Der Wellensittich kam im Streifenwagen. Irgendwo im Landkreis Waldshut war der Vogel ausgebüxt oder von seinem Halter quasi rausgeworfen worden. Aber weil es draußen kalt war, hatte er schlechte Karten. „Es war dringend, es war Winter“, berichten Kathrin und Christian Schindler, die in Beuggen den Schindlerhof, eine Heimat für Tiere mit schwierigen Schicksalen, betreiben. Da die regionalen Tierheime keinen Platz für den Wellensittich hatten, nahm sich seiner kurzentschlossen die Polizei an. „Die Beamten haben ihn aus Waldshut zu uns gefahren und so gerettet“, erinnert sich Kathrin Schindler (32).

Der Hof, den sie zusammen mit ihrem Ehemann Christian (35) seit 2012 bewohnt, verfügt über Volieren für Vögel jeder Größe. Käfige kommen für sie prinzipiell nicht in Frage. „Es ist nicht erlaubt, Vögel in kleinen Käfigen zu halten, die brauchen wie die größeren Vögel eine Voliere, um richtig fliegen zu können“, erklärt Kathrin Schindler, „die Leute wissen oftmals nicht, dass es Haltungsvorschriften gibt oder ignorieren diese“. Haltungsvorschriften, die auch andere Tiere wie Hausschweine betreffen. „Sie müssen Doppelzäune haben, damit sie nicht mit Wildschweinen in Kontakt kommen“, stellt Christian Schindler klar.

Die beiden Schweine fühlen sich wohl auf dem Schindlerhof.
Die beiden Schweine fühlen sich wohl auf dem Schindlerhof. | Bild: Peter Schütz

Derzeit leben 65 Tiere auf dem Hof, darunter eine Kuh, zwei Schweine, neun Ziegen, zwei Hunde, vier Katzen, 15 Enten, vier Gänse, zwei Pony, 14 Wellensittiche, fünf Kanarienvögel, ein Truthahn, sechs Zebrafinken, 58 Hühner und 14 Hähne. Hinzu kommen 54 Igel, die Kathrin und Christian Schindler zum Überwintern aufgenommen haben – allesamt Notfälle, deren Biorhythmus durch die milden Temperaturen gestört war.

Immer mehr Igel brauchen Hilfe

„In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der pflegebedürftigen Igel verzehnfacht“, berichtet Kathrin Schindler. Mangels seriöser Igelstationen hat sie sich auf die possierlichen, aber durch Umweltveränderungen, Insektenrückgang und Verkehr akut bedrohten Säugetiere spezialisiert. Sie weiß: „Igel haben einen schnellen Stoffwechsel – und sie sterben schnell und leise, wenn nicht sachkundige Personen sie ins Haus holen.“

Deshalb ihr Rat: „Sinnvoller, als einen Igel nach Hause mitzunehmen, ist es, sich mit einem kundigen Tierarzt oder uns in Verbindung zu setzen.“ Viele Tierärzte vermitteln gefundene Igel an den Schindlerhof. Dank einer Spendenaktion konnte Kathrin Schindler eine alte Hasenzuchtanlage erwerben, um die Igelstation zu vergrößern. Im nächsten Winter soll sie bezugsbereit sein.

Jedes Tier hat seine eigene Geschichte

Beim Rundgang über den Schindlerhof wird schnell klar, dass der Begriff „Gnadenhof“, mit dem er in Verbindung gebracht wird, fehl am Platz ist. Denn bei den Tieren, die dort eine neue Heimat gefunden haben, handelt es sich keineswegs nur um alte, „ausrangierte“ Nutztiere, die ihre letzten Tage in Ruhe verbringen. Etliche von ihnen sind jung bis mittelalt und munter, haben allerdings eine traumatische Vergangenheit hinter sich.

