Auf offener Straße wurde an einem hellheiteren Mittwochnachmittag in Hohentengen ein als Mafia-Boss per internationalem Haftbefehl gesuchter Italiener verhaftet, lasen die darob verblüfften Bewohner der 4000-Seelen-Gemeinde Anfang Februar 1997 im Alb-Bote. Der 41-Jährige war in Begleitung von zwei in Hohentengen wohnenden Landsleuten, bei denen er untergeschlüpft war. Der unbewaffnete Mann war völlig überrascht und leistete keinen Widerstand.
Bei dem nach umfangreichen Ermittlungen von einem Spezialkommando des Landeskriminalamts (LKA) festgenommenen Mann handelte es sich um einen Clan-Chef der süditalienischen Mafia-Organisation N‘drangheta. Seine Bande soll versucht haben, eine ganze Region in Kalabrien unter ihre Kontrolle zu bringen. Dem Clan wurden Tötungsdelikte, Verstöße gegen das Waffengesetz und weitere Straftaten vorgeworfen.
1996 Verhaftung des Bruders
Bereits im Dezember 1996 war in der Schweiz der Bruder des 41-Jährigen verhaftet worden. Beide hätten, so das LKA, den Clan gemeinsam geführt. Der 41-Jährige hielt sich seit zwei Wochen in Baden-Württemberg auf. Er hatte gefälschte Ausweispapiere dabei, konnte anhand von Fingerabdrücken jedoch eindeutig identifiziert werden. Bereits anderntags kam der 41-Jährige in Auslieferungshaft. Für das LKA stellten die Mafia-Aktivitäten im süddeutschen Raum nichts Neues dar: „Auch in Baden-Württemberg unterhält die Mafia Stützpunkte, die sowohl für Fluchtmaßnahmen ihrer Mitglieder als auch für die Vorbereitung von Straftaten dienen“, so das Landeskriminalamt.
Ob es sich auch bei der Wohnung in Hohentengen um einen solchen Stützpunkt handelte, war laut LKA noch ungeklärt. Die Begleiter des Mannes waren wieder auf freiem Fuß, offen war auch, ob sie die wahre Identität des Mafia-Bosses kannten. Gegen die beiden Italiener, in deren Wohnung der 41-Jährige untergeschlüpft war, lag nichts vor. Beide waren berufstätig und unter ihren richtigen Namen gemeldet. Die Rolle der beiden Männer in dem Fall werde jedoch noch näher untersucht, so das LKA.