Ein Projekt mit Schülern brachte Emil Kümmerle dereinst auf die Idee, Sagen und Geschichten aus der Region zu sammeln. Das Ergebnis des Gemeinschaftswerkes hat er in einem Buch zusammengefasst. In dieser Zeitung veröffentlichten wir einige Auszüge aus diesen Geschichten. Zum Abschluss der Serie spricht der einstige Hauptschullehrer darüber, was ihn daran besonders faszinierte.
„Ich war auf der Suche nach Geschichten und habe dabei liebenswerte Menschen gefunden“, zieht Emil Kümmerle Bilanz. Tatsächlich entwickelte der anfängliche Gedanke, gemeinsam mit Schülern Sagen aus der Region zusammen zu tragen, eine erstaunliche Dynamik. Weit über die Ortsgrenzen hinweg begegnete Emil Kümmerle dabei Menschen, die nicht nur einen enormen Wissensschatz über ihre Heimat in sich trugen, sondern auch spannende Geschichten dazu erzählen konnten – und sogar beachtliches künstlerisches Talent hatten.
Etwa Franz-Josef Binninger. „Der war ein Phänomen“, zollt Kümmerle dem Altbauern vom Ewattinger Bruderhof Respekt. Mit ihm stand er nicht nur in engem persönlichen Kontakt, sondern pflegte auch einen regen Briefwechsel. Aus der förmlichen Anrede „Sehr geehrter Herr“ wurde alsbald „Lieber Freund“. Der Mann vertraute ihm außer zahlreichen Sagen viele Interna aus der Ortsgeschichte an, was nicht selbstverständlich war. Auch Gedichte, die er selbst verfasst hatte. Und er stellte Kontakte zu anderen Zeitgenossen her, die ihrerseits mit interessanten Geschichten aufwarten konnten. Freundschaften entwickelten sich im Lauf der Zeit aus vielen diesen Begegnungen.
Unter anderem zu Martin Schwemmer aus Aselfingen, der sich in den „Erzählungen des alten Waldhüters von Mundelfingen“ intensiv mit der Geschichte der Ritter von Hardegg befasst hatte. Ein unvergesslicher Weggefährte für Emil Kümmerle war der Brunnaderner Maler und Dichter Gottfried Eichkorn, dessen künstlerisches Wirken er in Fotografien festgehalten hat. Eichkorns Überlieferungen sind denn auch eine wesentliche Grundlage für die Ortschronik von Brunnadern, an der Kümmerle derzeit arbeitet.
Alte Überlieferungen aus der näheren Umgebung sind zweifelsohne eine Bereicherung für Menschen, die sich für geschichtsträchtige Örtlichkeiten interessieren. „Eine zerfallene Burgruine, eine finstere Höhle, ein markanter Fels oder ein einsames Wegkreuz wecken von sich aus Stimmungen, Gefühle oder Erinnerungen“, sagt Emil Kümmerle. „Wird dann eine Sage noch am jeweiligen Schauplatz erzählt, kommen weitere Assoziationen hinzu, der Ort gewinnt ‚Geschichte‘, man sieht ihn mit anderen Augen.“ Eine frühere Schülerin habe ihm beispielsweise bei einer Gelegenheit erzählt, dass sie nach dem Schulprojekt gemeinsam mit einer Freundin bei der Burg Roggenbach versucht habe, den dort vermuteten Schatz auszugraben. Vergeblich – wie man sich denken kann. Viele Sagen werden auch durch herausragende Persönlichkeitsmerkmale geprägt. Wenn etwa Protagonisten als besonders schlitzohrig, jähzornig, großherzig oder verschwenderisch beschrieben werden.
Nach der Veröffentlichung der Sagen trudelten bei Emil Kümmerle einige Ergänzungen oder Berichtigungen ein. So wurde ihm die eindrucksvolle Wallfahrt nach Dillendorf beschrieben, die dereinst den Bettmaringern nach langer Trockenperiode den ersehnten Regen bescherte. Korrigieren hingegen musste er die Geschichte des Ewattinger Riesen Däschle, der offenbar nicht Leo, sondern Josef geheißen habe.
Und weil das Besondere an Sagen deren Lebendigkeit ist, dass darin Fantasie und Wirklichkeit nahtlos ineinander übergehen und vom jeweiligen Erzähler individuell interpretiert werden können, lässt erahnen, dass die bereits bekannten Sagen und Geschichten aus der Region auch in Zukunft nicht in Vergessenheit geraten dürften.