Ein Wohnzimmer. 25 Quadratmeter. Ein Bett, eine Regalwand, ein Sofa und ein Fernseher. Hier wohnt eine Mutter mit ihren drei Kindern. Unvorstellbar in Deutschland? Hier am Hochrhein? Nein, Realität für Cindy Werner. Sie ist diese Mutter und lebt seit drei Monaten mit ihren drei Töchtern im Wohnzimmer der Wohnung ihrer großen Tochter Jasmin und deren Ehefrau Angie in Bonndorf. 55 Quadratmeter teilen sie sich zu sechst.
Wohnungssuche seit mehr als einem Jahr
Cindy Werner sucht schon seit über einem Jahr eine Wohnung, sagt sie, in Bonndorf und Umgebung, aber auch rund um Waldshut-Tiengen. Doch bisher sei sie nicht einmal zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen worden.
„Das Hauptproblem ist nicht, dass ich Hartz 4 beziehe“, sagt Cindy Werner. Denn: „Als Grund für die Absagen, nennen die Vermieter meistens die Kinder“, sagt sie. „Auch große Wohnungen mit vier oder sogar fünf Zimmern vermieten sie lieber an kinderlose Paare „, so die Mutter.
„Berlin ist kinderfreundlicher.„Cindy Werner
Mit ihren beiden jüngsten Töchtern Luna (1 Jahr) und Estelle (3 Jahre) schläft Cindy Werner auf dem Sofa. Die zehnjährige Laura schläft nebenan im Bett. Und das Sofa mit dem kleinen Tisch ist der Lebensmittelpunkt der vier. „Wir essen, schlafen, spielen im Wohnzimmer, da wir leider keinen anderen Platz haben und auch keinen Rückzugsort“, erzählt Cindy Werner.
„Nach dem Frühstück räumen wir das Bettzeug weg, damit wieder Platz ist und abends holen wir es wieder raus und machen die Coach schlafbereit“, so die Mutter. Bei schönem Wetter sei sie mit ihren Kindern draußen. „Bei schlechtem Wetter lenken wir uns in dem kleinen Raum entweder mit Spielen, Fernsehen oder Malen ab.“
Immer wieder kommen Absagen
Jeden Tag suche die Mutter auf verschiedenen Wegen nach einer Wohnung für sich und die drei Mädchen. „Ich habe mich über verschiedene Portale beworben, Anzeigen geschaltet und es sogar über das Jugendamt und auch über das Rathaus hier in Bonndorf versucht“, erzählt Cindy Werner.
Doch tagein, tagaus bekomme sie immer nur Absagen. Ein Grund, den sie bei Absagen immer wieder höre, seien die Kinder. „In Berlin, wo ich herkomme, war es viel kinderfreundlicher“, sagt die Mutter. Sie wirkt ratlos.

Cindy Werner kam 2015 der Liebe wegen mit vier Töchtern aus der Hauptstadt an den Hochrhein. Ihr Partner aus der Schweiz mietete damals eine Wohnung für alle in Stühlingen. Nachdem Estelle und Luna zur Welt kamen, lebte die Familie zu zehnt auf 110 Quadratmetern. Die drei großen Töchter hätten alle lange gesucht, bis sie eine eigene Wohnung fanden. In der Wohnung in Stühlingen habe es zwar eine Heizung gegeben, aber diese sei nie angegangen. Die Folge: Die Kinder seien oft krank gewesen. Und es habe sich Schimmel gebildet.
Die Familie musste ausziehen.
„Ich habe die Nase voll. In der Enge wird es manchmal ganz schön stressig“, so die sechsfache Mutter. Ihre Tochter Laura sagt allerdings: „Ich finde es super, so eng zusammen zu wohnen“. Immerhin hat die sportliche Zehnjährige noch ein klein wenig Platz, vor ihrem Bett ein Rad zu schlagen. Auch die beiden Kleinen beschweren sich (noch) nicht.

Die 22-jährige Tochter Jasmin, die ihre Mutter und Geschwister aus der Not heraus aufnahm, sagt hingegen: „Es gibt keine Rückzugsmöglichkeit, da ist es schon schön, einfach mal raus zu gehen.“ Ihre Frau Angie ist die Einzige, die derzeit arbeitet und die Miete bezahlt. Und auch die Einzige mit einem Auto.
Die Hürden: Nicht mobil und keine Arbeit
Da sind viele Hürden, die Cindy Werner die Wohnungssuche erschweren: Kein Führerschein und keine Arbeit. Die mangelnde Mobilität wird im abgelegenen Bonndorf für die Familie zu einer großen Last. Und dies ist ein Problem mit schwerwiegenden Folgen: „Ich und auch meine Tochter Jasmin finden keine Arbeit, da wir von Bonndorf mit dem Bus bei kaum einer Arbeitsstelle pünktlich ankommen würden“, sagt Cindy Werner. Und ohne Arbeit bekäme sie wiederum keine Wohnung. „Das ist ein elendiger Rattenschwanz“, ärgert sich die 40-Jährige.
„Ich bin nicht anspruchsvoll. Uns genügen drei Zimmer. Die Wohnung muss nur eine funktionierende Heizung haben und eine Dusche.“
Cindy Werner
Und auch der Radius der Wohnungssuche ist begrenzt: Denn die zehnjährige Laura besucht die fünfte Klasse in Bonndorf und möchte auf keinen Fall die Schule wechseln. Natürlich spiele Hartz 4 bei der Wohnungssuche eine Rolle: „Wir suchen was Langfristiges, aber nichts vom Amt“, seien oft die Antworten der Vermieter. Viele würden eine Schufa-Auskunft fordern, auch wenn dies nicht legitim sei. Oft bekäme die Mutter auch zu hören: „Wer weiß, wie lange das gut geht.“
„Mietpreise sind Wucher“
Mit Hartz 4 bekomme sie zwar Wohngeld vom Amt, doch dieses sei begrenzt. „Die Mietpreise sind hier Wucher“, ärgert sie sich. Und auch die Konkurrenz der Mitbewerber für Wohnungen sei hoch. „Wir werden hier von den Schweizern ausgeknockt“, sagt Angie. „Man ist gezwungen, jede Wohnung zu nehmen, die man kriegen kann“, so die 29-Jährige. Sie wäre ansonsten nie nach Bonndorf gezogen.
Doch zurück nach Berlin zu ziehen, sei für die Großfamilie keine Option. Cindy Werners Partner lebt in der Schweiz, in der Nähe. Und auch, wenn man in der Hauptstadt schnell eine Wohnung bekäme, bedeute ein Umzug: „Gar keine Arbeit und wenn, dann nur eine schlecht bezahlte“.
Wer der Familie helfen will oder eine Wohnung vermitteln kann, kann sich bei der Autorin per E-Mail unter verena.wehrle@suedkurier.de melden.