„Die aktuelle Dynamik hat mich wirklich überrumpelt“, schreibt Bernd Bornhauser aus Peking. Es mache ihn aus der Ferne besorgt, in den Medien sehen zu müssen, dass noch bis vor wenigen Tagen in Deutschland Menschen ohne Masken in Biergärten, in Cafés und auf Märkten unterwegs gewesen sind. Dies hat sich inzwischen aber zum Glück zum positiven verändert und die Menschen folgen den behördlichen Anweisungen weitestgehend.
Das Geschehen in seiner Heimat interessiert den Wahl-Pekinger sehr: Bornhauser verfolge die deutschen politischen Talkshows zum Thema und sei via Internet am Ball und „kann die zum Teil noch immer stattfindende Diskussion um die Notwendigkeit von strikten Maßnahmen nicht ganz nachvollziehen.“
„Ich habe das Gefühl, dass angesichts der sehr akuten Bedrohungslage trotzdem wertvolle Zeit und Energie in der föderalen Diskussion verloren ging.“Bernd Bornhauser
Er beschreibt die Situation aus der Sicht eines Zeitreisenden: “Man beobachtet durch den Bildschirm seiner Geräte wie sich alles zeitversetzt in der Heimat wiederholt – und man kann natürlich nichts dagegen tun. Man gibt den Verwandten und Bekannten in der Heimat Ratschläge, die aber nicht immer angenommen werden – oder auch aufgrund der Maskenknappheit – nicht befolgt werden können.“
Was hat sich in Peking verändert?
China habe aus seiner Sicht die Lage hinsichtlich der Covid-19-Infektionen mit teils drastischen Methoden in den Griff bekommen, so Bornhauser. „Nach mehrwöchigem Lockdown und striktester Kontrolle ‚normalisiert‘ sich die Situation in Peking langsam wieder, das öffentliche Treiben auf den Straßen und Plätzen kehrt langsam zurück. Wir werden uns aber vermutlich vorerst auf eine ‚neue Normalität‘ einstellen müssen, denn aus heutiger Sicht müssen auch weiterhin einige Dinge anders laufen, um nicht wieder eine Rückkehr der Pandemie zu riskieren.“
Was das bedeutet?
„Die Maskenpflicht, die immer und jederzeit in der Öffentlichkeit gilt, und die permanenten Temperaturkontrollen, sowie Kontaktdaten-Registrierungen beim Betreten von Wohnhäusern oder Geschäften werden hier in China wohl ein ganze Weile bleiben.“Bernd Bornhauser
Das Messen der Körpertemperatur sei auch für Bernd Bornhauser im Unternehmen verpflichtend geworden. So muss er täglich seine Temperatur und die seiner Mitarbeiter erfassen und online an eine Zentrale melden. Am Eingang der Firma ist ein neuerdings sogar ein automatisiertes Gesichtserkennungssystem mit Temperatursensor installiert worden, welches die Temperaturen im Vorbeigehen erfasst.
Auswirkungen beschreibt Bernd Bornhauser auch für das Reisen. Da jeder Einreisende zwei Wochen in Quarantäne muss, werden geschäftliche und auch private Reisen nach China – und vermutlich auch umgekehrt – wohl in absehbarer Zeit unmöglich sein, schätzt der 36-Jährige. „Das Thema Quarantäne ist deutlich stärker geworden und der Fokus der Regierung liegt nun darauf, die Neuinfektionen Einreisenden zu unterbinden, nachdem die Zahl der Neuinfektionen quasi auf Null gesunken ist“, so der gebürtige Waldshuter.
Maßnahmen gegen Corona
„Ich bin kein Virologe und habe sicherlich keine wissenschaftliche Qualifikation, um als Experte zu sprechen. Allerdings halte ich das flächendeckende und verpflichtende Tragen von Masken zusammen mit Social Distancing als größte Erfolgsfaktoren, mit denen die bereits völlig aus dem Ruder gelaufene Epidemie in China wirksam eingedämmt werden konnte“, so Bornhauser. Unbedingt erforderlich sei es zudem konsequent zu sein, wenn man sich außerhalb der eigenen Wohnräume aufhalte, um sich und andere zu schützen.
Beeindruckt hat ihn eine Aussage des bekannten deutschen Virologen Prof. Dr. Alexander Kekulé, nach dem von einem einzigen nicht entdeckten Infizierten nach acht Wochen bereits 3000 weitere Ansteckungen zurückzuführen sind, und davon 300 Verläufe schwer und rund 30 tödlich seien. Bornhauser: „Ich halte das für eine eindrückliche Ermahnung an alle Menschen, jeden nicht notwendigen Kontakt zu meiden, so lange bis Masken verfügbar sind. Es geht nicht nur darum, uns selbst zu schützen, sondern die tausenden Menschen in der folgenden Infektionskette.“
Familienleben ohne Außenkontakte
Über die strikten Maßnahmen in China sagt der 36-jährige Familienvater: „Wir selbst haben uns an diese Regeln weitestgehend gehalten.“ Die einzige Ausnahme, die die Familie zugelassen habe, sei im Sinne der Tochter gewesen: „Wir haben uns an den Wochenenden mit einer befreundeten Familie getroffen – und nur mit dieser – damit die Kinder zusammen spielen konnten. Die Eltern haben sich gegenseitig bekocht und über die Situation ausgetauscht. Wir waren uns sicher, dass unsere beiden Familien sich gleich konsequent schützen und alle anderen Kontakte vermeiden. Als generelle Regel würde ich dies zwar nicht empfehlen, aber wir waren bereit, das Risiko einzugehen.“

Ebenso seien natürlich Spaziergänge in Parks oder Fahrradtouren möglich. „Das Virus sitzt ja nicht hinterm Baum und beißt einem in die Wade, sondern wird von Mensch zu Mensch übertragen. Die Natur sollte man jetzt natürlich insbesondere im Frühling genießen – aber eben für sich und seine Familie, nicht mit immer wechselnden Kontakten.“ Auch das Internet und seine Kommunikationsmöglichkeiten würden dabei helfen, nicht einsam zu werden und Kontakte zu halten.
„Letztlich muss jeder versuchen kreativ zu werden, gerade für die Kinder: Wir haben uns einen Zeitplan und verschiedene wiederkehrende Aktivitäten für unsere Tochter ausgedacht.“Bernd Bornhauser
Was bei Familie Bornhauser auf dem Plan stand? „Malen, Basteln, verschiedene kurze ‚Unterrichtsstunden', Musik, aber auch mal einen schönen Film schauen oder zusammen ein Videospiel spielen.“ Bornhauser sieht im Plan einen klaren Vorteil: „Sich vorher Aktivitäten zu überlegen und diese in einen Wochenplan zu gießen vermeidet den Stress immer spontan etwas neues finden zu müssen. Man muss natürlich alle kreativen Register ziehen und es kostet Kraft. Aber es ist gleichzeitig auch eine Chance, die berühmte ‚Quality-Time‘ mit der Familie zu steigern.“