Ursula Freudig

Männer blicken konzentriert in den blauen Himmel, ihre Hände bedienen ein Steuergerät, das an Haltegurten in Bauchhöhe hängt. Sie lenken Mo-dellflugzeuge, die oft kaum noch sichtbar, hoch oben elegant ihre Kreise ziehen. Auf dem Hungerberg bei Indlekofen ist dies ein vertrauter Anblick, denn dort hat der Modellflugverein Hungerberg Waldshut-Tiengen sein Domizil. Regelmäßig kommen die zum allergrößten Teil männlichen Vereinsmitglieder bei gutem Wetter zusammen, um ihrem Hobby nachzugehen. „Es ist hier oben ideal mit der Natur ringsum“, sagt Vorsitzender Ueli Essig.

„Man lernt viel, viele Piloten haben ihre Berufslaufbahn als Modellflieger begonnen.“Ueli Essig, Vorsitzender des ...
„Man lernt viel, viele Piloten haben ihre Berufslaufbahn als Modellflieger begonnen.“Ueli Essig, Vorsitzender des Modellflugvereins Hungerberg Waldshut-Tiengen. | Bild: Ursula Freudig

Wie gut die Hälfte seiner Vereinskollegen auch, kommt er aus der Schweiz. Fast 700 Meter hoch liegt die Graspiste des Modellflugplatzes, auf der die Vereinsmitglieder die Modelle starten und landen. Die kleinsten haben eine Spannweite von etwa einem Meter und wiegen rund ein Kilo. Die großen können von Flügelspitze bis Flügelspitze bis zu sechs Meter messen und ein Gewicht von rund 15 Kilo haben. Bis maximal 25 Kilo Abfluggewicht hat der Verein eine Aufstiegsgenehmigung. Die Graspiste ist mit rund 15 mal 120 Metern sehr großzügig, was auch mal landen außerhalb der Ideallinie zulässt.

Volle Konzentration: Das Flugzeug des Piloten links ist im Landeanflug, die der zwei rechts sind noch hoch in der Luft.
Volle Konzentration: Das Flugzeug des Piloten links ist im Landeanflug, die der zwei rechts sind noch hoch in der Luft. | Bild: Ursula Freudig

Nach Aussage des Vorsitzenden sind aber grundsätzlich fundierte Kenntnisse nötig, um ein Modellflugzeug sicher zu steuern. Der Verein rät deshalb davon ab, allein Modellfliegen zu lernen, weil dies in der Regel nicht ohne Schaden abgehen würde. Einen Irrtum nennt Ueli Essig die Annahme, Modellflugzeuge seien ähnlich zu fliegen wie Drohnen: „Drohnen fliegen zu lassen ist viel einfacher, sie stehen allein in der Luft, Modellfliegen kann man mit ihnen nicht lernen, bei uns Modellflugpiloten sind Drohnen eher verpönt.“ Vor allem das Landen will beim Modellfliegen gelernt sein. „Fliegen heißt landen“ ist ein gängiger Spruch unter Modellfliegern. „Das Flugzeug fliegt einem entgegen, man muss die Flügel waagrecht halten, die Höhe und Sinkrate berücksichtigen und man hat nur einen Versuch“, umschreibt Vorsitzender Essig die Herausforderung.

Kleine Korrektur: Ernst Nägele stellt bei seinem Flugzeug das Höhenruder neu ein.
Kleine Korrektur: Ernst Nägele stellt bei seinem Flugzeug das Höhenruder neu ein. | Bild: Ursula Freudig

Auf den Punkt bringt es Platzwart Berthold Albiez: „Man ist immer froh, wenn man ohne Schaden zurückkommt.“ Von einem Original-Helikopter-Pilot hat Ueli Essig sogar einmal gehört, das ein Modell-Helikopter schwieriger zu landen sei als ein „richtiger“. Er selbst ist ein ebenso erfahrener wie begeisterter Pilot und einer der wenigen, der auch „bemannt“ fliegt: Im Cockpit seines gelben Seglers – Spannweite über vier Meter – sitzt ein süßer Clown, den seine Frau selbst gemacht und selbst bemalt hat. „Was auch passiert, der muss heil zurückkommen, sagt sie immer“, erzählt er. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Modellflugzeug auf dem Vereinsgelände abstürzt und zu Bruch geht.

