Seit dem Mittelalter bereits war Jestetten, wie das gesamte Hochrheingebiet, von Weinbau geprägt. Urkundlich erwähnt wurden Jestetter Reben erstmals im Jahr 1330, als die Herren vom Düssital – dort stand seinerzeit eine Burg – im Birret einen Weinberg als Lehen hatten.
Das Gemeindearchiv Jestetten weist im Jahr 1832 134,55 Hektar Rebflächen aus. In Altenburg waren es seinerzeit 47,87 Hektar. Doch nach und nach verschwanden die Weinberge in der östlichsten Landkreisgemeinde. Einerseits lag es an der Industrialisierung, außerdem tranken die Menschen mehr Bier und der aufkommende Kaffeegenuss senkte den Weinkonsum. Schädlinge, wie die, aus Nordamerika eingeschleppte Reblaus, taten das Übrige. Schließlich verschwanden die Weinberge in Jestetten zwischen den Weltkriegen. Lediglich das Jestetter Ortswappen zeugt noch immer von der Bedeutung des Weinbaus.
Doch ganz verschwunden ist der Rebbau in Jestetten noch nicht. Einzelne Weinliebhaber pflegen weiterhin ihre kleinen Rebflächen, die wie Inseln in den größtenteils verwilderten Weinbergen aus glorreicher Vergangenheit herausragen. Einer dieser Hobbywinzer ist Kuno Bühler, der am Kapellenberg oder auch Loretoberg, unterhalb der gleichnamigen Kapelle am Standort der ehemaligen Edenburg, seine Reben pflegt und so, Jahr für Jahr, rund 100 Liter Riesling produziert.
In diesem Jahr wachsen die Trauben besonders gut und Bühler freut sich schon auf die Lese, die wohl in zwei Wochen stattfinden wird. „Jetzt will ich die sonnigen Tage noch ausnutzen, denn sonnige Spätsommertage sind für die Trauben optimal“, sagte der 84-jährige im Gespräch mit dieser Zeitung. Bis vor Kurzem hat Bühler noch eine weitere Rebfläche auf der Löhr bewirtschaftet, doch aus Altersgründen wollte er etwas kürzer treten.
Ausgebaut wird der Bühler‚sche Wein im alten Gewölbekeller seines Hauses im Winkel, das eben aus dieser Zeit stammt, als der Weinbau in Jestetten noch prosperierte. Bei gleichmäßig kühler Temperatur kann der Wein zu einem ausgezeichneten Tropfen entwickeln, wie der Autor dieser Zeilen sich überzeugen konnte. So bleibt zu hoffen, dass der eine oder die andere Jestetterin den Weinbau als Hobby entdeckt und die alte Tradition vielleicht in größerem Stil wiederbelebt wird.