Der Ausbildungsmarkt in den Landkreisen Waldshut und Lörrach erweist sich grundsätzlich auch in der aktuellen Pandemie-Situation als stabiler als in vielen anderen Regionen. Zu diesem Schluss kommen die Verantwortlichen der Bundesagentur für Arbeit in Lörrach. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Die Corona-Krise wurde in unserer Region nicht zur Ausbildungskrise,“ lautet die Einschätzung von Horst Eckert, dem Leiter der Lörracher Arbeitsagentur.

Konkret seien zwar 14 Prozent Ausbildungsstellen gemeldet worden, allerdings waren aber auch 13 Prozent weniger junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Zum elften Mal in Folge habe die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen im Agenturbezirk Lörrach über der der gemeldeten Bewerber gelegen, so Eckert weiter. 97 Prozent der Jugendlichen konnten demnach versorgt werden – entweder indem sie eine Ausbildung begonnen haben, eine weiterführende Schule oder vorbereitende Bildungsmaßnahmen absolvieren.

74 Bewerber auf 100 Stellen

Von Oktober 2019 bis September 2020 wurden im Agenturbezirk Lörrach laut Mitteilung der Behörde insgesamt 2748 Berufsausbildungsstellen gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet das ein Minus von 463. Im gleichen Zeitraum hätten 2033 Bewerber die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle in Anspruch genommen.

Über längere Zeit betrachtet ergibt sich daraus eine durchaus interessante Entwicklung: War der Ausbildungsmarkt im Jahr 2010 mit 96 Bewerbern auf 100 Ausbildungsstellen rechnerisch weitestgehend ausgeglichen, zeigt sich zehn Jahre später ein ganz anderes Bild. Denn jetzt kommen auf 100 Stellen nur noch 74 Bewerber. Die Perspektiven für Suchende haben sich also erheblich verbessert, während Unternehmen zunehmend über den Mangel an gut ausgebildeten Schulabgänger klagen, die bereit sind eine Berufsausbildung anzustreben.

Pandemie wecke Ängste bei Jugendlichen

Wenn es um die Frage „Ausbildung oder weiterführende Schule“ geht, wirkt sich die aktuelle Corona-Problematik ebenfalls in drastischer Weise aus, wie Horst Eckert darstellt: „Wir nehmen verstärkt Ängste der jungen Menschen wahr, die befürchten, dass ein Unternehmen aufgrund der Pandemie während der Ausbildung in wirtschaftliche Schieflage geraten kann.“

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Diese Sorge sei laut Arbeitsagentur zwar unbegründet, denn die meisten Unternehmen hätten ein großes Interesse daran auszubilden, denn Fachkräfte würden in der Zeit nach der Krise in großer Zahl benötigt. Daher hielten sie an der Ausbildung fest. Ein zum August in Kraft getretenes Bundesprogramm sorge diesbezüglich zusätzlich für Anreize, denn es sichert kleinen und mittleren Betrieben finanzielle Unterstützung zu, die an der Ausbildung auf einem hohen Niveau festhalten.

Dennoch sei als unmittelbare Folge der Sorgen vieler junger Menschen der Anteil derjenigen, die sich für eine weiterführende Schule oder ein Studium entschieden haben im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, so Eckert.

Warum es nicht bei allen mit dem Ausbildungsplatz klappt

Und trotz des Überschusses an unbesetzten Ausbildungsstellen im Vergleich zu Bewerbern kommen längst nicht alle Schulabsolventen zum Zug. Die Gründe hierfür seien laut Arbeitsagentur vielfältig. Oft spiele der schlechte Schulabschluss eine gewichtige Rolle. Es mangle aber häufig auch an Mobilität. Oder: Schulabgänger klammerten sich an Berufsbilder, die einfach nicht zu ihnen passten.

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Das führe in der Praxis auch zu eklatanten Schräglagen zwischen den Berufen. So mangle es an Bewerbern vor allem für Hotel- und Gaststättenberufe sowie in Handwerksberufen wie im Lebensmittelhandwerk und im Lebensmittelverkauf (Fleischerei und Bäckerei), in Bau- und baunahen Berufen und im Handel, heißt es seitens der Arbeitsagentur. Im Gegensatz dazu gab es viel weniger Ausbildungsstellen als Bewerber in den Fachbereichen Informatik, Chemie oder in Büroberufen.

Die Folge: Am 30. September waren noch 65 Bewerber im Agenturbezirk ohne Ausbildungsvertrag, im Gegenzug waren 375 Ausbildungsstellen in eben diesen wenig populären Berufssparten unvermittelt.

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Nach wie vor sei auf beiden Seiten ein Umdenken erforderlich, sagt Eckert. Das heißt: Bewerber könnten ihre Chancen steigern, indem sie sich auch offen für Berufe neben dem eigentlichen Traumjob offen zeigten. Zugleich müssten aber auch Unternehmen sich hinsichtlich „nicht ganz so guter Kandidaten offen zeigen“. Dann sei durchaus zu erwarten, dass im Rahmen der Nachvermittlungszeit im Herbst noch einige Ausbildungsverhältnisse zustande kämen, so Eckert weiter.

Noch immer gute Perspektiven für Kurzentschlossene

Die Corona-bedingten Einschränkungen im Frühjahr wirken sich mit einem zeitlichen Versatz zwei Monaten aus. Ausbildungsmessen fanden nicht statt, Praktika wurden ausgesetzt und Bewerbungsverfahren wurden nicht wie gewohnt durchgeführt, laufen aber zwischenzeitlich in vielen Fällen online.

Die Vermittlungsaktivitäten der Arbeitsagentur Lörrach seien also bei weitem noch nicht abgeschlossen, wie Horst Eckert betont. Er schätzt sogar die Chancen relativ gut ein, dass Leute, die bislang noch leer ausgegangen sind, bis Ende des Jahres einen Ausbildungsplatz finden können.

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Insbesondere appelliert er an Kurzentschlossene, sich bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur zu melden. Die Arbeitsagentur stellt zusätzlich zur Vorbereitung auf eine Beratung ein wissenschaftlich basiertes Online-Erkundungstool namens „Check-U“ zur Verfügung, welches Orientierung für Studiengänge und Ausbildungsberufe ermöglicht.