Landeanflug: Felix Knecht steuert sein Modell sicher zu Boden.
Landeanflug: Felix Knecht steuert sein Modell sicher zu Boden. | Bild: Ursula Freudig

Erfahrung, Handfertigkeit, eine gute Beobachtungsgabe und das Wissen um die technischen Zusammenhänge sind nach Aussage des Vorsitzenden für unfallfreies Fliegen unumgänglich. Und natürlich ein gutes, konzentriertes Auge. Geflogen wird auf dem Hungerberg immer in Sichtweite in einer Höhe von im Schnitt 300 bis 400 Metern. Wer sein Flugzeug aus den Augen verliert, ist auf dem besten Weg es niemals oder als Trümmerhaufen wiederzusehen.

Schlepper gefragt: Schlepp-Pilot Felix Knecht befestigt das Seil an seinem Schleppflugzeug, das gleich den gelben Segler von Ueli Essig ...
Schlepper gefragt: Schlepp-Pilot Felix Knecht befestigt das Seil an seinem Schleppflugzeug, das gleich den gelben Segler von Ueli Essig in die Höhe bringen wird. | Bild: Ursula Freudig

Unachtsamkeit, Steuerungsfehler oder ein technischer Defekt sind häufig Ursache für einen Absturz. Wie jedes Fahrzeug und jede Maschine müssen auch Modellflugzeuge regelmäßig gewartet werden. Kommt es zu einem Absturz, ist dies auch ein finanzieller Verlust. Einfache Modellflugzeuge einschließlich Steuergerät sind schon ab 200 bis 300 Euro zu haben.

Süßer „Pilot“: Er sitzt im Cockpit des Seglers von Ueli Essig und ist bislang immer wieder heil auf die Erde zurückgekehrt. ...
Süßer „Pilot“: Er sitzt im Cockpit des Seglers von Ueli Essig und ist bislang immer wieder heil auf die Erde zurückgekehrt. Bild: Ursula Freudig | Bild: Ursula Freudig

Aber nach oben hin gibt es keine Grenzen. Viele 1000 Euro werden oft in noble Modelle investiert. Die Flugzeuge haben verschiedene Antriebsarten. Neben reinen Seglern, gibt es solche mit Elektromotor. Diese sind auf dem Hungerberg in der Mehrzahl. Auch zwei, drei größere Modelle mit Verbrennungsmotor sind dort im Einsatz. Als sogenannte Schleppflugzeuge ziehen sie die Segler mittels eines langen Seils nach oben. Kreist zu dieser Zeit gerade ein Raubvogel am Himmel, sucht der Steuermann des Seglers gern dessen Nähe, denn Vögel kreisen bevorzugt in begehrten Auftriebszonen. Je nach Thermik und Aufwind, sind die Modelle auf dem Hungerberg 10 bis 60 Minuten in der Luft und fliegen zwischen 50 und maximal 150 Stundenkilometer schnell. Die Gesetze des Fliegens, die dahinter stehende Technik und die Bauweise sind bei Modellen identisch zu denen der „richtigen“ Flugzeuge.

Faszination Fliegen: Für Modellflugzeug-Piloten ist sie auch spürbar, wenn man nicht im Cockpit sitzt, sondern das Flugzeug von der Erde ...
Faszination Fliegen: Für Modellflugzeug-Piloten ist sie auch spürbar, wenn man nicht im Cockpit sitzt, sondern das Flugzeug von der Erde aus steuert. | Bild: Ursula Freudig

Quer-, Höhen- und Seitenruder sind bei beiden grundlegend für die fliegerischen Eigenschaften. „Man lernt viel, viele Piloten haben ihre Berufslaufbahn als Modellflieger begonnen“, so Ueli Essig. Oft haben die Piloten eine enge Beziehung zu ihren Flugzeugen, weil sie zuvor viele Stunden in deren Zusammenbau investiert haben.

