Beliebte Traditionsveranstaltungen werden auch in diesem Jahr wohl nicht stattfinden können, wie die närrischen Tage verlaufen werden, ist noch offen. Vor 30 Jahren – 1991 – gab es schon einmal einen „närrischen Lockdown“, der Grund dafür war zwar ein ganz anderer, dennoch lohnt sich ein Blick zurück.

Normalität ist noch weit entfernt

Unaufhörlich fallen die Kalenderblätter, das Jahr 2020 ist zu Ende gegangen, nicht aber die Corona-Pandemie, die das Jahr geprägt hat. Immer noch sind die Fallzahlen neuer Covid-19-Erkrankungen hoch, von einer Rückkehr zur Normalität scheint man noch weit entfernt. Veranstaltungen und damit einhergehende Begegnungen von Menschenmassen, mit oder ohne Masken, sind noch nicht in Sicht – somit werden sich auch große Fastnachtsveranstaltungen auch in diesem Jahr wohl nicht durchführen lassen.

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Normalerweise treffen sich die Bonndorfer Pflumeschlucker traditionell an Dreikönig (6. Januar) zur Hauptversammlung, um damit auch die närrische Saison einzuläuten. Aber auch dieses Treffen fällt 2021 Corona zum Opfer. Richtigerweise betonen aber Verbände und deren Repräsentanten, dass Fastnacht als solche nicht abgesagt werden können. Lediglich Großveranstaltungen, die ungeschützt Menschen jeden Alters zusammenführen, stünden für eine Absage im Fokus. Und so wurde bereits über einen alternativen Wagenumzug in einem Fußballstadion in Düsseldorf gefachsimpelt.

Schon 1991 sollte Fasnet ausfallen

Ein Jahr ohne Fasnet? Mit gemischten Gefühlen mögen sich all jene an das Jahr 1991 erinnern, als die Fastnacht als solche schon einmal abzusagen versucht wurde. Selbstverständlich waren die Gründe für das überwiegende „Aus“ der Fastnacht damals ganz andere. Niemand lief Gefahr durch das Feiern der Fastnacht, sich und andere gesundheitlich in eine Notlage oder auf eine Intensivstation eines Krankenhauses zu bringen. Der Ausbruch des Golfkrieges, nachdem der Irak seinen Nachbarn Kuwait überfallen und völkerwiderrechtlich einverleibt hatte, lieferte den Fastnachtsgegnern den Grund zur Aussage: Wie lässt sich Fastnacht feiern, wenn im Nahen Osten Bomben fallen? (Dass dies während eines Vietnam- oder Afghanistankrieges, während des Krieges auf dem Balkan, Kriegen in Afrika oder Asien bis dahin überhaupt keine Rolle gespielt hatte, sei nur beiläufig erwähnt.)

Fasnet 1991: Ich darf zwar nicht, aber meinem Häs kann man‘s nicht verbieten!
Fasnet 1991: Ich darf zwar nicht, aber meinem Häs kann man‘s nicht verbieten! | Bild: Erhard Morath

Narrentreffen abgesagt

Nach einer spießrutenartig verlaufenen Vorfastnachtszeit 1991, entschloss sich der Präsident der Vereinigung Schwäbisch Alemannischer Narrenzünfte, Horst Bäckert, zu handeln. Am 18. Januar 1991 sagte er die großen Landschaftsnarrentreffen in Tettnang, Sigmaringen, Haigerloch und Tiengen für seine 68 Mitgliedszünfte ab. Aus dieser Absage vorfastnächtlicher Begegnungen entstand der Eindruck, als sei damit die Fastnacht als solche ebenfalls mit abgesagt worden.

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Viele Zünfte und Gemeinden nahmen Informationen aus den Medien wie „Fasnet ersatzlos gestrichen“ wörtlich und sagten ihre Fastnacht als Ganzes ab oder verboten die Nutzung von gemeindeeigenen Hallen, wie Letzteres beispielsweise dem Narrenrat in Ewattingen mit dem Bunten Abend widerfuhr.

Feiern auf eigene Weise

Tatsächlich befasste sich auch der Bonndorfer Narrenrat mit der Thematik, sagte nach einer Besprechung und Sitzung im Café „Jost“ ab. Er betonte jedoch in der diesbezüglichen schriftlichen Erklärung, „…dass es jedem Narren, jedem Verein und jeder Institution erlaubt sei….“ seine Fastnacht auf seine eigene Weise zu feiern und zu gestalten. Die Textpassage wurde auch über das Medium des Narrenspiegels der Pflumeschlucker auf der Umschlagseite publiziert und ist noch heute Wort für Wort nachzulesen.

