Wann wohl werden unsere Nachkommen mit dem Schiff von der Nordsee durch den Rhein bis zum Bodensee oder ab Waldshut die Aare aufwärts durch den Genfersee bis zum Mittelmeer reisen können? Die Antwort auf diese am 2. Oktober 1958 in einem Artikel des Alb-Bote gestellte Frage lautet heute: Nie! Denn der vor rund 110 Jahren erstmals konkret geplante Ausbau des Hochrheins zur Großschifffahrtsstraße war und blieb Utopie.
Mehrere Anläufe für die Schiffbarmachung
Zunächst verzögerten die zwei Weltkriege die gemeinsam von Deutschland und der Schweiz gewälzten Ausbaupläne um Jahrzehnte, dann bremste mal die eine, dann wieder die andere Seite wegen ungelöster Finanzierungsfragen und schließlich sah die Wirtschaft, für die das alles gedacht war, ab den 1970er Jahren endgültig keine Notwendigkeit mehr für diese Wasserstraße.

Dabei hatte es einmal nahe gelegen, den uralten Verkehrsweg Hochrhein für die jetzt angelaufene Industrialisierung wiederzubeleben. Hunderte von Jahren waren der Hochrhein und seine Nebenflüsse Hauptverkehrswege, die auch Reisende nach Möglichkeit benutzten, um die unbequemen und gefährlichen Landstraßen zu vermeiden.
Für die bis ins 19. Jahrhundert florierende Binnenschifffahrt (Salz, Getreide, Stoffe, Wein) kam das Aus durch das neue Transportmittel Eisenbahn, die ab 1856 von Basel bis Waldshut fuhr und ab 1897 bis Konstanz.
Bedingungen waren gut
Eisenbahn und die andere epochale Erfindung jener Zeit, die Elektrizität, markierten den Beginn der Industrialisierung auch am Hochrhein. 1898 entstand in Rheinfelden das erste Flusskraftwerk, das den Bau der Aluminiumhütte nach sich zog.
Schlag auf Schlag wurden weitere Kraftwerke rheinaufwärts projektiert. Und alle hatten den Nebeneffekt, durch ihre Wehre den Fluss aufzustauen, ihn breiter und tiefer zu machen – die Voraussetzung für die Befahrbarkeit durch Großschiffe. Eigentlich fehlten nur noch Schleusen und Hafenanlagen. Dachte man. Deutsche und Schweizer Behörden und Ingenieure setzten sich zusammen und entwarfen erste Pläne.

Im letzten Friedensjahr des deutschen Kaiserreichs, 1913, wurde für die Schiffbarmachung besonders laut getrommelt. Am 19. März 1913 war im Alb-Bote von einer „stark besuchten Versammlung des Gewerbevereins Jestetten“ zu lesen, bei der unter anderem zum Ausdruck gebracht wurde, dass es „kaum bis 1925 dauern wird, bis man mit dem Schiff vom Meer zum Bodensee fahren kann“. Dieses optimistische Bild vom Ausbau wurde ein Jahr darauf durch den Ersten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre zunichte gemacht.
Die Schweiz und Baden schmiedeten Pläne
Erst 1929 kam wieder Bewegung in das Projekt. Hintergrund war die für die Schifffahrt rheinaufwärts bis Basel notwendige Fluss-Regulierung zwischen Kehl und Istein. Das Deutsche Reich und die Schweiz schlossen einen Staatsvertrag, in dem auch die Aufteilung der Baukosten geregelt wurde. Der Vertrag enthielt auch die von Deutschland gewünschte Vereinbarung, „dass im Zusammenhang mit der Regulierung des Rheins von Straßburg/Kehl bis Istein die Ausführung des Großschifffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee zu erstreben ist“.
Beide Regierungen kamen überein, „dass, sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung möglich erscheinen lassen“, die Schweiz mit dem Land Baden einen Vertrag über eine angemessene Kostenbeteiligung der Schweiz und die Ausführungsfristen abschließen werde.
Die Absicht zur „Erstrebung“ der Schiffbarmachung war jetzt zwar vertraglich erklärt, doch was unter „wirtschaftlichen Verhältnissen“ zu verstehen war, legte jede Seite so aus, wie es ihr gerade passte. Klar war jedenfalls: Schnell würde es mit der Schiffbarmachung nicht gehen. Denn erst mussten alle projektierten Rheinkraftwerke gebaut sein, deren Stauwehre die Voraussetzung für den Einsatz von Großschiffen waren.
Seit 1968 ist klar: Das Thema ist vom Tisch
Der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegsjahre legten die Schifffahrtspläne erneut auf Eis. Als die Schweiz und Baden-Württemberg das Thema wieder anpackten, wurde die Frage nach dem wirtschaftlichen Sinn dieser Schifffahrtsstraße immer lauter. Die Euphorie der Menschen der Gründerjahre, die sich so etwas wie ein „Ruhrgebiet am Hochrhein“ mit Massengut-Frachtern auf dem Fluss ausgemalt hatten, war verflogen.
Und vom Ausbau bis zum Bodensee wollte nicht nur Schaffhausen nichts mehr wissen, sondern auch die Landesregierung in Stuttgart. Sie wollte den Bodensee als Trinkwasserreservoir schützen. Am 26. Oktober 1963 erklärte sie ihre Absicht zum Ausbau des Hochrheins, jedoch nur noch bis Waldshut.
Schließlich dämmerte Behörden und Planern die Erkenntnis, dass sich das Projekt überholt hatte und der einst vermutete Bedarf nicht existierte. Im Herbst 1986 erklärte die Bundesregierung ausdrücklich, dass weder ein verkehrs- noch volkswirtschaftliches Bedürfnis bestehe, den Hochrhein schiffbar zu machen. Seither ist das Projekt auf deutscher Seite Geschichte.