Martha Weishaar

Auch in Wellendingen soll es dereinst Adlige gegeben haben, die in einem Wasserschloss residierten. Schloss und Adel sind längst dahin, doch die Nikolauskirche erinnert noch heute an jene Ära.

Dass die Wellendinger Kirche dem Heiligen Nikolaus geweiht ist, soll nämlich mit dem einstigen Dorfadel zusammenhängen. Ein Ritter aus Wellendingen sei mit einem der Kreuzzüge ins Heilige Land gezogen und bei einem Gemetzel in Palästina schwer verwundet worden, erzählt die Überlieferung.

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Inmitten toter Männer und Pferde sei der junge Held aus tiefer Bewusstlosigkeit aufgewacht. Unter größten Mühen und Schmerzen habe er sich aus dem Wirrwarr toter Leiber befreien können. In seiner grenzenlosen Einsamkeit habe er befürchtet, seine Heimat im Schwarzwald nie wieder zu sehen. In seiner Verzweiflung habe der Recke zu Gott und dem Heiligen Nikolaus gebetet. Letzterem habe er versprochen, eine Kapelle zu erbauen, sollte er wider Erwarten doch noch nach Hause kommen.

Ein Ritter soll während des Kreuzzugs übelste Verletzungen erlitten und geschworen haben, dass er in Wellendingen zu Ehren des heiligen ...
Ein Ritter soll während des Kreuzzugs übelste Verletzungen erlitten und geschworen haben, dass er in Wellendingen zu Ehren des heiligen Nikolaus eine Kapelle errichtet, falls er wieder nach Hause komme. | Bild: Martha Weishaar

Entgegen aller Annahmen sei der Ritter zurückgekehrt. Beim Anblick seines Elternhauses sei er überwältigt mit einem Dankgebet nieder gekniet und habe an jener Stelle eine Kapelle zu Ehren des Heiligen errichten lassen – den Vorgänger der heutigen Nikolauskirche.

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Diese entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte zu einem Wallfahrtsort für Menschen aus der ganzen Region, wurde doch den Bitten an die Vierzehn Nothelfer in der Wellendinger Kirche wundersame Heilungen zugeschrieben. Daraus entwickelte sich im 15. Jahrhundert unter anderem eine Wallfahrt nach Todtmoos. „Todtmooser Wald“ und „Todtmoos-Weg“ erinnern heute noch daran.

Der Geist des armen Schuhflickers

Freilich fehlt es auch den Wellendinger Überlieferungen nicht an einer Geistergeschichte. Ein vermeintlich bettelarmer, lediger Schuhflicker sei nach seinem Tod nächtens seiner Schwägerin erschienen, um ihr mitzuteilen, dass er ein paar hundert Gulden in Gold angespart habe und dieses Geld mit ihm begraben worden sei.

Mit Einverständnis des Pfarrers habe der Bruder des Verstorbenen schließlich das Grab geöffnet und tatsächlich einen Beutel voller Geld auf der Brust des Leichnams gefunden. Damit hatte der Spuk ein Ende und die Seele ihre Ruhe gefunden.

„Amtmann“ macht von sich Reden

Die Geschichte vom „Mühlixander“ klingt derweil gar nicht so unwahrscheinlich und erinnert in manchen Teilen an Gottfried Kellers Klassiker „Kleider machen Leute“. Der um 1870 Geborene habe es „dick hinter den Ohren“ gehabt und sei gerne in „höher gestellten“ Rollen aufgetreten.

Ob als Amtmann, Pfarrer oder Lehrer – der „Mühlixander“ soll bei vielen Gelegenheiten weit über die Grenzen Wellendingens auf sich aufmerksam gemacht haben. So sei er bei einem Großbrand in Unterwangen in Gehrock und Zylinder als „Amtmann von Bonndorf“ zur Inspektion erschienen und habe zweifelhafte Befehle erteilt.

„Große Bühne“ habe er anlässlich eines Lehrerwechsels in Röthenbach genossen. Wie auch immer hatte der „Mühlixander“ erfahren, dass der neue Lehrer erst einen Tag später als angekündigt erscheinen würde und sprang in die Bresche. Schüler trugen Gedichte vor, der Kirchenchor sang zu seinen Ehren, Bürgermeister, Pfarrer und Gemeinderat hielten würdevolle Ansprachen, ehe im Gasthaus großartig gefeiert wurde und der „neue Lehrer“ seine Ideale und künftige Arbeit vorstellte.

Auch anlässlich einer Kriegerdenkmaleinweihung in Birkendorf soll der kecke Wellendinger eine gewichtige Rede geschwungen haben, die allenthalben Beifall fand. Der Müllerbursche schien vor nichts zurück zu schrecken. Selbst die Beichte soll er als Geistlicher verkleidet abgenommen haben.

„Immer noblesse“ sei der Grundsatz des humorigen Originals gewesen. Und manch ein Wellendinger soll seine helle Freude daran gehabt haben, wenn der Mühlixander mal wieder alle ach so wichtigen Persönlichkeiten um sich herum gehörig verschaukelte.