Der Dreijährige sitzt schreiend im Badezimmer mit einer Flasche Glasreiniger in der Hand. Die Sechsjährige kommt vom Spielen aus dem Garten und hat rote Flecken auf der Haut. Situationen wie diese sind keine Seltenheit: Bundesweit gibt es etwa 100.000 Vergiftungsfälle bei Kindern pro Jahr. Die meisten passieren im häuslichen Umfeld. Doch was sollten Eltern in solchen Fällen tun?

Wie handele ich, wenn sich mein Kind vergiftet?

Sabine Maier ist Chefärztin der Notaufnahme im Helios-Spital Überlingen. Sie rät Eltern, das Kind zunächst außer Reichweite der Gefahrenquelle zu bringen. Bei einer möglichen Vergiftung sollte dann die Giftnotrufzentrale angerufen werden. Die nächste sitzt in Freiburg und ist telefonisch erreichbar unter 0761 19240.

„Je genauer Eltern beschreiben können, was das Kind geschluckt oder eingeatmet hat, desto präzisere Handlungsempfehlungen können die Experten am anderen Ende des Telefons geben“, erklärt Maier. Viele giftige Substanzen haben ein Gegengift – je eher man weiß, was das Kind genommen hat, desto besser.

Sabine Maier ist Chefärztin der Zentralen Notaufnahme im Helios-Spital Überlingen.
Sabine Maier ist Chefärztin der Zentralen Notaufnahme im Helios-Spital Überlingen. | Bild: Helios Spital Überlingen | SK-Archiv

Die Notärztin betont außerdem: bei Atemnot oder drohender Bewusstlosigkeit nicht zögern und direkt den Rettungsdienst unter der Nummer 112 anrufen. Auf keinen Fall sollten Eltern das Kind zum Erbrechen bringen. „In manchen Vergiftungsfällen kann das kontraproduktiv sein“, weiß Maier. Auch bei Medikamenten gegen Vergiftungen heißt es: nur in Rücksprache mit der Giftnotrufzentrale geben.

Wie macht sich eine Vergiftung überhaupt bemerkbar?

Egal ob Vergiftungen bei Kindern oder bei Erwachsenen – die Symptome sind die selben. Häufige Anzeichen sind laut Ärztin Dr. Sabine Maier: Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen und Krämpfe, Durchfall und Bewusstseinsstörungen. „Je nach Art der Vergiftung können die Symptome variieren“, sagt Maier.

Während einige Vergiftungen sofort Symptome verursachen, beispielsweise durch ätzende Chemikalien, gibt es auch Vergiftungen, bei denen die Symptome erst nach mehreren Stunden oder Tagen auftreten können – etwa bei einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Maier betont: „Bei Verdacht auf eine Vergiftung unbedingt einen Arzt aufsuchen.“

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Was sind die häufigsten Vergiftungsursachen?

Besonders häufig vergiften sich Kinder an alltäglichen Chemikalien. Dazu gehören zum Beispiel Putzmittel, Seifen oder Pflanzenschutzmittel. „Auch Medikamente und Lebensmittel, die Bakterien oder Viren enthalten, können zu einer Vergiftung führen“, erklärt die Expertin. Alkohol und Nikotin sind ebenfalls häufig Ursache einer Vergiftung. Und auch in der Natur gebe es Gefahren, wie zum Beispiel die giftigen Vogelbeeren, die Engelstrompete oder manche Pilzarten.

Bild 2: Was tun, wenn sich Kinder vergiften? Chefärztin Sabine Maier gibt Tipps für Eltern
Bild: Hanspeter Walter | SK-Archiv

Was kann passieren, wenn sich Kinder vergiften?

Wie die Chefärztin erklärt, können Vergiftungen bei Kindern viele verschiedene Auswirkungen haben. Zum Beispiel kann es zu Atemnot und Erstickungsgefahr kommen. Auch Schäden an den Organen können auftreten, insbesondere an Leber und Nieren.

Weiter besteht die Möglichkeit, dass neurologische Probleme auftauchen, etwa Krampfanfälle, Bewusstseinsverlust oder Lähmungen. Maier sagt deutlich: „Im schlimmsten Fall können Kinder an einer Vergiftung sterben.“

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Welche Maßnahmen können Ärzte bei Vergiftungen ergreifen?

Bei Vergiftungsfällen rufen Ärzte in der Regel zuerst bei der Giftnotrufzentrale an und erkundigen sich dort über mögliche Antidote, also Gegenmittel. „Ist die Vergiftung gesichert nur ein bis zwei Stunden her, können wir den Kindern in manchen Fällen nach Rücksprache mit der Vergiftungsinformationszentrale auch Aktivkohle geben. Das bindet die Giftstoffe im Magen-Darm-Trakt“, erklärt Maier.

Kommt es zur Atemnot, kann betroffenen Kindern in Krankenhäusern Sauerstoff zugeführt werden. Auch ein Mangel an Flüssigkeit im Körper kann mithilfe einer Infusionslösung aufgefangen werden. „Sauerstoff, Flüssigkeit und Überwachung sind im Krankenhaus immer gewährleistet. Das ist wichtig“, sagt die Ärztin.

Wie können Eltern Vergiftungen vorbeugen?

Giftige Substanzen sollten grundsätzlich von Kindern ferngehalten werden. „Es bietet sich an, Putzmittel, Medikamente und Kosmetika in Schränken zu verstauen und diese kindersicher zu verschließen“, nennt Maier ein Beispiel. Sie verweist außerdem auf umweltfreundliche Alternativen beim Putzen, denn die seien deutlich weniger gefährlich als herkömmliche Putzmittel.

Für die Sicherheit im Garten und auf dem Balkon rät Maier, keine giftigen Blumen anzupflanzen. Und letztlich verweist sie auch auf die Aufsichtspflicht der Eltern – besonders, wenn sich die Kinder in der Nähe von giftigen Substanzen aufhalten.

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