Wer die aktuellen Verlautbarungen zur Fastnacht 2021, die von Fastnachtspräsidenten und Verbandsoberen derzeit ins Netz gestellt werden, liest oder hört, der entdeckt deckungsgleiche Ansätze, obwohl die Gegebenheiten damals und heute ganz andere sind, die sich auch nicht annäherungsweise vergleichen lassen.

Wenn die Narren Trauer tragen

In dem vom Schwabenverlag noch 1991 herausgegebenen Buch „Wenn die Narren Trauer tragen“ wird das ganze Ausmaß des Hin und Her in Fastnachts-, Karnevals- und Faschingshochburgen lebendig. Selbst die Politik hielt sich 1991, so lesen wir, vornehm zurück. Der Pressesprecher des Regierungspräsidiums Freiburg, Dr. Albert Schelb, erklärte beispielsweise, dass eine Absage nicht Gegenstand einer behördlichen Anordnung sei, sondern den privaten Trägern überlassen bleibe und stellte die Frage: „Kann man Brauchtum überhaupt verbieten?“

Das Buch „Wenn die Narren Trauer tragen“ ist nach den weitgehend abgesagten Narrentreffen 1991 erschienen. Es ist ein ...
Das Buch „Wenn die Narren Trauer tragen“ ist nach den weitgehend abgesagten Narrentreffen 1991 erschienen. Es ist ein Dokument über die tiefe Verwurzelung der Fastnacht, des Faschings und des Karnevals in weiten Teilen der Bevölkerung. | Bild: Erhard Morath

Fasnet 1991 in Bonndorf

Ausführlich lässt sich trotz der negativen Vorzeichen eine bunte Vielfalt von kleinen und größeren Fastnachtsfeiern hierzulande aus Erzählungen, Erlebnissen oder aus dem besagten Buch ins Gedächtnis rufen. So kam es zu Familienfeiern im Wohnzimmer in großem Stile, die anschließend über Jahre weitergepflegt wurden, Stammtischler, die sich spontan mit roten Pappnasen fastnächtlich in Stimmung brachten oder Vorstandssitzungen von Vereinen, die mit Narri und Narro eröffnet und beschlossen wurden. Nicht nur aus „Wenn die Narren Trauer tragen“, sondern aus eigenem Erleben wissen wir, dass sich in Bonndorf „die Dinge erdrutschartig entwickelt“ hatten. Ein Zug von 400 Narren mit anschließender Rathausstürmung zog von der Bahnhofstraße zum Rathaus und hatte gar eine höchst offizielle Umzugsgenehmigung des Rathauses vorzuweisen. Der damalige Bürgermeister Peter Folkerts und weitere Akteure bereiteten damit dem Narrenrat wahrlich keine Freude. Dieser hatte nämlich gute Gründe erkannt, große Zunftveranstaltungen abzusagen und gehofft, die Narren würden den gewährten Freiraum nutzen, nicht ausnutzen. So aber geriet, der wilde Narrensprung 1991 beinahe zu einer Machtdemonstration.

Plakette „Ich war dabei“

Insgesamt hatte der Vorfall aber keinerlei negative Folgen; denn in den Jahren danach wurde Fastnacht wie eh und je gemeinsam vereint mit Pflumeschluckern, Hemdglunkis, Narren- und Guggenmusik, Narrensamen und mit dem Narrenrat gefeiert. Und selbst die Metallplaketten mit der Aufschrift „Ich war dabei“, die einige Pflumeschlucker bis heute an ihrem Häs zu Schau stellen, lässt der Narrenrat als das, was es auch immer hätte sein sollen, gelten: „Die Freiheit jedes Narren, der Welt den Spiegel vorzuhalten und seine eigene Narretei auszuleben“.

Die Plaketten „Ich war der dabei“ erinnern an den 1991 inszenierten wilden Narrenumzug von der Vorstadt zum Rathaus.
Die Plaketten „Ich war der dabei“ erinnern an den 1991 inszenierten wilden Narrenumzug von der Vorstadt zum Rathaus. | Bild: Erhard Morath

In Villingen, Schramberg, Rottweil, aber auch in Möhringen oder Bräunlingen, selbst in dem benachbarten Stühlingen kam es zu spontanen Lichtblicken einer vermeintlich abgesagten Fastnacht, die sich durch Presseberichte, Irritationen in der Kommunikation, Gegnern der Fastnacht oder alternativen Moralaposteln nicht hatte „wegbürsten“ lassen. Dass die Basler Fastnacht 1991 eine Woche nach der schwäbisch-alemannischen Terminierung stattfand, darf der Vollständigkeit im Rahmen dieses Rückblicks nach 30 Jahren nicht unerwähnt bleiben.