Als Wetterexperte Sven Plöger in Überlingen auf die Bühne tritt, öffnet sich draußen der Himmel. Bei Plögers Vortrag im Pfarrzentrum hörte man den Starkregen von Überlingen zuerst nur als heimeliges Hintergrundrauschen. Doch irgendwann tropfte es von der Decke: Auf dem Flachdach des Gebäudes hatte sich so viel Wasser gesammelt, dass es sich einen Weg durch das Gebäude bahnte. Die Schäden seien minimal, wie Stadtpfarrer Bernd Walter später sagte. Die Lösung in diesem Moment aber: Mitorganisator Ulrich Köberle holte zwei leere Metallschubladen, um die Wassertropfen aufzufangen.
Das machte den Auftritt besonders
Sven Plöger bekam aber keine Tropfen ab. Deutschlands wohl bekanntester Meteorologe referierte trotz der Vorkommnisse selbstsicher und humorvoll vor den rund 200 Gästen. Es ging unter anderem um ansteigende Temperaturen der Meere, Klimaabweichungen der vergangenen Jahre, die Ozeane als wichtige CO2-Speicher oder den Jetstream – und: die Schwierigkeit, daraus als Gesellschaft die richtigen Taten folgen zu lassen. Dass es nicht gut steht um unser Klima, dürften die Gäste vorher gewusst haben. Die große Leistung des ARD-Meteorologen war es aber, diese oft erwähnten Themen auf launige und gleichzeitig seriöse Art wieder in Erinnerung zu rufen. Dieser Ansatz kam bei den Überlinger Gästen gut an.
Plögers erster Besuch in der Region war es nicht. Bereits vor mehr als 20 Jahren hatte er in den Schweizer Alpen gearbeitet. Er zeigte sich als großer Fan des Alpsteins. Ohnehin sei Überlingen „eine wunderschöne Stadt“ und die Bodenseeregion habe „einen tollen Freizeitwert“. Bezug zu Überlingen hat er schon lange über den Überlinger Fernsehtechniker und Fotografen Jürgen Gundelsweiler. Sie kennen sich aus der Wetterregie des Hessischen Rundfunks. Gundelsweiler hatte für die Veranstalter den Kontakt hergestellt.

Es kommt auf jeden Einzelnen an
Ob beim Wetterbericht, in Talkshows oder in Überlingen – Plöger sieht sich als Meteorologe in der Verantwortung, Meteorologie und die Wetterveränderungen zu erklären. Er wolle dazu beitragen, dass man als Gesellschaft beim Klimawandel lösungsorientiert bleibe und jeder eine Haltung entwickele, sagte er. „Damit meine ich auch eine Selbstverantwortung, etwas aus diesem Wissen zu machen.“ Ob es mehr Bahn fahren oder der Verzicht auf den Kauf eines SUV sei, wolle er aber niemandem vorschreiben.
Rund eine Woche nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland betonte er: Die Lage mit dem Klima sei ernst, aber Angst sei ein schlechter Nährboden. „Denn Angst nutzt nur den Populisten.“ In dem Wahlkampf habe der Klimaschutz keine Rolle gespielt, merkte er an. Und bevor er wieder aufs Wetter zu sprechen kam, erwähnte er, dass die Demokratie ein hohes Gut sei.

Nach anderthalb Stunden beendete er seinen Vortrag mit einigen mutmachenden Botschaften: „Es kommt auf jeden Einzelnen an!“, „Wir müssen die Welt enkelfähig machen“ und „Dieser Planet braucht nicht uns, wir brauchen ihn!“
„Nun erleben wir es, den Klimawandel zu spüren“
Nach dem Vortrag wurde der 57-Jährige Zeuge von den Folgen des Starkregens. Plöger erklärte das Wetterphänomen am Freitag folgendermaßen: „Seit Tagen schon lag für die Jahreszeit extrem schwüle Luft am Bodensee. Dabei rückte uns das Tief immer mehr auf die Pelle und Gewitter und Starkregen bilden sich besonders häufig an Luftmassengrenzen, also da, wo warme und kühlere Luft aufeinandertreffen.“ Dann werde die Luft durcheinandergewirbelt und man erlebe Starkregen und sehe oft düstere, bedrohliche Wolkenformationen.
„Durch den Klimawandel steckt nun immer mehr Wärme und Feuchtigkeit, also Energie in der Luft und deshalb kann auch mehr freigesetzt werden. Und irgendwo ist immer das Zentrum eines Unwetters mit dem stärksten Regen – das war am Donnerstag genau über Überlingen.“ Wenn man regelmäßig Nachrichten schaue, falle auf, wie viele Orte von solchen Ereignissen getroffen würden. „Ob wir es hören wollen oder nicht: Auf die Verstärkung und Häufung solcher Ereignisse hat die Klimaforschung schon vor Jahrzehnten hingewiesen. Nun erleben wir es, den Klimawandel zu spüren.“
Am Sonntag nochmal Starkregen?
Plöger sagt: „Am Samstag wird es im Südwesten nochmal sehr sonnig und fast hochsommerlich heiß.“ Die nächste Luftmassengrenze erreiche uns Sonntagnachmittag oder -abend. „Da ist das Potenzial für Starkregen wieder sehr groß.“ Ob das dann wieder Überlingen treffe, lasse sich noch nicht sagen. „In der neuen Woche wird es ab und zu etwas regnen, das ist aber aus heutiger Sicht harmlos. Und es wird deutlich kühler.“