Wenn Michael Egger morgens in sein Büro geht und seinen Computer anschaltet, hat er mittlerweile ein mulmiges Gefühl. Viel zu oft wurde der Zimmermann aus Mühlhofen in den vergangenen Wochen von E-Mails überrascht, in denen ihm mitgeteilt wurde, dass das bestellte Material deutlich später geliefert werde oder in den folgenden Tagen eine Preiserhöhung anstehe.
Eine besonders dicke Überraschung erlebte Michael Egger vor wenigen Tagen, als er in seinem Postfach die Mail seines Lieferanten für Bauholz hatte. Als er den Anhang öffnete, staunte er nicht schlecht: „Da wurden die Preise um schlappe 60 Prozent vom 31. März auf den 1. April angehoben“, berichtet er. Die Folge: „Ich bin ein ganzes Wochenende drangesessen und habe meine ganzen Angebote überarbeitet“, sagt er.
Der Preis ist deshalb so explosiv gestiegen, weil es auf dem Holzmarkt kaum noch Rohholz gibt. „Ein Lieferant hat sogar davon gesprochen, dass die Lage auf dem Rohholzmarkt außer Kontrolle geraten sei“, berichtet Michael Egger. Er ist als holzverarbeitender Betrieb besonders betroffen dabei. „Bei der Neuberechnung der Angebote ist es keine Seltenheit, dass ein Holzhaus je nach Größe plötzlich fünfstellig mehr kostet“, versucht es der Zimmermann zu pauschalisieren.
USA und China schätzen Holz aus Europa und zahlen teuer
Für die Situation verantwortlich sind laut Michael Egger ganz offensichtlich zwei Gründe: Vor allem aus den USA und aus China treffen sehr viele Aufträge ein. Dort wird das europäische Holz deutlich teurer verkauft, sodass diese Märkte von den Großunternehmen bevorzugt beliefert werden.
Die aktuelle Corona-Situation spiele insofern eine Rolle, dass die Holzproduzenten die Produktion in den vergangenen Monaten etwas heruntergefahren und jetzt Lieferengpässe hätten. Alles zusammen ergibt allerdings eine aktuell sehr unsichere Situation. „Wir haben bis vor wenigen Wochen Holz bestellt, das direkt aus dem Lager geliefert wurde“, so der Zimmermann aus Mühlhofen. „Mittlerweile sind Lieferzeiten von zwölf Wochen und mehr keine Seltenheit.“ Dies erschwere den Ablauf eines Bauprojektes enorm.
Die Situation mit Lieferengpässen und drastischen Preiserhöhungen betreffe aber keinesfalls nur den Holzmarkt, betont Michael Egger: „Auch in den Bereichen Dämmstoffe und Stahl, was Befestigungsmittel wie Schrauben und Nägel betrifft, sieht es ähnlich aus.“ Das habe mittlerweile dermaßen drastische Folgen, dass unter Berufung auf höhere Gewalt sogar bereits bestellte Ware entweder nicht geliefert oder die Preiserhöhung einfach zusätzlich berechnet werden würde.
Diese Entwicklung ist für den Handwerker doppelt bitter, denn aktuell sind die Auftragsblöcke voll. „Gerade jetzt bekommen wir als regionaler Familienbetrieb die Kombination aus Weltpolitik und Corona richtig zu spüren“, sagt Michael Egger. „Und das, obwohl wir arbeitstechnisch so ausgelastet sind wie selten zuvor.“ Und mit dem Blick nach vorne sieht es keinesfalls besser aus.
„Eigentlich berichten alle Handelsvertreter, dass sie damit rechnen, dass die Situation noch schwieriger werden wird“, so der Zimmermann, der aber auch betont, dass es überfällig gewesen sei, dass der Holzpreis steige. Allerdings sei die Art und Weise äußerst bedenklich.
Blick ins Säge- und Hobelwerk Schechter in Owingen
Ähnlich sieht das Alexander Schechter vom gleichnamigen Säge- und Hobelwerk in Owingen. „Das jetzige Preisniveau des Holzes ist jetzt annährend da, wo es schon länger hätte sein sollen“, sagt er. „Allerdings sehe ich den explosionsartigen Anstieg sehr kritisch.“ Der Sägewerksmeister erzählt, dass er erst neulich eine Rechnung aus dem Jahre 1989 in den Händen hatte und das Holz damals nahezu gleich viel gekostet habe.

„Das ist schon bemerkenswert hinsichtlich der Lohnsteigerungen und Auflagen in den vergangenen Jahren“, sagt er. „Ich kann heute auch keinen VW Golf zum Preis von vor 30 Jahren kaufen.“ Der Holzpreis scheint seit Jahrzehnten eingefroren gewesen zu sein.
Aus diesen Gründen sei der Preisanstieg längst überfällig gewesen. „Das Holz muss einfach einen Wert haben“, sagt er. Allerdings befürchtet Alexander Schechter, dass die Preise wieder fallen werden, sobald die Nachfrage aus den USA und China nachlassen. Die aktuelle Situation sei vor allem für die Waldbesitzer gut, denn so „bekommen sie wieder eine einigermaßen anständige Bezahlung für ihr Holz“.
Vor Jahren aus Produktion von Bauholz zurückgezogen
Der über Jahre extrem niedrige Preis habe vor Jahren dafür gesorgt, dass sich das Säge- und Hobelwerk in Owingen weitestgehend aus der Produktion von Bauholz zurückgezogen habe. „Wir konnten preislich mit den ganz großen Produzenten nicht mithalten“, erklärt der 44-Jährige. „Das ist auch ein Grund, warum es mittlerweile viele kleine Sägewerke nicht mehr gibt.“ Er habe sich mit seinem Unternehmen auf Sondereinschnitte und Spezialaufträge fokussiert: „Wir bieten quasi alles an vom Baumstamm bis zum Endprodukt.“
Alexander Schechter erklärt sich die Knappheit des Holzes auf dem Markt ebenfalls mit den Großaufträgen aus Übersee. „Und das, obwohl bei uns momentan so viel Holz eingeschnitten wird wie selten zuvor“, so der Sägewerksmeister. „Die Großindustrie liefert aber eben ausschließlich dahin, wo der höchste Preis gezahlt wird.“ Für den Owinger hat die aktuelle Wertentwicklung allerdings auch etwas Positives, denn auch er kann dadurch höhere Preise verlangen.
Mittlerweile bekommt Alexander Schechter vermehrt Anrufe von Kunden, die seit Jahren nichts mehr bei ihm bestellt haben. „Auf diese Weise ist die aktuelle Lage auch bei uns zu spüren“, sagt er. „Allerdings bedienen wir momentan zunächst Stammkunden, aber auch sehr gerne Privatkunden.“
Letztlich hofft der Inhaber des Säge- und Hobelwerks in Owingen, dass sich der Holzpreis auf einem mittleren Niveau einpendeln wird. „Das wäre vor allem für die Waldbesitzer gut und für die nächste Generation, die auch noch Häusle bauen wollen“, sagt er.