Von Peter Schütz

Carsten Quednow ist eigentlich ein besonnener Mann. Aber wenn die Rede auf die Albtalstraße kommt, platzt dem Bürgermeister von Görwihl schon mal der Kragen. „Das Regierungspräsidium muss jetzt in die Gänge kommen“, forderte er im Gemeinderat. Quednow kritisiert, dass sich seit der vor fast einem Jahr erfolgten Sperrung der Albtalstraße zwischen der Tiefensteiner Brücke (Gemeinde Görwihl) und Hohenfels (Gemeinde Albbruck) wenig getan hat. „Seit der Sperrung gibt es keine neuen Erkenntnisse“, erklärt er. „Ich werde als Bürgermeister nicht Ruhe geben“, so Quednow weiter, „es muss Mittel und Wege für eine andere Lösung als die Sperrung geben“. Bei der Albtalstraße handelt es sich um eine Landesstraße (L 154). Sie gilt als historisch wichtige und regional bedeutsame Fahrstraße zwischen St. Blasien und Albbruck.

Am 26. Mai 2015 informierte das RP Freiburg, dass die L 154 zwischen Hohenfels und Tiefenstein ab sofort aus Gründen der Verkehrssicherheit gesperrt wird. „In der Felskulisse oberhalb der Fahrbahn befinden sich zahlreiche Ansammlungen von großen Felsblöcken, die sich durch Verwitterung gebildet haben“, hieß es in der Pressemitteilung, „aus diesen Felsansammlungen können sich jederzeit einzelne Blöcke lösen und auf die Straße fallen“. Es sei zu klären, ob und wie die Felskulisse im Albtal gesichert werden kann oder unter welchen Voraussetzungen eine Beräumung der Felsbrocken möglich wäre. Mitte Juli tauchte ein Ingenieurgeologisches Gutachten zur Steinschlag- und Felssturzgefährdung im Internet auf. Im Kern hielt es fest: „Es können derzeit keine konkreten Sicherungsmaßnahmen vorgeschlagen werden, da jedwede halbwegs gesicherte Planungsgrundlage fehlt und erst durch künstliche Aufschlüsse geschaffen werden müsste.“

Das Gutachten listete für den 2,6 Kilometer langen Bereich 33 Gefahrenstellen auf. Davon wurden fünf Stellen mit „sehr hoher Gefährdung“, 19 mit „hoher Gefährdung“ und neun mit „mittelmäßig gefährlich“ bewertet. Die Reaktion von Stefan Kaiser, Bürgermeister von Albbruck: „Auf die Dauer ist die Sperrung der Albtalstraße untragbar. Es handelt sich um eine historische Straße, die für die Verkehrsanbindung des Albtales bis St. Blasien nach wie vor sehr wichtig ist. Sie ist für uns auch von touristischer Bedeutung. Außerdem ist sie in der Liste der unbeweglichen Bau- und Kunstdenkmale in Baden-Württemberg als denkmalgeschützt zu finden, es wird also nicht so einfach sein, sie abzuhängen.“ Das vorliegende Gutachten zeige akute Gefährdungen, „deshalb ist es richtig, die Straße vorübergehend zu schließen“ so Kaiser. Aber: „Darüber hinaus muss dringend ein technisches Gutachten erstellt werden, in dem die baulichen Möglichkeiten im Zusammenhang mit den Sicherungsvorkehrungen erstellt werden – inklusive einer Kostenermittlung. Daraus ist dann ein Maßnahmenplan zu entwickeln. Da sehe ich das Land Baden-Württemberg in der Pflicht.“

Am 12. Mai, also fast ein Jahr nach der Sperrung, traf das lang erwartete Gutachten ein. Darin wird erklärt, dass für eine Wiederfreigabe der Strecke Aufwendungen von 2 bis 2,8 Millionen Euro notwendig sind und in einem zweiten Schritt weitere kostenträchtige Maßnahmen anstehen werden. Das Gutachten sieht für eine Wiederfreigabe der Strecke unter anderem einen Rückschnitt des Bewuchs zur Wegnahme des Wurzeldrucks sowie die Entfernung von Felswänden entlang der Straße vor. Darüber hinaus müssen konstruktive Maßnahmen als Sofortsicherung und technische Sicherungen für weitere gefährdete Bereiche umgesetzt werden.

