Martina David-Wenk

Mehr als 30 Hausärzte wollen im Kreis Lörrach in den nächsten fünf Jahren ihre Praxis abgeben, aber die wenigsten haben einen Nachfolger. Um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, setzt der Landkreis auch auf eine Nachwuchsoffensive. Ein Netzwerk von ausbildenden Hausärzten, Kliniken und jungen Medizinern soll Studierende mit Interesse an der Allgemeinmedizin ansprechen und fördern. Der Kreis und das Ärztenetzwerk Dreiländereck trafen mit ihrer Informationsveranstaltung im Brauhaus Lasser in Lörrach auf großes Interesse.

Die Gesundheitskonferenz des Kreises hatte in ihrem Bericht zur hausärztlichen Versorgung 2017 eine paradoxe Situation vorgefunden. Denn laut der Definition der Kassenärztlichen Vereinigung ist der Landkreis mit Ärzten überversorgt; bei einer kleinräumigen Betrachtung stellte sich nach Auswertung der Umfrage unter den Praxen im Kreis indes eine ärztliche Unterversorgung vor allem im Bereich Mittleres Wiesental heraus. Doch wie lassen sich junge Studierende vom Fach Allgemeinmedizin überzeugen und wie sind diese dann auch noch in den Kreis Lörrach zu locken?

Michael Maraun, Chefarzt der inneren Medizin am Schopfheimer Standort der Kreiskliniken, sprach von der „Freiburg-Verliebtheit“ der Studierenden, die es aufzubrechen gelte. Michael Hornemann vom Ärztenetz Dreiländereck betonte: „Wir haben einiges zu bieten, wir haben gute Leute, tolle Praxen, die Studierenden sind erstaunt, wie vielfältig die Arbeit ist.“

Wer sich für den Facharzt in Allgemeinmedizin entscheidet, muss in fünf bis sechs Jahren so ziemlich alle Gebiete der Medizin durchlaufen haben. Vom „Primararzt“, wie es in der Schweiz heißt, sprach Paula Hezler-Rusch, die Vizepräsidentin der Bezirksärztekammer Südbaden. Dieser Arzt, der zuerst kontaktiert wird, brauche deshalb auch ein breites Wissen. Von der Anpassung der Strukturen spricht Irmgard Streitlein-Böhme, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrbereich Allgemeinmedizin der Universität Freiburg. Jungmediziner und vor allem Jungmedizinerinnen, so Irmgard Streitlein-Böhme, wollen in Teams arbeiten, auch in Teilzeit. Der Allgemeinmediziner sei für viele ein Einzelkämpfer. Informationsdefizite und Mythen gelte es zu beseitigen.

Vor allem mit Bild des Landarztes und der Landarztpraxis gilt es aufzuräumen. Martin Honeck aus Todtnau spricht vom attraktiveren Berufsbild gegenüber dem Kollegen in der Stadt. „Bei uns kann man noch wirklich etwas machen, in den Städten besteht ein Großteil der Arbeit nur aus Überweisungen schreiben“, schildert der Mediziner des Gesundheitszentrums Todtnau. Drei Wohnungen hat das Gesundheitszentrum, um jungen Ärzten in Ausbildung die Entscheidung für den Hochschwarzwald zu erleichtern. Denn gerade das inzwischen bis in den ländlichen Raum spürbare Wohnungsproblem im Kreis Lörrach halte viele junge Ärzte von einer Weiterbildung im Südwesten ab, weiß Sonja Wagner von der Gesundheitskonferenz des Landkreises, die seit 2011 existiert.

Der Kreis finanziert eine Weiterbildungsstelle in den Kliniken, ein Großteil der Medizinstudenten kommt aus Südbaden. Diese langfristig hier zu halten, ist ein Ziel der Gesundheitskonferenz. Denn obwohl die Missstände – zu viel Bürokratie, zu viel Arbeit, schlechte Bezahlung – in der vom Kreis durchgeführten Umfrage unter den Ärzten benannt wurden, sind doch die allermeisten in ihrem Beruf glücklich. Der Kreis will den Allgemeinmedizinern die Wertschätzung zukommen lassen, an der es infolge diverser Gesundheitsreformen mangelt.