„Es war der richtige Zeitpunkt“, sagt Heike Spissinger. Die 53-jährige Arzthelferin spricht von dem Tag, als ihre Mutter ins Kreispflegeheim in Jestetten zog. Heike Spissinger schaut ihrer Mutter Helga Hauer hinterher, die sich mit dem Rollator aufmacht, eine Runde um das Gebäude zu unternehmen. „Ich will etwas die Sonne genießen“, sagt die Seniorin, winkt ihrer Tochter zu und begibt sich auf einen kleinen Spaziergang.
„Jetzt im Nachhinein kann ich ganz überzeugt sagen, dass es eine gute Entscheidung war. Aber der Tag des Einzugs war grauenvoll“, erinnert sich die 53-Jährige. Sie versucht das Gefühl zu beschreiben:
„Es war so, als würde ich meine geliebte Mama einfach abschieben. Als ich ging und die Türen sich hinter mir geschlossen hatten, meine Mama drin war, konnte ich nur noch heulen. Ich stand einfach nur da, die Tränen liefen und hätte sie am liebsten wieder mit heim genommen.“Heike Spissinger
Auch Helga Hauers Sohn ging es ähnlich. Das Zimmer der Mutter: ein Bett, ein Tisch, ein Sessel. Die Tochter war bedrückt: „Ich dachte immer nur ‚was tue ich ihr an?‘“
Dabei hat Helga Hauer die Entscheidung ins Pflegeheim zu ziehen für sich selbst treffen können und schließlich auch getroffen. „Sie hat nach dem Tod meines Vaters immer gesagt, dass sie eines Tages hier oben einziehen wird und hat sich auf die Warteliste für ein Zimmer setzen lassen.“ Als es dann aber soweit war, plagten die Familie Gewissensbisse. Es dauert einige Wochen, bis sich Heike Spissinger an die Situation gewöhnt hat. Doch noch immer schränkt sie ein:
„Meine Mutter fühlt sich wohler hier, als ich mit dem Gedanken, dass sie hier ist.“Heike Spissinger
Die Tochter ergänzt: „Klar beschäftigt mich immer wieder mal die Frage, ob es nicht doch noch irgendwie anders gegangen wäre,“ sagt Heike Spissinger. Doch die Angehörigen sind alle berufstätig, haben selbst Familie.
Und dann ist da die Vernunft, das Wissen, dass es keine andere Möglichkeit gegeben hätte, die Lebensqualität der Seniorin zu erhalten.
„Mittlerweile habe ich ein sehr gutes Gefühl und bin froh, dass meine Mutter hier gut versorgt wird und immer jemand da ist.“Heike Spissinger
Das war eines der großen Probleme, als die 84-Jährige noch allein zu Hause lebte. „Meine Mutter zeigt ihre Schwächen nicht gerne“, sagt Heike Spissinger. Auch wenn die Kinder im Haushalt halfen und die Sozialstation die Seniorin unterstützte, so blieb es doch eine große Belastung für Helga Hauer. Mehrere Stürze hatte Helga Hauer hinter sich. Unter dem Strich waren es dann schließlich zwei Gründe, die die Tochter überzeugten: Die Angst, dass wieder etwas passieren könnte, wenn die Mutter alleine daheim ist und Sorge um eine Vereinsamung der Seniorin.
„Das Gefühl lässt sich kaum beschreiben, das ich hatte, als meine Mutter sich nicht zum vereinbarten Zeitpunkt telefonisch gemeldet hatte. Das ist mehrmals vorgekommen und da bekam ich richtig Angst.“Heike Spiessinger
Mittlerweile hat sich Helga Hauer im Kreispflegeheim gut eingelebt. „Sie erzählt mir immer, was sie alles erlebt hat und spricht über die Programmpunkte.“ Die rüstige Rentnerin kann noch gut an Ausflügen oder Gymnastikrunden teilnehmen, genießt die Zeit für sich. „Ich habe Glück, dass meine Mama geistig fit ist. Sie ist regelrecht aufgeblüht“, sagt Heike Spissinger.
Der Umzug ins Pflegeheim war eine große Veränderung – für die ganze Familie. „Meine beiden Söhne sind sehr verbunden mit ihrer Oma und nun ist es einfach anders, wenn wir sie besuchen.“ Statt Wohnstube und Terrasse stehen im Pflegeheim Helga Hauers Zimmer und die allgemeinen Aufenthaltsräume und -bereiche für den Austausch zur Verfügung.
„Das ist natürlich eine Einschränkung. Anfangs fühlte es sich eher nach Krankenhausbesuch an. Mittlerweile haben wir uns aber daran gewöhnt. Es ist eben einfach ein neuer Lebensabschnitt.“Heike Spiessinger
Das gelte es zu akzeptieren. Das Zimmer der Seniorin ist mittlerweile hübsch eingerichtet: Bilder und persönliche Gegenstände machen es wohnlich. Heike Spissinger begleitet ihre Mutter hinauf in den zweiten Stock.
Stationäre Pflege in der Region
„Ich würde jedem empfehlen, sich frühzeitig mit dem Thema Alter und Pflege auseinanderzusetzen“, rät Heike Spissinger. Belastend sei es zu sehen, wie die Eltern abbauen, alt werden, Hilfe brauchen. Sie ergänzt: „Es ist wohl eines der schwierigsten Themen überhaupt, das man mit seinen Eltern besprechen muss, aber auch eines der wichtigsten.“