das Hotel über 183 Zimmer und 350 Betten, teils müssen bis zu 100 Essen gleichzeitig ausgegeben werden. Und so waren nach über 40 Jahren nun grundlegende Umbauarbeiten nötig, wie Wiggenhauser erläutert.

Mit Blick auf Bodensee und Berge: Thomas Wiggenhauser, Geschäftsführer. Er stammt aus Überlingen.
Mit Blick auf Bodensee und Berge: Thomas Wiggenhauser, Geschäftsführer. Er stammt aus Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Unter Wolfgang Spang gewachsen

Zu seiner jetzigen Größe wuchs das Sankt Leonhard unter Wolfgang Spang, der 2021 im Alter von 81 gestorben ist. Spang war Betreiber der benachbarten Birkle-Klinik und übernahm in den 70er-Jahren das damals schlecht laufende Hotel. Nicht etwa, weil sich Spang plötzlich als Hotelier gesehen hätte, sondern weil er verhindern wollte, dass in direkter Nachbarschaft zur Birkle-Klinik eine andere Klinik entsteht. Denn es hatte Pläne für eine Außenstelle der Psychiatrie aus Weißenau gegeben.

Zurück zur neuen Küche: „Alleine die neue Lüftung kostet eine dreiviertel Million“, berichtet Wiggenhauser. Dafür verfüge sie jetzt über eine selbstreinigende Decke, was wichtig ist an Arbeitsstätten, an denen es oft heiß und fettig zugeht. Wobei die Lüftung auch dafür sorge, dass es selbst an heißen Tagen angenehme Temperaturen in der Küche gebe.

Vorratskammer auf einer Ebene

Mit der neuen Kücheneinrichtung wird das Ziel verfolgt, die Arbeitsabläufe im Team um Küchenchef Alexandru Nutescu zu verbessern. So befinden sich die Kühl- und Vorratskammern jetzt nicht mehr im Keller, sondern sind ebenerdig erreichbar. Essensreste können elegant in einer Art Ausguss entsorgt werden, landen in einem Fass, wo sie zermahlen werden. Und bei einem bestimmten Füllstand, so Wiggenhauser, wird automatisch das Fuhrunternehmen mit der Abholung beauftragt.

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Viele Gäste essen am Abend

Die Prozesse in der neuen Küche sind für 250 bis 300 Gäste ausgerichtet. Zwei Drittel von ihnen kämen zum Abendessen, verteilt auf zwei Schichten. Das heißt, dass Nutescu die Herausforderung hat, auch mal 100 Essen nahezu zeitgleich servierfertig machen zu müssen.

Bis zu 120 Beschäftigte

Im Küchenteam arbeiten pro Schicht zehn bis zwölf Personen. Insgesamt seien im Hotel im Durchschnitt 100 Frauen und Männer beschäftigt, je nach Saison zwischen 80 und 120. Alexandru Nutescu sieht man an, dass er Freude bei der Arbeit hat. „Spaß bei der Arbeit zu haben“, so Wiggenhauser, sei ein wichtiger Standortfaktor für sie als Arbeitgeber. „Es macht mich demütig, dass wir so gute Mitarbeiter haben.“

In der Gastronomie ist die Personalgewinnung eh schwierig, zumal in Überlingen, wo Wohnraum für Menschen aus dem Niedriglohnsektor rar ist. Ihr Vorteil sei, dass sie 42 Personal-Appartements anbieten können. Sie lägen preislich bei einem Drittel oder der Hälfte der ortsüblichen Miete.

Mariam El ouachani, Mitarbeiterin in der Patisserie, füllt eine Heidelbeer-Mascarpone-Creme in Dessertgläser.
Mariam El ouachani, Mitarbeiterin in der Patisserie, füllt eine Heidelbeer-Mascarpone-Creme in Dessertgläser. | Bild: Hilser, Stefan

Kurze Wege zwischen Herd und Tisch

Die aus Marokko stammende Mariam El ouachani drückt eine Spritzgusstüte mit Mascarpone-Creme in Dessertgläser. Die lila Farbe stammt von Blaubeeren. Ihr Arbeitsbereich liegt im Bereich der Kaltküche, die durch einen Korridor von der Warmküche getrennt ist, dem Reich von Küchenchef Nutescu, der gerade ein Schnitzel paniert. Kellnerinnen und Kellner bewegen sich über diesen Korridor in Richtung Gastraum. Diese Anordnung in der Innenarchitektur ist, wie Wiggenhauser erklärt, bewusst so gewählt, damit Umwege und Zeit und somit Geld gespart werden können.

Die Preiskalkulation für Schnitzel und Co. ist in der Hotellerie und Gastronomie nicht einfach. Preis- und Steuererhöhungen können nicht immer eins zu eins an die Kunden weitergegeben werden. Als Vier-Sterne-Hotel befänden sie sich in einem Preissegment der „gehobenen Küche“, bei dem die Kundschaft sehr wohl noch auf den Preis achtet. In der Luxusklasse eines Fünf-Sterne-Hotels sei dies anders, aber nicht ihre Liga.

Abhängig von der Wetterlage

Die Pandemie ist überstanden, die Zahl der Gäste mittlerweile wieder stabil, berichtet der Hotel-Chef. Die Tagungsgäste und Firmen, die langfristig planen und buchen, seien eine kalkulierbare Größe. Die Individualgäste dagegen seien teils sprunghaft wie das Wetter. Viele kommen speziell wegen der Terrasse und dem fantastischen Blick über den Bodensee. „Je nach Wetterlage kommt manchmal ganz kurzfristig eine Buchung, oder auch eine Absage.“