Eigentlich sollte diese Erklärung etwas Ruhe in die Sache bringen – tut sie aber nicht. Vor zwei Wochen einigten sich die Bürgermeister Carsten Quednow, Stefan Kaiser, Helmut Kaiser (Dachsberg) und Rainer Fritz (St. Blasien) mit Landrat Martin Kistler auf eine Informationsveranstaltung am 18. Mai in Tiefenstein. Die vier Bürgermeister vertreten mit Kistler die Auffassung, „dass eine potenzielle dauerhafte Sperrung der Strecke nur die Ultima Ratio sein darf“. „Die Albtalstraße mit ihren Tunneln als Denkmal und Wahrzeichen der Baukunst und der Baufertigkeiten des 19. Jahrhunderts liegt uns alle am Herzen“, ließen der Landrat und die Bürgermeister verlautbaren. Jeder Abbau von Infrastrukturen sei „ein weiterer Mosaikstein, der den Ländlichen Raum in seinem Bestand und seiner Entwicklung benachteiligt“.

An einer Protestaktion im Dezember 2015 äußerte Bürgermeister Rainer Fritz die Befürchtung: „Je länger die Sperrung dauert, um so einfacher wird es sein, zu argumentieren, die Straße bleibt zu.“ Roland Lauber, Gemeinderat aus Görwihl: „Wir bemühen uns, den Tourismus im Hotzenwald aufrecht zu halten. Man kann jedoch nicht Touristen anlocken wollen und dann eine der schönsten Attraktionen.“ Er berichtete von Schweizer Touristen, die ihr Bedauern über die Straßensperrung geäußert haben. Lauber weiter: „Schade, dass so etwas unter einer grünen Regierung passiert.“

Chronologie: Vom Felssturz zur Sperrung bis zum Protest

  • Was ist geschehen? Nach einem Felssturzereignis am 25. Juli 2013 hat das Landratsamt (LRA) Waldshut das Referat 95 am Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) im Regierungspräsidium Freiburg beauftragt, ein ingenieurgeologisches Gutachten zur Steinschlag- und Felssturzgefährdung der Albtalstraße zwischen Albbruck und Tiefensteiner Brücke anzufertigen. Die Ergebnisse wurden vorab in verschiedenen Behördenbesprechungen diskutiert und am 19. Juni 2015 dem Landratsamt Waldshut in schriftlicher Form mit folgenden Kernaussagen zugestellt: Die Albtalstraße L 154 ist von Steinschlag- und Felssturzgefahr betroffen. Sie kann nur für den öffentlichen Verkehr geöffnet werden, wenn umfangreiche Sicherungsmaßnahmen nach einer weiteren intensivierten Gefahrenkartierung ausgeführt sind.
    Die für die Verkehrssicherungspflicht der Albtalstraße zuständige Behörde ist allein das Landratsamt Waldshut.
  • Wie ging es weiter? Das LGRB hat aufbauend auf sein Gutachten dem LRA Waldshut ein konkretisierendes ingenieurgeologisches Gutachten durch ein privates Ingenieurbüro empfohlen. Das LRA Waldshut hat mit diesem Gutachten das Ingenieurbüro Geoplan, Weimar, beauftragt. Dieses Gutachten lag im Entwurf im Dezember 2015 vor und wurde am 21. Januar 2016 im Landratsamt Waldshut diskutiert. Der Gutachter bestätigt den vom LGRB aufgezeigten Sicherungsbedarf.
  • Was wurde beschlossen? Es herrschte Übereinkunft, dass bis zur Umsetzung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen die Albtalstraße im betroffenen Streckenabschnitt zwischen dem ersten Tunnel im Südosten und der Tiefensteiner Brücke im Nordwesten für den öffentlichen Verkehr aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben muss. Die Realisierbarkeit der erforderlichen umfangreichen Sicherungsmaßnahmen wird zudem derzeit naturschutzfachlich und naturschutzrechtlich bewertet, Da es sich um ein FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat, ein Naturschutzgebiet) handelt, sind die Voraussetzungen für Eingriffe in dieses Gebiet besonders streng.
  • Was steht an? Am Mittwoch, 18. Mai, 18.30 Uhr an der Tiefensteiner Brücke, informieren das Landratsamt und die Bürgermeister von Görwihl, Albbruck, Dachsberg und St. Blasien über den Sachstand und das Vorgehen bei der Albtalsperrung. (psc)