Oliver Nolte hat eine Idee: „Theaterzwang könnte doch die Lösung sein, die leeren Stühle vor der Bühne zu füllen.“ Damit verweist er bei der Vorstellung der neuen Saison des Wintertheaters ironisch auf Karl Valentin. Dass niemand ins Theater gehe, liege dem Komiker, Sänger und Autoren Valentin zufolge, zum einen am Staat – natürlich – zum anderen daran, dass es eben keine Pflicht gebe. Niemand würde schließlich eine Schule besuchen, wenn er es nicht müsste. Der Verweis auf Valentin kommt nicht von Ungefähr. Er steht im Zentrum des Stücks „Ein Mann macht Theater“, eines von zwei neuen Stücken der Theatermacher. Ab Freitag, 31. Januar 2025, heißt es „Gescheit lachen mit Nolte und eventuell Karl Valentin“, wie Oliver Nolte das Stück beschreibt.

Ein Leben mit Anstand

Dass das Wintertheater 2024/25 so sehr um Musiker-Biografien kreist, ist laut Birgit Nolte-Michels reiner Zufall. Die Stücke drehen sich um Marlene Dietrich, Édith Piaf, Hildegard Knef und Rockmusik auf Akkordeon. Was all diese Namen vereint: Anstand. „Mich bekommt ihr nicht“, heißt das zweite Stück aus Noltes Feder, das am Freitag, 7. März, erstmals auf dem Programm steht. Es erzählt biografische Skizzen von Marlene Dietrich, kommentiert mit Texten von Hannah Arendt.

„So wie uns die Humoristen Vorbild sein können, ist es auch die unerschütterliche, aufrichtige Haltung von Menschen wie Marlene ...
„So wie uns die Humoristen Vorbild sein können, ist es auch die unerschütterliche, aufrichtige Haltung von Menschen wie Marlene Dietrich“, Oliver Nolte, Theatermacher. | Bild: Rasmus Peters

Marlene Dietrich war bereits in den USA ein großer Star, als sie das Angebot des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels ausschlug, unter fürstlicher Bezahlung wieder in deutschen Film-Produktionen mitzuwirken. Mehr noch: Sie beantragte kurz darauf die amerikanische Staatsbürgerschaft. In drei Aufführungen widmen sich Birgit Nolte-Michels, Oliver Nolte und Musiker Michael Lauenstein auf der Bühne im historischen Gewölbekeller Dietrichs Leben.

Uraufführungen und Wiederaufnahmen auf dem Programm

Neben den Uraufführungen hält das Programm sechs Wiederaufnahmen bereit. Allein „Hau rein! Wer bremst, verliert“ habe Nolte schon 18 Mal gespielt, sagt er im Gespräch. Édith Piaf, die in „La Môme“ im Zentrum steht, sagt Birgit Nolte-Michels, sei eine Freundin Marlene Dietrichs gewesen. „Sie führte ein Leben wie ein Wasserfall: Mit Wucht leben.“

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Auch Hildegard Knef ist ein Stück gewidmet, auch sie begegnete Marlene Dietrich. Fürsorglich sei sie gewesen, beschrieb Knef Dietrich nach dem Treffen. Das Auftaktstück „Ruhestörung“ von Eugen Ruge schildert die Mechanismen des Ausgrenzens am Beispiel eines Mannes, der im Alltag versinkt. Als er beginnt, sich daraus zu lösen, wenden sich die Menschen von ihm ab, Vorurteile entstehen, Konflikte brechen aus.

Skeptisch gegen Halbwissen

Die Noltes wünschen sich mehr von dieser Courage: „So wie uns die Humoristen Vorbild sein können, ist es auch die unerschütterliche aufrichtige Haltung von Menschen wie Marlene Dietrich“, sagt Nolte und fragt: „Warum werden Menschen, die bombardiert werden, zu Frieden aufgerufen, statt die Gewalt zu benennen? Warum laufen so viele in die Arme politischer Blender, die eine freiheitliche Gesellschaft ablehnen? Warum wird der Blick auf eine menschengemachte Klimakrise ständig vernebelt?“

Noltes Stücke wollen keine Antworten geben, aber zum Nachdenken anregen. Denn in Zeiten von Rechtsruck, Krieg und Klimakatastrophe, hält Oliver Nolte fest, sollten die Menschen wieder skeptischer sein. Es würde helfen, den Demagogen, Populisten und Ideologen mit ihrem gefälligen Halbwissen zu begegnen.

Die Theatermacher Birgit Nolte-Michels und Oliver Nolte in ihrer Spielstätte. Die Bühne liegt in einem Gewölbekeller aus dem 16. ...
Die Theatermacher Birgit Nolte-Michels und Oliver Nolte in ihrer Spielstätte. Die Bühne liegt in einem Gewölbekeller aus dem 16. Jahrhundert. | Bild: Rasmus Peters

Anstand wird so zum Gegenentwurf politisch-ideologischer Verzerrung. Anstand ist der nicht konforme Fels in der Brandung, an dem die populistischen Verführungen abprallen.

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Theater kooperiert mit der Stadt

Seit 2018 konzipiert Noltes Theater das Wintertheater. Damals mit zehn Aufführungen gestartet, sind es in der Saison 2024/25 schon 21 Termine. Die Kooperation zwischen Stadt und Theater geht damit ins siebte Jahr. Die Formel des Theaters liegt laut Kulturamtsleiter Michael Brunner darin, zu unterhalten und zu nutzen. „Sie machen keinen Halt vor Unbequemem und regen zum Nachdenken an.“ Diese Formulierung hat ihren Grund: „Durch Reflexion bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen“, sagt Birgit Nolte-Michels. Auch Humor ist dabei ein wichtiges Werkzeug. Er betrachtet die Dinge neu.