Das A und O: Das gelernte, richtige Bedienen der Fernsteuergeräte ist Voraussetzung für sicheres starten, fliegen und landen der Modelle.
Das A und O: Das gelernte, richtige Bedienen der Fernsteuergeräte ist Voraussetzung für sicheres starten, fliegen und landen der Modelle. | Bild: Ursula Freudig

Früher waren die Modellflugzeuge vielfach aus Holz, heute sind sie größtenteils aus leichten Kunststoffen und werden in der Regel als Bausatz verkauft. Bereits beim Zusammenbau ist Geschicklichkeit und Sorgfalt gefragt. „Je genauer und besser das Flugzeug zusammen gebaut ist, um so besser fliegt es“, sagt der Vorsitzende.

Eine Abwechslung zum Alltag

Für die Modellflieger auf dem Hungerberg ist ihr Hobby eine Abwechslung zum Alltag und ein Ausgleich zum Berufsleben. Das kameradschaftliche Miteinander und der Aufenthalt in der freien Natur sind für sie weitere Pluspunkte. Wettkämpfe bestreiten sie nicht, aber wenn befreundete Vereine da sind oder man zu Besuch bei ihnen ist, wird schon mal geschaut, wer am längsten oben bleiben kann oder die genaueste Landung hinlegt.

Ein friedliches Hobby

Für den Verein ist Modellfliegen ein absolut friedliches Hobby basierend auf einem rücksichtsvollen Miteinander. Laut Vorsitzendem Ueli Essig wird Indlekofen nicht direkt überflogen und besonders laute Maschinen werden an Sonntagen nicht gestartet. „Und wir haben ein gutes Einvernehmen mit den Landwirten, die hier oben ihre Felder bewirtschaften“, fügt er hinzu.

Modellflugverein Hungerberg

  • Gründung: Modellflugbegeisterte aus der Schweiz suchten eine größere Piste und kamen an ihrem Arbeitsplatz in Kontakt mit einem Indlekofener Landbesitzer. Von ihm pachteten sie schließlich vor rund 20 Jahren das Gelände auf dem Hungerberg. 2003 wurde aus der rund 16-köpfigen Gruppe ein Verein, der Mitglied im Deutschen Modellflieger Verband ist.
  • Mitgliedschaft: Aktuell zählt der Modellflugverein Hungerberg knapp 40 Schweizer und deutsche Mitglieder zwischen 30 und 75 Jahren. Bislang sind nur zwei Frauen aktive Modellflieger. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 70 Euro im Jahr. Der Flugplatz auf dem Hungerberg steht nur Vereinsmitgliedern offen, für Gäste ist eine Tagesmitgliedschaft möglich.
  • Neue Mitglieder: Der Verein freut sich über jedes neue Mitglied, besonders über jüngere. Anfänger können mit einem vereinseigenen Modell erste Flugversuche mit Begleitung machen, das heißt ein erfahrener Pilot kann jederzeit mit seinem Steuergerät eingreifen und Steuerfehler des Anfängers korrigieren. In Absprache mit dem Vorstand ist eine beitragsfreie Probemitgliedschaft im Verein für ein Jahr möglich.
  • Vereinsleben: Der Modellflugverein Hungerberg legt sehr viel Wert auf Kameradschaft und Hilfsbereitschaft. Neben dem Flugbetrieb wird regelmäßig gegrillt. Die Frauen der überwiegend männlichen Mitglieder sind ins gesellige Vereinsleben integriert. Die Geburtstage der Mitglieder werden gefeiert und andere Modellflugvereine sind zu Gast oder werden besucht. Auch Arbeitseinsätze stehen auf dem Programm wie Gras mähen und walzen der Piste im Frühjahr/Sommer und im Winter das Zurückschneiden von Gebüschen entlang der Piste.
  • Kontakt: Vorsitzende des Modellflugvereins sind Ueli Essig und Wolfgang Kohler. Sie sind erreichbar per E-Mail (Vorstand@mfv-hungerberg.de). Bis Oktober findet noch jeden Donnerstag bei gutem Wetter ab etwa 14 Uhr bis Sonnenuntergang das Feierabendfliegen statt. Interessierte können hier erste Eindrücke gewinnen. Wegbeschreibung zum Flugplatz und weitere Informationen gibt es im Internet (www.mfv-hungerberg.de).