Grenzach-Wyhlen – Umrankt von Brombeerhecken und Gestrüpp, alten Nussbäumen, ungepflegten Schotterwegen und von einer uralten Schranke abgegrenzt – so präsentiert sich seit Jahrzehnten mit den „Schachthäusern“ ein Stück Wyhlener Ortsgeschichte. Sie reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück und trotzte den Wirren der Jahrhunderte. Jetzt ist sie dem Verfall preisgegeben.
Der Heimatforscher Erhard Richter, der vor wenigen Jahren starb, bezeichnete diesen Ort in einem Beitrag für diese Zeitung aus dem Jahr 2017 als Siedlung namens Linda, die 1276 unweit des „Schachts“ am Rhein gelegen haben muss. „Damals verpfändete dort Wernherus monetarius (Münzmeister) Basiliensis dem Waltherus von Kienberg und seinem Sohn Wernher für 21 Mark seine Güter im Banne von Linda“, schreibt Richter in seinem damaligen Zeitungs-Beitrag.
In einem Zinsbuch des Klosters St. Alban werden die Linda-Siedlung und Wyhlen unter dem Ortsverzeichnis gesondert aufgeführt. Er ging davon aus, dass die Eigenständigkeit der Linda-Siedlung bis ins 15. Jahrhundert bestanden haben muss und darüber hinaus. Denn im Jahr 1726 werden Reben „zue Lind“ und im Jahr 1838 Äcker „beim Lind“ genannt.
In seinen weitreichenden Arbeiten teilt Erhard Richter darüber hinaus mit, dass noch heute der Name „Linda“ in den Flurnamen „Lindhölzle“ und „Lindweg“ weiterlebt und der Lindweg, der im Jahr 1436 erstmals erwähnt wurde, einst vom Dorf Wyhlen zur Siedlung Linda führte. Der Ortsname Linda könne laut Richter sprachlich auf zweierlei Weise gedeutet werden, nämlich als Lint-ahi als Ort, wo Linden stehen, und als Lint-aha als Lindenbach. Da diese Siedlung aber nie an einem Bach lag, komme nur die erste Deutung in Betracht, so Richter.
Heute zeugen indes halb verfallene Häuser aus einer ganz anderen Zeit, unweit des Schachts in Wyhlen, von der Industrialisierung im 20. Jahrhundert. Damals wurde in jenem Gebiet bereits seit vielen Jahren Salz gewonnen. Nachdem der bergmännische Abbau jedoch aus geologischer Sicht immer schwieriger wurde, wurde später durch Ernest Solvay Salz durch eine vollgesättigte Sole gewonnen.
Als Lost Place im Bereich der ehemaligen Linda-Siedlung kann man indes die aus der Zeit der Salzgewinnung stammenden mehr oder weniger zerfallen Gebäude bezeichnen, die als Schachthäuser die Mitarbeiter der Solvaywerke beherbergten. Die Häuser sind bereits so zerfallen, dass selbst aus dem Innern der eingestürzten Dächer Bäume und allerlei Sträucher wachsen. Seit Jahrzehnten sind die Häuser, die sich heute im Privatbesitz einer Familie aus Wyhlen befinden, dem Verfall preisgegeben und dienten in jüngster Vergangenheit lediglich einmal als Kulisse und als Umfeld für die Veranstaltungsreihe „Klassikanderswo“. Bei genauerem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass in einem der im Stil von Shedbauten einst erstellten Häusern eine Behausung eingerichtet wurde, obwohl die Besitzerfamilie versicherte, dass weder Strom noch Wasser in den Ruinen vorhanden sind.
Unter dem Motto „Die Geister von Linda sind erwacht“ erfuhr die Geschichte der Lost Places am Wyhlener Schacht erst vor zwei Jahren eine Wiedergeburt. Damals gründete sich in Wyhlen eine neue Fasnachtsclique, die seither unter dem Namen Linda-Geischter unterwegs ist. Auch die Linda-Geischter beziehen sich auf die ehemals eigenständige Siedlung Linda, wo einst zahlreiche Lindenbäume gestanden haben müssen. Die Bewohner lebten derweil in den Tag hinein, seien inkonsequent und flippige Gefährten gewesen, so besagt es zumindest die Überlieferung.
Erhalten ist auch die Sage, dass die Menschen in der Siedlung Linda an Geister glaubten, von denen sie sich Schutz für ihre Häuser und ihr Vieh erhofften. Dies sei jedoch nicht auf ewig gut gegangen und so ging nicht nur Linda unter, sondern die Geister verloren auch ihre Heimat. Verschwunden seien die Geister jedoch nicht, sondern sie suchten sich neue Verstecke und sollen noch heute unter den Menschen leben, so die Linda-Geischter in ihrer Legende. Und wenn man die Lost Places am Schacht besucht, keimt unweigerlich das Gefühl auf, dass an der Legende von den Linda-Geischtern auch etwas Wahres dran sein könnte.