Zum Beispiel die Ponys: Sie seien bei der Ankunft derart mangelernährt gewesen, dass sie vor lauter Hunger ihren eigenen Kot fraßen. Einer Ziege, die das Ehepaar Schindler aus einer Kiste in einem Schrebergarten befreite, seien die Hörner weggebrannt worden, damit sich Kinder ihr gefahrlos hätten nähern können. Und die beiden Schweine befanden sich zuletzt in einer Garage. Jedes Tier auf dem Schindlerhof hat seine eigene, manchmal unfassbare Geschichte, die viel über die Menschen, die sie gehalten haben, verrät.

Viele Tiere kommen aus schlechter Haltung

Ein Großteil der Tiere auf dem rund 2,5 Hektar großen Schindlerhof mit Ställen, Winter- und Sommerweide ist vom Veterinäramt wegen Haltungsfehlern, Vernachlässigung oder Krankheit beschlagnahmt und auf den Hof gebracht worden. Kathrin und Christian Schindler bieten ihnen ein artgerechtes Umfeld zum Wohlfühlen. „Der Amtstierarzt bringt die Tiere vorbei und sieht dann, in welchem Zustand die übrigen Hofbewohner sind“, berichtet Christian Schindler. Auch mit den regionalen Tierärzten besteht ein reger Kontakt.

Auch diese Enten gehören zu den Gästen auf dem Schindlerhof in Beuggen.
Auch diese Enten gehören zu den Gästen auf dem Schindlerhof in Beuggen. | Bild: Peter Schütz

Zum Netzwerk gehören auch andere private Tierschützer in der Gegend, der Tierschutzverein Hauingen und vor allem der Tierschutzverein Bad Säckingen. „Im ersten Jahr hatten wir ein paar Hühner und Ziegen“, blickt das Ehepaar Schindler , das auch überregional berät, zurück. Dass es mit jedem Jahr mehr Tiere geworden sind, hat damit zu tun, dass die Tierheime keine Kapazitäten für „Nutztiere“ haben.

„Wir sind kein Streichelzoo“

Die Zunahme an Hofbewohnern hat den Schindlerhof auch für „Tierliebhaber“ attraktiv gemacht – mit nicht immer positiven Begleiterscheinungen. Zum Beispiel die Fütterung durch Passanten: „Sie meinen es nett, aber es gibt Unverträglichkeiten“, erklärt Kathrin Schindler. Konkret: „In den ersten zwei Jahren hatten wir sechs Todesfälle, weil Brot und Küchenabfall über den Zaun geflogen sind und die Ziegen, trotz Tierarzt, elendiglich daran verendet sind.“ Sie stellt klar: „Man füttert niemals fremde Tiere! Wir sind kein Streichelzoo, wir bieten keine Führungen an und wollen unsere Tiere nicht vermarkten. Wir machen das für die Tiere und für uns. Unsere Tiere sollen hier in Frieden leben können.“

Diese Ponys, im Bild mit Kathrin Schindler, waren mangelernährt und sind auf dem Schindlerhof wieder zu Kräften gekommen.
Diese Ponys, im Bild mit Kathrin Schindler, waren mangelernährt und sind auf dem Schindlerhof wieder zu Kräften gekommen. | Bild: Peter Schütz

Das alles hat seinen Preis. Zwar bekommt das Ehepaar Schindler Futterspenden, dies decke aber nicht den Bedarf. Für die weiteren Kosten kommt das Paar weitgehend privat auf. „Es geht einer von zwei Monatslöhnen in den Hof – im Monat“, sagt Christian Schindler. Beide sind berufstätig, beide müssen sich ihre Zeit gut einteilen.

Heu, Stroh und Getreide kaufen sie bei regionalen Bauern. Natürlich gebe es Monate, in denen die Tiere auf der Weide sind und weniger Kosten verursachen, es gebe aber auch Monate, die kräftig zu Buche schlagen würden. Ein Beispiel: Im Herbst, vor dem Winterschlaf, als die meisten Igel Hilfe brauchten, benötigten diese, zusammen mit den Katzen, laut Schindler 14 Kilogramm Katzenfutter am Tag. Im April werden für die Igel wieder Auswilderungsplätze gesucht. Außerdem soll im Laufe des Jahres ein Verein gegründet werden.

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